Kapitel 66.

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Levins POV

„..Er hatte einen A-Autounfall."

Unfall. Nicolai. Unfall.

Immer wieder gingen mir Jenna's Worte durch den Kopf. Ich hörte sie, doch ich verstand nicht. „Was...?" flüsterte ich fast Geistesabwesend. Tristan wirkte genauso geschockt, wie ich, reagierte aber schneller. „Du musst zu ihm." Ich bekam das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen, als würde etwas meine Lunge ausquetschen. „Lev, du musst zu ihm!!" sagte Trist nun lauter und sah in mein, wohl kreidebleiches, Gesicht. Es dauerte einen Moment, bis mein Körper sich in Bewegung setzte, dann ging alles schnell. Ich lief in mein Zimmer, nahm meine Tasche, die ich kaum ausgepackt hatte, stopfte den Rest achtlos hinein und stürmte aus dem Hotel. „Was ist denn mit dir los?" fragte David verwundert, als ich wie von der Tarantel gestochen, in ihn lief. „Ich muss zurück!" keuchte ich nur atemlos und sprang fast auf die Straße, um das nächste Taxi abzufangen. „Levi-!" hörte ich ihn nur hinterherrufen, schlug jedoch die Tür hinter mir zu und giftete den Fahrer an, Gas zu geben. „..Flughafen." krächzte ich noch und lehnte mich erschöpft in den Sitz. Bitte lass das alles nur ein schlechter Traum sein. Immer wieder schüttelte ich frustriert den Kopf. Ich musste ruhig bleiben. Vielleicht war es gar nicht so schlimm. Es war bestimmt nur ein kleiner Unfall, wo das Auto eine kleine Delle abbekommen hatte. Wobei mir das Auto völlig egal war. Ich würde ihn ein neues kaufen, ich würde ihm alles kaufen, solange es ihm nur gut ging. Tausend furchtbare Bilder von verstümmelten und verbrannten Unfallopfern schossen durch meinen Kopf und ließen mich würgen. Nicht daran denken. Jenna hatte zwar nichts gesagt, aber er hatte bestimmt nur eine kleine Platzwunde. Vielleicht ein gebrochener Arm. Alles war gut. Doch das glaubte ich natürlich selbst nicht.

Der Wagen hielt eine Straßenecke vom Flughafen an, da sich ein langer Stau vor uns bildete. Fuck. „Passt schon." Murmelte ich, drückte ihm ein paar Scheine in die Hand und stieg aus. Wie ein Irrer rannte ich zwischen den hupenden Autos entlang, wurde fast angefahren und zeigte dem Wichser nur den Mittelfinger. Kein Benehmen, diese Leute. Ich hatte es eilig und kein Mensch der Welt würde mich aufhalten, zu Nic zu kommen.

„Was soll das heißen, der Flug ist ausgebucht?!" fauchte ich die unschuldige Frau am Schalter an. „Alle Plätze sind besetzt." Gab sie eingeschüchtert von sich. „Dann schmeißen sie jemanden raus!!" schrie ich sie immer mehr an und schlug wütend auf den Tresen. Natürlich ließ sie das nicht auf sich sitzen und rief zwei Typen von der Security. Ich hatte zwar gesagt, sie solle jemanden rauswerfen, aber doch nicht mich! Frustriert setzte ich mich auf eine Bank und raufte mir gereizt die Haare. Ich hoffte nur, dass es ihm schon wieder gut ging. Vielleicht war sein Handy nur kaputt gegangen und er war noch nicht ans Telefon gekommen, um mir Bescheid zu geben?

Mit zig weiteren Ausreden versuchte ich mein erhitztes Gemüt zu beruhigen und nicht in Panik auszubrechen, als ich eine der widerlichsten Stimmen hinter mir vernahm, die ich kannte. „Benötigst du meine Hilfe, junger Herr?" Ich drehte mich langsam zu dem hochgestochenen Mafioso um und verdrehte die Augen. „Nein, tu ich nicht und jetzt verpiss dich!" fauchte ich Cloud an, der sich unbeeindruckt neben mich setzte und die Beine übereinanderschlug. „Bist du dir sicher? Ich bin mit dem Privatjet hier." Sofort sah ich ihn an, ignorierte sein Grinsen und stand auf. „Worauf wartest du noch?" fragte ich, als er nicht sofort hinterherkam. Er sah mich noch einmal spitz an, grinste dann jedoch. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Du bist mindestens genauso anstrengend, wie dein Vater es war." Dass er die Vergangenheitsform benutzte, bedeutete wohl, dass er schon ins Gras gebissen hatte, was mich wieder daran erinnerte, dass Nic momentan vielleicht auch gegen den Tod ankämpfte. „Was hast du überhaupt in Florida verloren?" fragte ich skeptisch, als wir es uns im Jet gemütlich machten. Er grinste verschlagen und klopfte auf den Aktenkoffer, den er mit sich rumschleppte. „Ich war geschäftlich unterwegs. Immerhin müssen wir ja irgendwie das Geld eintreiben, obwohl du noch damit beschäftigt bist, Kind zu spielen." Säuselte er und ein unangenehmer Schauer lief mir über den Rücken. Ich mochte ihn nicht, aber es gab schlimmere, schmierigere Typen. Als wir losflogen, trippelte ich ungeduldig mit den Fingern auf der Armlehne und starrte Löcher in den Boden. Die Sorge war mir ins Gesicht geschrieben, doch mein Gegenüber schien sich daraus einen Spaß zu machen. „Wieso so nervös? Magst du fliegen nicht?" fragte er gespielt neugierig und holte eine Flasche Champagner aus einem Seitenfach. Er hielt mir ein Glas hin, doch ich ignorierte ihn gekonnt. „Was ist denn los? Ist etwa dein Spielzeug kaputt gegangen?" fragte er gespielt überrascht, hatte zeitgleich jedoch so ein emotionsloses Gesicht, dass ich mich wunderte, woher die Stimme kam. Mein Blick verfinsterte sich nach und nach immer mehr und ich verspürte den Drang, ihm ein Messer in die Kehle zu rammen, damit er nach und nach ausblutete. Was weißt du?!" zischte ich gefährlich und widmete ihm meine Aufmerksamkeit, nach der er scheinbar bettelte. Wieder dieses Grinsen. „Ach nicht viel. Ein tragischer Unfall. ..Zwei Studenten in einem Audi, die wie eine Briefmarke plattgewalzt wurden... Nichts Besonderes." Er nippte elegant an seinem Glas und auch ich griff nach meinem, einfach um etwas in der Hand zu halten und nicht auf ihn loszugehen. „Verstehe." Brachte ich abgehakt zustande, ehe ich einen Schluck von der prickelnden Flüssigkeit zu mir nahm. Innerlich tobte ein Sturm, der ausbrechen würde, wenn dieses verdammte Flugzeug nicht bald landete. „Ihr hattet nicht zufällig etwas damit zu tun?" fragte ich zuckersüß und fokussierte ihn mit den Augen. „Was, Wir? Aber nein. Wir würden doch niemals einen Befehl missachten." Kam es amüsiert zurück, wobei er keine Sekunde mit der Wimper zuckte. „Aber ich kann verstehen, wie du dich fühlst, immerhin hast du mein Spielzeug kaputt gemacht." Cloud's Stimme nahm einen scharfen Unterton an, doch wieder einmal regte sich in seinem Gesicht nichts. Ich überlegte kurz. Sein Spielzeug? „Vincent?" kam es leise von mir und ich sah ihn erstaunt an. Ich wusste zwar, dass er ein Heuchler war, aber Cloud's Schoßhündchen? Wirklich interessieren tat es mich jedoch nicht. Meine Gedanken waren wegen seiner Beschreibung wieder bei Nicolai. Plattgewalzt. Ich schluckte angestrengt. Bitte, lass ihn überlebt haben. In mir wühlten Schuldgefühle, da ich ihm diesen Wagen geschenkt hatte. Normalerweise war Nic immer zu Fuß oder mit mir unterwegs und bis jetzt war nie etwas passiert.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt