58 - Arete Villa

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Dominique hatte gewusst, dass er etwas verbarg. Früher war sie durch die Wälder geritten und hatte wie er lange Sommertage auf den Inselanwesen verbracht, doch seit sie krank geworden war, hatte sie den Palast nicht mehr verlassen. Geschweige denn war sie nachts auf dem Arete Anwesen aufgetaucht, das zweite Mal am gleichen Tag. Er war dazugestoßen, während Finja sich ihr in der Eingangshalle stellte. Wäre er später gekommen, wäre sie die Treppe nach oben gegangen, nach ihrer Körpersprache zu urteilen. Vielleicht, um nachzusehen, ob er wirklich nicht im Haus war. Das ließ Finja eine unmögliche Wahl: sollte sie preisgeben, was sie verborgen hatte, und dabei ihre Familie und Julian mit in den Untergang reißen, oder sollte sie der Prinzessin offen verweigern, was sie wollte. Der Hauptmann seiner Garde hatte es Julian mitgeteilt, als er schon auf dem Weg gewesen war. Dass Dominique nach ihm suchte und dafür ihre Suite verlassen hatte. Dass sie ohne ihren Ehemann und das Kind hier war, um ihn zu sehen. Er war gerannt vom Landeplatz hierher, aber das würde sie nie wissen.

„Schwester", grüßte Julian und zog betont entspannt seinen Mantel aus. „Wie reizend, dich zu sehen. Geht es dir gut?"

Dominique nahm ihre Hand vom Treppengeländer. Sie war entschieden gewesen, bevor er gekommen war. Hatte Finja erneut vor ihrem Familiennamen tanzen lassen und war direkt in das Haus ihres Vaters marschiert, als wäre es ihr eigenes. Es waren schon Fehden aus weniger offensichtlichen Provokationen entstanden.

„Ich hatte gehofft, du würdest mich besuchen kommen und mich nicht dazu zwingen, dir hinterher zu laufen", sagte sie nüchtern. Finja nahm das als Anlass, sich zu verabschieden. Dieses Gespräch war nicht für Ohren bestimmt, die nicht zur Familie gehörten. Zu der Art Familie, der man ganz offensichtlich nicht entkam, auch wenn man es gerne wollte.

„Nun, das überrascht mich. Mir erschien, du hast es reichlich bequem in deinem Arrangement mit dem Herzog", stellte Julian fest. „Ich wollte dich nicht mit meiner Ankunft betrüben. Als ich geflogen bin, wurde mir gesagt, alles, was dir Betrübung bereitet solle von dir ferngehalten werden."

„Mein Ehemann ist nicht Gegenstand dieser Unterhaltung."

„Nein?", fragte Julian. Der Unterton war kaum misszuverstehen. Nicht für ihn und ganz sicher nicht für seine Schwester, die bei den gleichen Politikern und Philosophen gelernt hatte, wie er. Er war sich sicher, dass sie im Auftrag ihres Ehemanns hier war, um ihn auszuspionieren. Dass dieser glaubte, er wäre dumm genug, das nicht zu sehen, grenzte beinahe an eine Beleidigung. Was dachten sie, hatte er in den Kolonien getan, dass er nicht mehr wusste, wie man ihre Spiele spielte?

„Du hast dich weder von mir verabschiedet, noch hast du mich begrüßt", stellte die Königstochter fest. Er nahm ihr ab, dass sie verletzt war, aber nicht, dass es der einzige Grund für ihre Anwesenheit war.

„Glaub mir, ich habe dir einen Gefallen getan."

„Sei nicht herablassend", forderte sie resigniert. „Wieso?"

Die Frage schnitt vorbei an der Höflichkeit, in die sie beide einander gerne wickelten. Julian respektierte das und antwortete ehrlich.

„Man spricht nicht gut über mich. Die Stadt feiert meine Rückkehr, aber viele im Adel haben nicht vergessen, wie ich gegangen bin. Du auch nicht, wie es scheint. Es ist besser, wenn alle denken, wir sind entfremdet."

Dominiques Gesicht wurde hart.

„Sind wir etwa nicht entfremdet?", fragte sie. „Das ist neu für mich. Du tust mir keinen Gefallen, du bestrafst mich."

„Bitte", knurrte Julian. „Fang nicht damit an. Drei Jahre im Exil und wir sind wieder genau dort, wo wir angefangen haben."

„Keinen meiner Briefe hast du beantwortet", warf ihm Dominique vor. „Du hast geschrieben, aber nur an Mutter. Nie an mich. Wenn, dann hast du mich in einem Satz erwähnt und ich hätte diesen Satz ausgeschnitten und in mein Tagebuch geklebt, wenn sie mich gelassen hätte."

Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt