Kapitel 9.

1.2K 112 4
                                    

Levins POV

Jenna hatte recht gehabt, mit der Vermutung, dass Alec die Nummer von der kleinen, Blonden hatte, mit der dieser Nicolai auf dem Konzert war. Ich hatte also noch in derselben Nacht seine Adresse und Telefonnummer herausfinden können. Sein Name jedoch, fiel mir von selbst wieder ein. Immerhin etwas. Nachdem ich die restliche Nacht bei Miranda verbracht hatte, war ich nun auf dem Weg zu Nicolais Wohnung. Es war noch recht früh und eigentlich eilte es nicht, die Jacke zurückzugeben, doch da Mirandas nervige Nichte zu Besuch war, kam mir die Gelegenheit sehr recht. Ich wollte eigentlich nach Hause fahren und die Sache mit der Jacke nur als Ausrede abstempeln, doch irgendwie war ich nun doch vor seiner Haustür gelandet. Es war alles so,.. schlicht. Jedes Apartment hatte dieselbe Haustür, dieselbe Klingel und auch irgendwie dieselbe Topfpflanze, die neben der jedoch „Individuellen" Fußmatte stand. Meine Bedenken, es wäre zu früh für meinen Besuch, verflogen schnell, nachdem ich lautes Gelächter aus seiner Wohnung hörte. Ich klingelte und ein schrilles, typisches DingDong ertönte. Wie ich diesen Ton hasste. Es war fast so Nerv tötend, wie diese vorgegebenen Handyklingeltöne. Es wurde still in der Wohnung und die Tür öffnete sich langsam, einen Spalt. Es war Nicolai. Er sah verwirrt und „leicht" zerzaust aus. Die Haare standen ihm zu Berge und sein T-Shirt rutschte an der rechten Schulter schon fast herunter. „Hi." Mehr fiel mir nicht ein und mehr brauchte es wohl auch nicht, damit er die Tür wieder zuschlug. Hatte ich ihn bei etwas gestört? So wie er aussah, hätte man meinen können, dass er am rumvögeln war, der Handabdruck auf seiner linken Gesichtshälfte irritierte mich bei dieser Vermutung jedoch ein wenig. Ich vernahm ein Stimmengewirr aus der Wohnung, worauf sich kurzerhand die Tür erneut öffnete, diesmal jedoch ganz und ein ebenso zerzauster Typ grinste mich an. Hinter ihm stand Nicolai, der nicht sehr erfreut über meinen Besuch wirkte. Der Typ vor mir murmelte etwas, grinste mich dann jedoch blöd an und begrüßte mich. „Hi, Was geht?" Angesichts der Tatsache, dass alle beide wahnsinnig ausgepowert und zerzaust aussahen und Nicolai sich mit hochrotem Kopf hinter dem Typen versteckte , konnte ich nicht anders, als mir Vorzustellen, was die Beiden, bis vor wenigen Sekunden, miteinander getrieben hatten. „Komm doch rein!" Der Typ trat vom Eingang weg und machte eine einladende Geste. Ich zuckte nur mit den Schultern und hielt ihm die Jacke hin. „Ich wollte nur die Jacke vorbeibringen." Nicolai drängte sich an dem Typen vorbei und deutete ihm, wieder in die Wohnung zu gehen. Dann wand er sich zu mir und nahm seine Jacke entgegen. „Hi.." murmelte er schüchtern. „Komm ich ungelegen?" fragte ich grade heraus und Nicolai sah verlegen auf den Boden. „N-Nicht ungelegen. Ich hab nur nicht mit deinem Besuch gerechnet." Da war wieder das Stottern. Irgendwie süß, dennoch fragte ich mich, wieso er nur bei mir so stotterte. „Wie gesagt, ich wollte nur die Jacke zurückgeben." Er nickte resigniert und bedankte sich kurz. „W-Woher wusstest du wo ich wohne?" Er sah sich nervös um, als wenn er ausspioniert werden würde. „Von Alec, beziehungsweise, von deiner Freundin." Ich musste grinsen, als Nicolai bei dem Wort „Freundin" zusammenzuckte. „Sie ist nicht meine Freundin." Grummelte er und hielt sich unbewusst die Wange. Ich lachte kurz auf. „Ich weiß." Er sah mich verwirrt an und ich zeigte auf den Typen von eben, der auf einmal hinter ihm stand und seine Arme um die Hüfte schlang. „Ich will mitreden!" maulte er kindlich und schmiegte sich demonstrativ an Nicolai. Warte, war das jetzt etwa ernsthaft sein Freund?! Nicolai schien das gar nicht lustig zu finden, denn er stieß dem Typen mit dem Ellenbogen in die Magengrube. „Du solltest langsam gehen, du wolltest doch noch für den nächsten Test lernen. Nicht wahr?!" Der Typ schien zu überlegen und grinste frech. „Ich würde viel lieber mit euch abhäng ..Autsch!" Nic starrte ihn böse an und deutete ihm erneut, zu verschwinden. „Wir sehen uns, Austin!" knurrte er ihn an, woraufhin dieser Austin ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Wie du willst, mein süßer." Dann verschwand er und ich wusste nicht, was mich mehr verwirrte. Die Tatsache, dass ich froh war, dass Nicolai ihn von sich gestoßen hatte, oder aber das mulmige Gefühl in meinem Bauch, als er ihm einen Kuss gab. Was interessierte es mich denn, mit wem er zusammen war. Ich wand mich ebenfalls zum Gehen. „Naja, ich muss weiter, also sorry für die Störung." Er sah wieder zu Boden und kratzte sich am Nacken. „Hast du wirklich keine Zeit mehr? Wir könnten was Unternehmen." Er klang in diesem Moment genauso, wie damals, als ich mich von ihm verabschiedet hatte und zurückgeflogen war. Um ehrlich zu sein hatte ich den ganzen Tag frei und wusste noch nicht genau, was ich machen wollte. „Ach ja? Was denn?" neugierig kam ich einen Schritt auf ihn zu und die Art, wie er zusammenzuckte, fand ich irre witzig. „W-Wir könnten ans M-Meer fahren, oder so..." Skeptisch hob ich eine Augenbraue. „Ans Meer?" Er sah mich entschuldigend an. „M-Magst du das Meer nicht?" Ich stopfte die Hände in die Hosentasche und zuckte wieder einmal mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich war noch nie am Meer." Er grübelte. „W-Wir können auch.. brunchen gehen?" Diesmal wirkte er viel unsicherer als zuvor. Als wenn er es Bereuen würde, mich vor dem Gehen aufgehalten zu haben. Ich konnte nicht anders als zu lachen. „Nein, schon Okay. Das Meer hört sich cool an! Ich zieh mir noch was anderes an, dann hol ich dich nachher ab." Augenblicklich wirkte er erleichtert und nickte zufrieden. Ich stieg wieder auf mein Motorrad und musste während der Heimfahrt über mich selbst lachen. „Das Meer also, hmm?" Ich hatte eigentlich damit gerechnet, meinen freien Sonntag vor dem Fernseher zu verbringen und gemeinsam mit Alec ein Bier nach dem anderen zu leeren, doch ein Besuch am Meer war auch eine gute Alternative. Es war zwar schon eine etwas kühlere Jahreszeit, doch das war mir relativ egal. Ich war noch nie am Meer und fand die Idee gar nicht so schlecht. Ich zog mir ein frisches Shirt an und schnappte mir eine meiner Jacken, damit ich nicht wieder Nicolais nehmen musste. Wenige Sekunden, nachdem ich aus meiner Wohnung gestürmt war, riss ich meine Haustür erneut auf und schmiss meine Jacke wieder zurück auf die Couch. „Scheiß drauf!"

Es war inzwischen Elf Uhr und ich stand wieder vor Nicolais Apartment. Ich lehnte lässig an meinem Motorrad und rauchte noch eine Kippe. Es dauerte einen Moment, doch dann sah ich, wie er die letzten Treppenstufen hinunterkam. „Sorry, dass du warten musstest. Hab grad noch Telefoniert." Ich zog eine Augenbraue hoch. „Dein Freund?" Er verzog das Gesicht zu einer ulkigen Grimasse. „Nein! Austin ist nur ein Kumpel, er wollte mich vorhin nur aufziehen." Beichtete er und ich konnte ihm nicht so ganz glauben. „Also stehst du nicht auf Männer?" Ich fragte nur aus Neugier und irgendwie auch, um ihn selbst ein wenig aufzuziehen, ihm schien es jedoch ziemlich peinlich zu sein. „D-Doch. Ist das S-Schlimm?" Seine Ehrlichkeit überraschte mich. Ich hatte mit einem verlegenen Kopfschütteln gerechnet. Ich blies den Rauch aus der Lunge und Nicolai bekam es voll ins Gesicht. „Nö." Er hustete und sah mich böse an. Schnell schnipste ich den Zigarettenstummel weg und lud ihn ein, auf dem Motorrad, hinter mir, Platz zu nehmen. „Wir fahren damit?!" überrascht quiekte er auf und ich fragte mich was sein Problem war. „Hast du schiss?" Ich schielte zu ihm, doch er sah, wieder einmal, verlegen weg. „N-Nee, du bist nur.." Nun drehte ich mich ganz zu ihm um, naja soweit es eben auf dem Motorrad ging. „Was bin ich?" Nicolai grinste mich nervös an. „Du bist.. so klein, Ich weiß nicht wo ich mich festhalten soll." Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt oder?! Beleidigt schnappte ich nach Luft und war kurz dabei ihm eine runterzuhauen, doch aus einem, mir unerfindlichen, Grund, tat ich es nicht. Stattdessen tat ich etwas, was ich sonst nie tat und ich fragte mich, wieso ich es bei ihm zuließ. Ich stieg ab und gab ihm zu verstehen, nach vorne zu rutschen. „Was soll das?" Verdutzt sah er mich an und hielt nun mehr oder weniger das Steuer in der Hand. „Du fährst.." brummte ich grimmig und kletterte auf den Rücksitz. „I-Ich kann aber nicht fahren!" Panisch sah er mich an, hoffte wohl darauf, dass dies nur ein Scherz war. Doch es war mein voller ernst. Es war offensichtlich, dass er noch nie gefahren war und doch überließ ich ihm das Steuer meines Babys. „Ich bring es dir bei." Sagte ich ruhig und zeigte ihm langsam alle Sachen. „Da gibst du Gas und auf der Seite bremst du. Fertig." Er schluckte nervös und schien mich für verrückt zu halten. „So schwer ist es nicht. Probier's einfach" Ich klopfte ihm auf die Schulter, ein Zeichen, dass ich bereit war. Dann schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper und ...heilige Scheiße, klopfte sein Herz laut und verdammt schnell. Es fuhr quasi Achterbahn und ich versuchte mir ein Lachen zu verkneifen. Er startete den Motor und würgte ihn kurzdarauf wieder ab. „Sorry.." Ich lachte leise und er versuchte es erneut. Diesmal klappte es schon besser und er wagte ein paar Drehungen auf dem Parkplatz. „S-So?" fragte er etwas weniger panisch und ich nickte. Mein Kopf lag auf seinem Rücken und ich lauschte seinem Katzenartigen Herzschlag. Jede noch so kleinste Kleinigkeit ließ es wieder in die Höhe schnellen und ich musste mich immer zusammenreißen, nicht loszulachen. „Das sollte reichen. Lass uns endlich losfahren." Diesmal blieb Nicolai ruhig und schien sich zu fangen. „Was wenn wir angehalten werden? Ich hab keinen Führerschein.." Ich zwickte ihn und er zuckte zusammen. „Sei keine Pussy und fahr!" Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn er bretterte auf einmal los, wobei ich fast das Gleichgewicht verlor und mich lachend an ihn schmiegte. Nicht, weil ich es wollte, sondern weil ich sonst echt runtergeflogen wäre. Was wiederrum nicht bedeutete, dass es mir unangenehm war. Ich ließ ihn sogar mein Baby fahren, was war nur los mit mir?

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt