Kapitel 31.

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Levins POV

Sollte ich ihn anrufen? Nein, lieber nicht. Oder vielleicht doch? Vielleicht eine Nachricht verschicken? Nur eine einzige. Das sollte doch okay sein, oder etwa nicht? Unentschlossen starrte ich auf mein Handy, als wir auf dem Weg zum Flughafen waren. Ich hatte zwar gesagt, dass ich Zeit für mich brauchte, aber ich sollte Nic wenigstens Bescheid geben, dass ich die nächste Woche über in Minnesota war. Andererseits ging es ihn gar nichts an, wann ich wo war. War es komisch, ihm Bescheid zu geben? Ich schielte zu Tristan und Jenna rüber. Soweit ich es beurteilen konnte, sagten die beiden sich immer alles. Ok gut, sie waren auch zwei Kletten, die keine Minute ohne einander konnten. Sollte ich ihm Bescheid geben? Ja? Nein? Vielleicht?

Ehe ich mich entscheiden konnte, hielt der Wagen an und meine Tür wurde geöffnet. „Leute, Wir müssen uns ein wenig beeilen, sonst kriegen wir unseren Flug nicht mehr." Jammerte unser Manager und wand sich wieder seinem Telefongespräch zu. „Nein, Schatz. Ja, Schatz. Ist gut, Schatz. Ich weiß, Schatz. Ich dich auch." Er legte auf und wand sich dem Gepäck zu. Langsam glitt mein Blick wieder auf mein Handy, welches ich schnell in die Hosentasche schob. Ich musste ihm nicht Bescheid geben, schließlich war ich nicht so eine Hormongesteuerte Klette, wie die ganzen Idioten um mich herum. Hörten die sich eigentlich manchmal beim Reden zu? Was sollte dieser ganze Schatz-und-Babe-Bullshit? War ja mal absolut widerlich. Gereizt von dem ganzen Liebesgetuschel, das von Trist und meiner Schwester zu mir herüber schwabbte, stieg ich schnell aus und krallte mir meine Tasche. Und das musste ich mir nun eine ganze Woche antun? Alec schien das ganze gar nichts auszumachen, oder sollte ich sagen, er bekam es überhaupt nicht mit? Ausgerüstet mit seinen XXL-Kopfhörern stolzierte er herum und schien in seiner eigenen, nervigen Welt zu sein. Verdammt. Ich wusste, ich hätte meine Mitnehmen sollen. Als sich dann auch noch herausstellte, dass sich unser Flug verspätete, verdrehte ich genervt die Augen und ließ mich auf eine Sitzbank plumpsen.

„Ich liebe dich."

„Ich liebe dich aber viel mehr."

„Nein, Ich liebe dich viel mehr, als du mich."

„Ich liebe dich aber am allermeisten."

Angewidert wanderte mein Blick zu dem Pärchen neben mir und ich war kurz davor zu kotzen. Schnell stand ich auf und verschwand in den Raucher Bereich, um wenigstens noch einmal zu rauchen, bevor ich mich vor lauter Liebesgesülze in den Tod stürzte. Ich hatte ja echt schon widerliche Dinge erlebt, doch das toppte alles. Unbewusst kramte ich mein Handy aus der Hosentasche und blickte verwundert aufs Display. Ich hatte immer noch keine einzige Nachricht von Nic. Dabei schrieb er mir ständig irgendwas. Manchmal schrieb er mir wirklich unnötiges Zeug, einfach nur, weil er an mich dachte. Zumindest hatte er das mal gesagt. Ich zuckte zusammen, als ich mich in der Kontaktliste, bei seinem Namen wiederfand. Schnell verwarf ich den Gedanken ihn zu Kontaktieren. Nein, Nein, Nein. Ich war keine Klette! Gab es nicht irgendwelche Regeln, wann man wie oft jemanden schrieb, ohne gleich aufdringlich rüber zu kommen? Wie oft telefonierten andere? Und wie lange? Mein längstes Telefongespräch mit Nicolai war um die Zehn Minuten. War das komisch? Ich hatte noch nie viel Wert auf Kommunikation gelegt. Gedankenverloren tippte ich auf dem Handy herum und wollte aus der Kontaktliste gehen, als ich auf den Anrufbutton kam. Oh Fuck. Schnell Auflegen, Auflegen, Auflegen!

„Levin?" Innerlich schlug ich meinen Kopf gegen die nächstbeste Wand. „..Fuck." Ich räusperte mich einmal und versuchte irgendeinen vernünftigen Satz zustande zu bringen, der logisch erklären würde, wieso ich ihn plötzlich anrief. „Was gibt's?" Er klang irgendwie erschöpft und ich hatte immer noch keine Antwort parat. „Ähm.. Nichts." Ich eilte aus dem Raucherbereich, um ein wenig Privatsphäre zu haben. Tatsächlich fand ich eine ruhige Ecke mit Empfang, die nicht überfüllt mit gestressten Familien, turtelnden Liebespärchen oder gereizten Geschäftsmännern war. „Bin wohl ausversehen auf deine Nummer gekommen." Murmelte ich monoton, um mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Verlegenheit? Wieso war ich verlegen? Es war doch nur Nicolai. „Oh, achso." Ich horchte auf und vernahm eine Spur Enttäuschung in seiner Stimme. Ich lehnte mich locker an die Wand und sah mich in der großen Halle um, in der sich dutzende Fluggäste tummelten. Was sollte ich sagen? In Filmen sagten die Typen immer so Sätze wie „Ich wollte deine Stimme hören." Oder „Ich denke jede Sekunde an dich.", aber fuck, wie konnte man solche Leute denn bitte noch ernst nehmen. Das war doch genauso großer Bullshit wie dieses „Ich liebe dich- Nein, ich liebe dich viel mehr." Gequatsche.

Das war doch zum verrückt werden. Konnte ich denn keine halbwegs nette Konversation mit meinem Freund führen, ohne emotionslos zu werden oder vor Liebesgesülze gleich los zu kotzen? Ich atmete einmal tief durch. Es konnte ja wohl nicht so schwer sein, etwas Nettes zu sagen. Etwas Nettes. Nett... Was würde Tristan in so einer Situation machen?

„Wie geht's dir? Tut mir leid, dass ich mich nicht so oft melde. Ich habe momentan viel zu tun." Oha. Das war gut. Es war immer gut sich zu entschuldigen. Zumindest glaubte ich, das mal irgendwo gehört zu haben. Ok. Es war still am anderen Ende. Zu still. „Nic?" Er räusperte sich. „Oh..Äh..Ja es ist alles gut bei mir. Das kam nur etwas .. unerwartet." Er räusperte sich noch einmal und ich kam mir blöd vor. Bei Trist sah alles immer so einfach aus. Er sagte immer direkt was er dachte und es schien für alle ok zu sein. „Ich bin froh, dass du angerufen hast. Ich will dich nicht weiter bei deiner Arbeit stören, aber können wir uns nachher kurz sehen? Es muss auch nicht lang sein." Ich entdeckte, wie David und die anderen in mein Blickfeld rückten und mir vom weiten zuwinkten. Meine Brust zog sich zusammen und ich wäre am liebsten direkt zu ihm gefahren. „Ich bin grade am Flughafen und fliege gleich nach Minnesota. Tut mir leid, ich hätte dir schon eher Bescheid geben sollen." Und ich meinte es so, wie ich es sagte. Ich fühlte mich idiotisch, dass ich ihm nicht eher Bescheid gegeben hatte und er nun enttäuscht war. Dieses ganze Liebeszeug war irgendwie komplizierter, als gedacht. Ich wusste einfach nie, was ich wann, wie machen sollte. „Ist schon okay. W-Wie lange bist du denn weg?" stotterte er unsicher und ich konnte ihn förmlich sehen, wie er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, nur um mich zu unterstützen. „Ich bin Ende nächster Woche wieder da. Ich muss jetzt los." Ich wollte schon auflegen, als ich kurz inne hielt und auf eine eventuelle Antwort wartete. Noch so eine Sache, die für mich neu war. „Du kannst dich jederzeit bei mir melden und Pass auf dich auf." Ich brummte nur ein zustimmendes Hmm in den Hörer und wollte auflegen. „Ach, und noch was.." Ich folgte den anderen schnellen Schrittes ins Flugzeug und suchte meinen Sitzplatz. „Was denn?!" fragte ich gereizt und entdeckte die anderen. „..Ich liebe dich." Abrupt blieb ich stehen und hätte beinahe das Handy fallen gelassen. Eine Stewardess kam auf mich zu und wies mich daraufhin, dass Handy auf Flugmodus zu machen. „Sir, Bitte legen sie jetzt auf und setzen sie sich auf ihren Platz." Perplex starrte ich auf mein Handy. „Ich weiß, Ich weiß." brummte ich sowohl zu ihr, als auch zu Nic und hörte ihn noch lachen, ehe ich endlich auflegte. 11Minuten und 23Sekunden. Das war ein neuer Rekord. Unser neuer Rekord.

Eingequetscht zwischen Pärchen Nr.1, welches aus meiner Schwester und Trist bestand und Pärchen Nr.2, welches mir schon in der Halle demonstriert hatte, wer wen mehr liebte, musste ich den Vierstündigen Flug ertragen. Ich hätte ja gedacht, dass sie irgendwann die Fresse halten würden, aber Pärchen Nr.2 hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, mich bis an den Rand der Verzweiflung zu drängen. „Trist. Pssst. Tristan!!" Ich versuchte ihn anzutippen, ohne meine Schwester aufzuwecken, die zwischen uns saß. „Was ist?" flüsterte er ebenfalls. „Tausch mit mir die Plätze.." Verdutzt sah er mich an. „Wo liegt das Problem?" Ich zeigte auf das Problem. Pärchen Nr.2 war grade dabei sich gegenseitig mit Gummibärchen zu füttern und dabei unnötigerweise Tiergeräusche zu machen. Tristan sah mich mitleidig an. „Sorry, man." Mit diesen Worten stöpselte er seine Kopfhörer in die Ohren und lehnte sich zurück in den Sitz. Verräter.

„Babe, mach nochmal den Delfin."

„Nein, das ist mir peinlich." Kicherte das Mädchen neben mir.

„Komm schon. Du kannst so süß den Delfin machen." Ich wusste zwar nicht, was daran süß sein sollte, aber wenn der Typ nicht sofort die Fresse hielt, dann würde ich ihm eigenhändig das Maul stopfen.

„Na gut, aber das ist das letzte Mal." Und wie es das letzte Mal war. Bevor ich mich aufhalten konnte, drehte ich mich zu diesen Spinnern um und riss ihnen diese beschissene Gummibärentüte aus der Hand. „Wir haben es kapiert. Ihr mögt Tiere, also haltet jetzt die Fresse, sonst schieb ich euch diese verfickten Bärchen so tief rein, dass ihr nie wieder ein Geräusch von euch geben könnt!" Mit diesen Worten ließ ich Pärchen Nr.2 verdattert auf ihren Sitzen zurück und verschwand wütend auf der Toilette. Jetzt könnte ich echt eine Kippe vertragen, doch ich versuchte nicht noch weiter negativ aufzufallen. Als ich wieder auf meinem Platz saß, bemerkte ich, dass Pärchen Nr.2 die Plätze getauscht hatten, sodass Mr. Meine-Freundin-ist-ein-süßer-Delfin nun neben mir saß und mich böse anfunkelte. Sollte der Wichser mich doch am Arsch lecken. Demonstrativ stopfte ich mir die geklauten Gummibärchen in den Mund und zeigte ihm den Mittelfinger. Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie David mich mahnend ansah, doch um es schlichtweg zu sagen, es interessierte mich kein Stück. Er hatte sich um die Tickets und somit auch um die Plätze gekümmert und wie man sehen konnte, waren die Plätze beschissen. Das nächste Mal sollte Tristan sich darum kümmern und die 1.Klasse buchen. Genug Geld hatten wir ja inzwischen.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt