Kapitel 60.

919 74 2
                                    

Nicolais POV

„Silvester feiern wir aber bei Trist. Die Wohnung hier ist einfach zu eng." Beschwerte sich Lev bei mir, als alle endlich verschwunden waren. „Meinetwegen." Ich war zufrieden. Mehr als zufrieden. Alles war gut, außer der Tatsache, dass sich unsere Wege womöglich nach Neujahr trennen würden. Nicht darüber nachdenken, sagte ich mir mehrfach. Genieße jetzt den Moment. „Was ist los?" sofort alarmiert, strich Lev sanft über meine Wangen und wischte meine Tränen fort. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich weinte. „Nichts." Erwiderte ich und lächelte gequält. Wow, sehr überzeugend. Das dachte sich Lev wohl auch, denn er zog mich zu sich runter und hielt mein Gesicht in seinen kleinen Händen. „Und jetzt sag mir was los ist." Knurrte er. Ich wusste, dass er nicht wütend war, sondern besorgt. Manchmal fiel es ihm noch schwer, seine Sorge offen zu zeigen und versteckte sie hinter einer Wand aus Wut. „Sag es mir." Wisperte er nun leise und ich schmiegte mich an ihn. „Ich habe Angst, Lev. Was wird nach Silvester mit uns passieren?" Er versteifte sich in meinen Armen und ich sah ihm wieder ins Gesicht. Er wusste etwas und wollte es mir nicht sagen. Nun war ich derjenige, der drängte. „Sag es mir.. Bitte." Er sah zu Boden und trat einen Schritt von mir weg. Er schien mit sich zu hadern, doch ich musste es wissen. Die Sache mit seinem Vater hatte mich zutiefst beunruhigt, doch ich hatte es bis jetzt verdrängt. „Ich werde das nächste Oberhaupt." Sagte er leise. Ich hatte mit sowas gerechnet, aber es jetzt von ihm zu hören machte mir Angst, denn es bedeutete, dass es wirklich passierte. „Und dann? Ist es dann einfach vorbei? Schluss? Zu Ende?" Ich schluckte angestrengt und versuchte die nächsten Tränen fortzublinzeln. Ohne Erfolg. Sie kullerten stumm meine Wangen hinab und tropften von meinem Kinn auf den Boden. Ich hatte gedacht, dass er sofort verneinte, doch es kam nur ein seufzen. „Das liegt ganz bei dir." Er zuckte lässig mit den Schultern und wirkte inzwischen total locker, doch ich wusste, dass er ebenfalls den Tränen nahe war. Er überspielte es mit seiner gleichgültigen Haltung, seiner monotonen Stimme und seinem gesenkten Blick. Niemand würde auf die Idee kommen, dass er in diesem Moment traurig war. Als ich nichts erwiderte, hob er seinen Blick ein wenig und sah mich erschöpft an. „Hör mal Nic, ich kann dich nicht zwingen, mit mir zusammen zu bleiben. Ich kann verstehen, wenn du da nicht hineingezogen werden willst und ein Teil von mir möchte das ebenso wenig. Die Mafia ist gefährlich und ich kann nicht garantieren, dass dir nichts zustoßen wird." Nun lösten sich auch aus seinen Augen einige Tränen, die er sich grob mit dem Ärmel wegwischte. „Ich weiß, du hasst Schlägereien, deswegen will ich auch nicht mehr kämpfen, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Egal ob ich es selber tue, oder andere beauftrage, das Blut wird so oder so an meinen Händen kleben." Er schnaufte einmal und redete sich immer mehr in Rage. „Du hast schon einmal das Monster in mir gesehen und ich werde dich nicht zwingen, es noch einmal tun zu müssen. Ich will nicht, dass du mich noch einmal mit diesem Blick ansiehst." Ich wollte etwas erwidern, musste es, doch es kam nichts. Ich wollte ihn in meine Arme ziehen, doch ich wusste, dass er kein Mitleid haben wollte. Er wollte nicht, dass ich mich schlecht fühlte, für etwas, dass er getan hatte oder gar erst tun musste. „Du bist kein Monster." Flüsterte ich traurig. Ich wollte nicht, dass er sich als solches sah. Lev schüttelte leicht den Kopf und atmete stoßweise. „Doch Nic, ich werde ein Monster sein müssen, um zu überleben." Ich schluchzte laut auf, als er das sagte. „Das werde ich nicht zulassen. Du bist kein Monster und wirst auch nie eins sein. Hörst du?" Ich überwand den Abstand zwischen uns und zog ihn an mich. Ich wollte nicht, dass er sowas sagte. „Ich kann dich nicht allein lassen. Niemals." Der Gedanke, nicht mehr bei ihm sein zu können, tat so unglaublich weh. Die letzte Woche hatte mir deutlich vor Augen gehalten, dass ich nicht ohne ihn sein konnte. „Nic, wie soll das denn bitte funktionieren? Du willst Arzt werden, wolltest es schon immer und ich? Ich werde ab dem nächsten Jahr damit beschäftigt sein einen nach den anderen zu töten." Er zwang sich wieder aus meiner Umarmung und sah mich ernst an. Während er es schaffte sich zusammenzureißen, war ich machtlos gegen meine Tränen. „Verdammt! Ich will nicht, dass du wegen mir deine Träume aufgibst! Wenn du dich für mich entscheidest, wirst du nie wieder da rauskommen. Du wirst nie wieder ein normales Leben haben. Keine Familie, Keine Kinder, Keine Freiheit und womöglich noch nicht mal irgendeine Sicherheit. Denn wenn sie wissen, dass du zu mir gehörst, werden sie dich mir wegnehmen wollen und das kann ich nicht zulassen." Seine Stimme wurde immer lauter und klang zunehmend verzweifelter. Er raufte sich die Haare und sah mich schmerzverzerrt an. „Du sollst nicht irgendwann bereuen, mich geliebt zu haben." Flüsterte er und klang gebrochen. Ich hörte seine Worte und verstand deren Bedeutung, aber ich wollte sie nicht an mich heran lassen. Ich wusste, dass er Recht hatte. Er hatte mit allem Recht und ich wusste nicht, ob ich mit der Situation umgehen konnte, aber der Gedanke, nicht bei ihm sein zu können, schien alles andere in den Schatten zu stellen. Keine Familie, keine Kinder. Ich mochte Kinder wirklich, aber selbst wenn wir ein normales Leben führen würden, glaubte ich nicht, dass Lev und ich Kinder hätten. Aber das war okay, denn er  war meine Familie. Und ab diesem Augenblick wusste ich bereits die Antwort. Ich wischte mir die letzten Tränen weg und wagte es erneut, auf ihn zuzugehen, berührte ihn jedoch nicht. „Ich weiß, aber das ist alles okay..." schniefte ich und öffnete meine Arme für ihn. „..denn wir sind eine Familie. Du und Ich." Ich lächelte ihn zaghaft an und er schien erleichtert in sich zu sacken. Endlich nahm er mein Angebot an und schmiegte sich an mich. „Ich liebe dich schon zu lange, um dass ich ohne dich sein könnte. Egal was auf uns zukommt." Wisperte ich in sein Haar und küsste seinen Ansatz. Sein Griff um meinen Bauch wurde stärker und ich atmete seinen eigensinnig, erotischen Duft ein. „Das heißt, wir bleiben zusammen." Murmelte er ungläubig und ich nickte bestätigend. „Ja, Wir bleiben zusammen." Wiederholte ich.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt