Kapitel 44.

1K 82 1
                                    

Nicolais POV

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich eingeschlafen war und erst recht nicht, wie er sich zu mir gelegt und zugedeckt hat. Es war kurz nach fünf und ich musste mich für das Krankenhaus fertig machen. Ich brauchte nicht lange im Badezimmer und hatte noch ein paar Minuten, bevor ich losgehen musste. Levin war einfach süß. Er hatte sich komplett in die warme Decke eingemummelt und lag wie eine kleine Sushi-Rolle auf der Couch. Ich lachte leise und ein kleines Köpfchen lugte aus dem Nest aus Handtüchern. „Meow.." sofort eilte ich in die Küche und füllte zwei Schalen mit Wasser und Futter. „Na du?" langsam öffnete der kleine seine Augen und ich schnappte nach Luft. Grüne Augen und Schwarzes Fell. Er sah aus wie Lev.. oder sah Lev aus wie er? Ich schielte zu ihm rüber und musste schmunzeln. „Meow.." der Kleine begann zu quengeln und ich konnte nichts tun, als ihn entschuldigend anzusehen. „Das Futter ist wohl einfach noch zu groß, was? Tut mir leid, aber wir können dir erst Nachher was holen." Ich tätschelte erst über seinen, dann über Levs Kopf. „Bis Nachher." Ich zog mir schnell die Schuhe und Jacke an und blickte noch ein letztes Mal zu den beiden. „Bye bye.." nuschelte Lev verschlafen, so wie er es immer tat.

„Na? Wie wars gestern noch so?" Josh wackelte mit den Augenbrauen und Patrice verdrehte die Augen. „Ein wenig.. hektisch." Gestand ich und kratzte mich am Nacken. Ein Raunen ging durch die Runde und alle sahen mich auffordernd an. „Was denn? Gings etwa wild zur Sache?" Ich wusste, dass Josh mich nur aufziehen wollte, doch ich konnte es nicht verhindern, dass meine Gedanken zu dem Blowjob wanderten und ich rot anlief. „N-Nein. Ich.." stotternd versuchte ich mich aus dieser Situation rauszureden. „Ach du Scheiße. Sag bloß du bist in Wahrheit voll der harte Ficker!" stieß Patrice entsetzt aus und alle starrten mich mit offenen Mund an. „Um ehrlich zu sein, will ich gar nicht wissen wer hier wen, wie, wo , ..so wie Sie es Ausdrücken, Fickt." Meldete sich Dr. Harper zu Wort und alle waren Mucksmäuschenstill. „Wir werden heute runter in die Leichenhalle gehen. Ich werde euch heute einmal vorführen, wie man einen Menschen operiert." Mayas Augen begannen bei dem Wort Leichenhalle zu glänzen. „Dürfen wir selbst auch schon was machen?" fragte sie enthusiastisch, doch Dr. Harper verneinte. „Ihr werdet noch früh genug in Kontakt mit dem Skalpell kommen." Enttäuscht ließ sie den Kopf hängen und wir trotteten dem Doc hinterher. „Und? Was ist denn gestern jetzt alles passiert? Mir kannst du es doch sagen? Schließlich bin ich auch nur ein Mann, der absolut versteht, wenn es mal schmutzig wird." Josh wackelte wieder mit den Augenbrauen und schnalzte mit der Zunge. Bevor ich ihn genervt abweisen konnte, meldete sich Ben zu Wort. „Ich bin auch ein Mann, also spiel dich nicht so auf." Brummte er beleidigt, doch Josh fing nur an zu lachen. „Ach, mit wie vielen Frauen hast du denn schon geschlafen?" darauf wusste er nun keine Antwort und schwieg peinlich berührt. „War doch klar, dass er ne Jungfrau ist!" gab Patrice schnippisch von sich und kicherte. Als die beiden sich über Ben ausließen, sah Maya ihn mitleidig an und ich wurde allmählich sauer. Was war so witzig daran, sich über andere lustig zu machen? Dr. Harper verschwand für eine Weile, da wohl ein Notfall aufgetreten war und wir standen nun vor der Leichenhalle und mussten uns Joshs blöde Sprüche und Patrice zickige Bemerkungen anhören. „Leute, lasst es mal gut sein. Es ist Bens Entscheidung wann er was macht." Ich wollte nicht streiten, aber das ganze Entwickelte sich allmählich in eine unangenehme Richtung. „Was denn? Findest du es etwa nicht komisch, mit fast Zwanzig noch Jungfrau zu sein?" Ich verdrehte die Augen. Das konnte doch nicht deren ernst sein. „Nein, finde ich nicht. Wieso sollte ich?" Patrice und Josh sahen sich wieder so merkwürdig an. „Oder bist du etwa auch noch eine Jungfrau?" Mir platzte allmählich der Kragen. Normalerweise würde ich solche Sprüche ohne mit der Wimper zu zucken abtun, doch wenn mich Lev eins gelehrt hatte, dann, dass man ab und zu mal auf den Tisch hauen musste, um das zu kriegen was man wollte. Ich wollte eine friedliche Gemeinschaft, also würde ich auch dafür sorgen. Ich baute mich vor Josh auf und funkelte ihn von oben herab an. „Nein, bin ich nicht. Aber wenn dich das Sexleben anderer so sehr interessiert,.. mein erstes Mal war mit einem Mädchen und es war das beschissenste was ich je erlebt habe. Ich liebe es, mit Männern zu schlafen und meine Freundin ist Levin von The Blast. Also..Noch irgendwelche Fragen?" Josh schüttelte verdattert den Kopf und Patrice viel zum zweiten Mal an diesem Tag, die Kinnlade herunter. Gereizt verließ ich den Flur und verschwand in der Herren Toilette. Ich konnte nicht glauben, was ich da grade gesagt hatte. Ich war einfach wie in einem Rausch und konnte nicht verhindern, was aus meinem Mund kam. Ich schmiss mir ein wenig Wasser ins Gesicht um ein wenig runterzufahren. Die Tür öffnete sich langsam und Ben trat ein. Schüchtern sah er mich im Spiegel an und trat von einem Bein auf das andere. „Danke, dass du mir helfen wolltest und für mich gelogen hast." Nuschelte er und grinste kurz. Ich erwiderte das grinsen, seufzte dann jedoch resigniert. „Das war nicht gelogen." Gab ich ehrlich zu und seine Augen weiteten sich. „Oh. Tut mir leid, ich hätte nur nicht gedacht, das.." Ich drehte mich zu ihm und lächelte schief. „..Das ich Schwul bin?" Er starrte auf seine Schuhe und schüttelte kurz den Kopf. Nachdem ich mich beruhigt hatte und Ben sich dazu überwunden hat, gingen wir zurück auf den Flur, wo wir auf eine einsame Maya stießen. „Wo sind die anderen?" fragte ich und sie zeigte auf die Tür. „Sind rauchen gegangen." Ben ging begeistert auf sie zu und schien auf einmal viel enthusiastischer zu sein. „Es stimmt. Er hat es nicht einfach so gesagt. Er ist wirklich Schwul." Maya sah verblüfft zu mir, lächelte aber nur freundlich. „Da hat Patrice wohl von Anfang an keine Chance gehabt." Sagte sie kichernd und Ben stimmte mit ein. „Und das mit Levin? Das war aber gelogen oder?" fragten beide neugierig und ich holte mein Handy raus. Ich bezweifelte, dass die beiden es Publik machen würden, also zeigte ich ihnen ein Foto, das ich heute Morgen gemacht hatte, als er noch schlief. Auf dem Bild lag Levin mit dem Kopf auf seinen verschränkten Armen, dazwischen hatte sich der Kleine eingenistet und sein Gesicht abgeleckt. Es war einfach zu süß. „Oh mein Gott. Wie süß! Ihr habt eine Katze?" Als das Thema Katze fiel, wurde ich sofort neugierig. „Als Lev und ich gestern im Kino waren, haben wir den Kleinen in einem Karton gefunden. Seine Geschwister sind leider schon tot." Gestand ich traurig und die beiden sahen mich mitleidig an. „Kennt sich einer von euch mit Katzen aus?" Maya überlegte. „Meine große Schwester hat Katzen. Ich kann sie ja mal fragen. Aber wart ihr denn schon bei einem Tierarzt?" fragte sie besorgt und ich schüttelte den Kopf. „Ich hab Lev gesagt, er soll nachher mit ihm zu einem Arzt. Hoffentlich vergisst er es nicht." Ich spielte mit dem Gedanken, ihn einmal Anzurufen, doch es war wohl noch etwas zu früh und ich würde ihn nur unnötig wecken. Mayas Kichern riss mich aus den Gedanken. „Was ist?" verwirrt sah ich zwischen den beiden hin und her, verstand aber nur Bahnhof. „Ach nichts. Es ist nur süß, wie du Lev zu ihm sagst." Irgendwie hatte ich mich an den Namen gewöhnt. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass ich ihn nur noch so nannte. Er nannte mich ja eigentlich auch nur noch Nic. „Apropos Namen. Habt ihr schon einen für die Katze? Ist es denn ein Mädchen oder ein Junge?" Ben sagte es so unschuldig, dass ich es schon fast witzig fand. Dabei hatte ich mich vor Lev wohl genauso artikuliert.

Dr. Harper tauchte zwischendrin einmal auf, nur um uns ins Labor zu schicken, wo wir Blutproben untersuchten. Als wir dann damit fertig waren, wurden wir eher nach Hause geschickt, da wohl ein ziemlich großer Unfall in der Nähe gewesen war und die umliegenden Krankenhäuser schon voll waren. „Können wir nicht irgendwie helfen?" fragte ich Dr. Harper, doch der winkte nur gestresst ab. „Dafür seid ihr noch zu frisch von der Uni. Geht lieber, statt im weg zu stehen." Mit diesen Worten war er in den nächsten OP gezischt und uns blieb nichts anderes übrig, als zu gehen. „Glaubst du, wir können kurz mit zu dir? Wir wollen das Kätzchen sehen." Maya und Ben wirkten so begeistert, dass ich einfach nicht nein sagen konnte. Ich musste Lev nur Bescheid geben, nicht dass er wieder nackt durch die Wohnung lief. Wir mussten einen Umweg nehmen, da es sich herausstellte, dass der Unfall sich auf dem Weg zwischen Uni und meiner Wohnung ereignet hatte.

Ich schloss die Wohnung auf und wir traten langsam ein. „Bin wieder da!" rief ich vorsichtshalber, doch keine Reaktion. Es war alles still in der Wohnung, als wir plötzlich eine merkwürdige Konversation aus meinem Schlafzimmer hörten.

„Ich kann doch nichts dafür."

„Meow.."

„Der Arzt hat gesagt, dass das Ding dran bleiben muss."

„Meoooow.."

„Hey! Nicht in diesem Ton, Freundchen."

„Meow?"

„Nein..Warte Nein..Nein! Nicht! Hör auf damit! Lass.. Nicht meine Gitarre!!"

Ein lautes quietschen und ein darauffolgendes Krachen ließ uns zusammenzucken. Ich lugte ins Schlafzimmer und vor mir breitete sich das pure Chaos aus. „Was ist denn hier passiert?" Geschockt starrte ich auf die zerrissenen Kissen, die zerkratzten Wände und die zerstörte Gitarre. Lev hockte vor dem Bett und versuchte den Kater drunter weg zu bekommen. „Jetzt komm schon. Ich sollte auf dich sauer sein! Nicht du auf mich!" knurrte Lev gereizt und sah zu seiner Gitarre. „Lev, Beruhig dich." Ich zog ihn sanft auf die Beine und er schmiegte sich an mich. „Du bist wieder da." Schniefte er beleidigt und zeigte auf seine Gitarre. „Dieses Biest hat mein Baby zerstört!" wütend funkelte er zum Bett, ehe er sich auf meine Umarmung konzentrierte. Ich hätte beinahe vergessen, dass Maya und Ben ja im Wohnzimmer warteten. „Vergiss das hier grad einfach und sag den anderen Hallo. Ich kümmer mich gleich um alles." Ich drückte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, ehe ich ihn ins Wohnzimmer schob. „Das ist Maya und das Ben. Leute, das ist Lev." Stellte ich höflich alle vor, woraufhin Lev, wie immer, nur mit den Schultern zuckte. Er war schlecht gelaunt. Das war nicht gut. „Machst du uns allen einen Kaffee?" fragte ich ihn zuckersüß, damit er einen Moment für sich hatte und nicht durchtickte. „Hmpf." Er stapfte in die Küche und ich atmete erleichtert aus. „Tut mir leid. Es gab wohl stress, während ich weg war." Ich seufzte kurz, doch die beiden hörten mir gar nicht richtig zu. „Das ist ja wirklich Levin. Also der echte. Oh Mein Gott!" Ich schmunzelte über Mayas Reaktion und verschwand kurz im Schlafzimmer. „Hey Kleiner. Komm schon her. Alles ist gut." Sagte ich sanft und er kam wirklich unter dem Bett hervor. Ich nahm ihn auf meinen Arm und kraulte sein kleines Öhrchen. Das hatte Lev also gemeint. Er hatte ein Flohhalsband umbekommen und versuchte es nun abzukratzen.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt