Kapitel 51.

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Levins POV

„Meow!"

„Ja ich weiß. Ich vermisse ihn auch." Gedankenverloren tätschelte ich über das Fell des kleinen Katers, den Nic innerhalb kürzester Zeit in sein Herz geschlossen hatte und auch mich langsam oder sicher für sich gewann. Ich hatte ihn mit zu mir genommen und tat den ganzen Tag nichts anderes, als auf dem Bett zu sitzen und mit ihm zu schmusen. Er war das Einzige, was von Nic übrig war. Ich vergrub mein Gesicht in seinem dunklen Fell und wurde erstaunlicherweise nicht zu Tode gekratzt. Es war fast schon so, als würde dieses Tier mich bemitleiden. „Er hasst mich." Flüsterte ich und biss mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Ich hatte seinen Blick gesehen. Er hatte mich mit Furcht und Verachtung angestarrt, als wäre ich ein Unmensch. Ich fühlte mich kalt und ausgelaugt. Allgemein wirkte alles seit dem Vorfall nur noch grau und kalt. Meine Wohnung, die ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr betreten hatte, wirkte im Vergleich zu seiner, finster und trostlos. Natürlich hätte ich auch bei ihm bleiben können, doch ich wusste, dass er das nicht gewollt hätte. Außerdem erinnerte seine Einrichtung mich daran, wie sehr er mich nun hassen musste. Während er alles dafür gab, das Leben der Menschen zu retten, löschte ich eins vor seinen Augen aus. Ich hatte ihn mit meinem Handeln betrogen und musste nun mit den Konsequenzen leben.

„Glaubst du er kann mir irgendwann verzeihen?" fragte ich den Kleinen auf meinem Schoß, der plötzlich erschrocken aufsprang und weglief. „Er wird dir verzeihen. Du musst ihm nur die Zeit geben, die er braucht." Drangen Tristans Worte an mein Ohr und rissen mich kurzweilig aus meinem Selbstmitleid. Wobei man es wohl eher Selbstverachtung nennen müsste. „Ich dachte mir, dass ich dich hier finde." Beantwortete er meinem verwirrten Blick und ich zuckte nur mit den Achseln. „Wie war das noch gleich? Ein Mensch kann vergeben, aber nicht vergessen.." Es war vollkommen egal, ob er mir verzieh oder nicht, denn letztendlich würde es auf ewig in seinen Gedanken sein und ihn jedes Mal aufs Neue verletzen. Trist stellte die Einkaufstüten in der Küche ab und begann damit, irgendwas für mich zu kochen. Während er am Schneiden war, schielte er immer wieder zu mir herüber und hoffte auf eine Reaktion. Doch es kam keine.

„Ich störe dich zwar nur ungern bei deinem Selbstmitleid, aber jetzt ist nicht die Zeit, darin zu versinken. Wir haben noch einige Dinge zu erledigen." Fing er an und damit meinte er nicht die Band. „Du musst mit ihm reden." Sofort schnellte mein Kopf in seine Richtung und ich merkte, wie er sich sichtlich anspannte. „Das kannst du vergessen!" spuckte ich mit einer gleisenden Wut, die alles in meinem Leben übertraf. „Das war keine Bitte!" donnerte Trist zurück und funkelte mich böse an. „Sie haben es nur auf Nic abgesehen, um an dich heranzukommen und sie werden erst aufhören, bis du genug Eier in der Hose hast und mit deinem Vater sprichst!!" Wütend schepperte er das Messer auf den Tisch und kam mir drohend näher. „Er ist nicht mein Vater!" ein bedrohliches Knurren drang aus meinem Mund. Wenig überrascht von meiner Reaktion, verdrehte er nur die Augen. „Nenn ihn wie du willst, aber du kannst nicht ewig vor deiner Vergangenheit weglaufen." er ließ jedes Wort, wie einen Fluch über die Lippen gleiten und brachte mich zum Schweigen. Er hatte ja Recht. Es war alles meine Schuld und ich musste es wieder gradebiegen. Vincents tot wäre nicht vonnöten gewesen, schließlich war er auch nur ein Lakai von den ganz großen, doch es war mein innerer Wunsch gewesen, diesen Mann das zu nehmen, wonach er trachtete. Leben. Und das nicht nur wenige. Ich bereute es nicht und das war es, was mir Angst hätte bereiten sollen, doch die einzige Angst, die ich verspürte, war das Nic nie wieder mit mir reden würde. Wenn er wüsste, wie sehr es mich befriedigte, diesen Mann tot zu sehen, würde er mir niemals Verzeihen.

Ich hatte es ganze Neun Jahre geschafft, meinem Erzeuger aus dem Weg zu gehen, doch die Zeit war gekommen, dass ich mich ihm stellte. Denn ich tat es für Nic. Ich wollte niemanden mehr gefährden, der mir nahe stand und der bloße Gedanke daran, ließ mich schaudern. Niemals hatte ich vorgehabt, jemanden so sehr an mich heran zu lassen, um das er gegen mich verwendet werden konnte. Doch nun.. Ich war inmitten eines Chaos gefangen, seit ich Nic kennengelernt hatte und das obwohl er die Ruhe selbst war.

Ich ließ Trist in meiner Wohnung zurück und ging zu dem Ort, an dem alles angefangen hatte. Ein Wunder, dass ich diese Bar je lieben konnte. Mich hier jemals zuhause fühlen konnte, wo ich jetzt, voller Abneigung, die Tür aufschob und in das heruntergekommene Gebäude eintrat. Wie erwartet, legte sich die heitere Stimmung schnell und alle Blicke wanderten zu mir. „Was will der denn hier?!" blaffte ein Typ von der Seite, doch ich ging unbeirrt auf den Mann zu, der meine volle Aufmerksamkeit hatte. „Ich wusste, dass du kommen würdest." Säuselte Dexter verheißungsvoll und starrte mich mit einem selbstgefälligen grinsen an. Im Gegensatz zu seinen Kumpels, störte es ihn nicht im Geringsten, dass ich Vincent das Gehirn weggepustet hatte. Das wunderte mich auch nicht sonderlich, da seine Abwesenheit, Dexter nun eine höhere Rangordnung verpasst hatte. Ich versuchte den Umstand, dass Ivan ihm scheinbar die Nase gebrochen hatte, beiseite zu schieben und mich auf das kommende vorzubereiten. „Bring mich zu Antonio." Gab ich in einem unerschütterlichen Befehlston an, dem sich niemand zu widersetzen versuchte. Dexters grinsen verschwand und er schien nun den Ernst der Lage zu begreifen, ehe er laut loslachte. „Wenn du sterben willst, kann ich das auch übernehmen." Ja, es war riskant, aber ich hatte nicht vor, klein beizugeben. „Bring mich zu ihm. Jetzt!" fauchte ich und ließ meine Faust auf den Tisch vor ihm niederschmettern, um meinen Worten eine gewisse Stärke zu verleihen. Langsam erhob Dexter sich aus dem Sessel und ging schweigend an mir vorbei. Er holte draußen sein Handy heraus und telefonierte kurz. „tengo conmigo Levin. Quiere a Antonio." Hörte ich ihn auf Spanisch sagen. „¿Le deseo la instalación silenciosa?" murmelte er, was so viel bedeutete wie „Darf ich ihn zum Schweigen bringen?" Ich wusste nicht, worüber ich mehr Lachen sollte. Die Tatsache, dass er glaubte, mich töten zu können? Oder der Umstand, dass er vergaß, dass Spanisch meine Muttersprache war? Ein beleidigtes Murren kam von ihm, bevor er auflegte und das Handy wieder wegsteckte. Ich folgte ihm und spürte die Anspannung zwischen uns. Er führte mich über mehrere Umwege zu einem alten Hotel, als er stehen blieb und auf einen schwarzen BMW zeigte. „Weiter gehe ich nicht." Brummte er und verschwand wieder in den Schatten der Häuser. Ich hatte sowas schon erwartet. Mein Erzeuger würde niemals jemanden von Dexters Rang wissen lassen, wo er sich befand. Er war einfach nur ein Laufbursche, so wie Vincent es war und daran würde sich auch nie was ändern. Nachdem ich in den Wagen gestiegen war, fuhren wir fast eine Stunde, bis ich letztendlich in einen der Privat Jets umsteigen musste. Schließlich war Sicherheit eines der obersten Gesetze bei der Mafia.

Wir haben Sie erwartet, Junger Herr." Empfang mich einer von Antonios Dienstboten, an dem ich, ohne ihn großartig zu beachten, vorbei ging und in das große Anwesen meines Onkels Eintrat, in dem mein Vater wartete.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt