Nicolais POV
Was war sein Problem? Ich hatte das Gefühl, als wenn er mir ständig Vorwürfe für Dinge machte, die gar nicht berechtigt waren. Nicht Ich war es, der sein Leben lang von Bett zu Bett gesprungen war! Nicht ich war es, der andere immer nur für seine eigenen Zwecke benutzte und seine Wut an ihnen ausließ, sondern er! Ich sackte noch an der Haustür in mich zusammen und zog die Beine eng an meine Brust. Wieso war er nur so? Ich versuchte die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, was mir unglaublich schwer fiel. Dachte er wirklich, dass ich so schnell von ihm abspringen würde? Das war lächerlich. Ich liebte ihn schon so lange, so innig, dass es fast unmöglich war, damit aufzuhören. Wieso verstand er das nicht? Wieso wollte er mir nicht vertrauen? Ich tat es doch auch. Ich wusste, dass er immer noch Kontakt zu seinen Spielgefährten hatte, doch ich versuchte ihm so gut es eben ging, zu vertrauen. Ich wollte ihn ständig bei mir haben, doch er war derjenige, der jedes Mal auf Distanz ging. Ich hatte geglaubt, dass nach der Sache mit Amanda alles einfacher werden würde. Ich dachte wirklich, dass er nur Angst hatte, selbst verletzt zu werden, aber es wirkte inzwischen so, als ob er es mit purer Absicht machte. Als ob er es darauf anlegte, mir Probleme zu machen. Ich schniefte ein wenig motivationslos, stand dann jedoch langsam auf und trottete zum Bett. Es lohnte sich eigentlich gar nicht mehr, sich hinzulegen, doch ich tat es trotzdem. Ich verkroch mich in meinem Bett und wollte am liebsten nie wieder aufstehen.
Ich hatte ihn geschlagen. Ich hatte Levin ernsthaft eine Ohrfeige verpasst und es fühlte sich irgendwie gut an. Zumindest im ersten Moment. Jetzt bereute ich es irgendwie ein wenig. Er hatte wütend ausgesehen, also so richtig wütend. Ob er mich zurück geschlagen hätte, wenn ich nicht in die Wohnung geflohen wäre? Um ehrlich zu sein, wusste ich es nicht genau. Konnte ich ihn wirklich so wenig einschätzen? Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich nur daran dachte. Ich kuschelte mich tief in meine Decke und versuchte meine Gedanken zu sortieren. Wie spät war es inzwischen? Ich wusste es nicht und konnte noch nicht einmal nachsehen, da mein Handy ja weg war. „Dieser Idiot.." Ich hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt noch zum Schlafen kommen würde, doch erstaunlicherweise fiel ich relativ schnell in einen Traumlosen Zustand.
Ich wurde durch ein nerviges Klingeln geweckt und hoffte, dass es irgendwann von allein aufhörte. Dennoch wurde es immer penetranter und ich machte mir schon sorgen, dass es die Nachbarn stören könnte. Ich befreite mich also wiederwillig aus meiner warmen Decke und trottete langsam zur Haustür. „Whoa! Was ist denn mit dir passiert?" Austin sprang entsetzt einen Schritt zurück, als er mich sah. „Es hat mich echt gewundert, dass du nicht in der Uni warst. War heute nicht der Abgabetermin deiner Prüfung?" fragte er theatralisch und ich tapste zurück ins Wohnzimmer. „Man kann es bis Sechs Uhr noch einreichen." Meine Stimme klang matt. Es fühlte sich so an, als wenn ich mehrere Stunden am Stück geweint hätte und wahrscheinlich sah ich auch so aus. „Dann solltest du dich beeilen. Es ist schon Viertel vor Sechs." Ich setzte mich auf die Couch und schnappte mir den Laptop. Tatsächlich. Ich hatte so lange geschlafen? Es kam mir eher so vor, als wenn ich nur für fünf Minuten die Augen zu hatte. „Ich werde es per Email schicken." Normalerweise machte ich sowas nicht, da eine persönliche Abgabe höflicher war, doch der Prof. meinte, dass es in Ordnung sei. Austin setzte sich in den Sessel, mir gegenüber und starrte mich unentwegt an. „Was ist?" fragte ich genervt und klappte den Laptop wieder zu. Austin musterte mich abschätzend von oben bis unten. „Bist du krank? Du verhältst dich echt merkwürdig. Oder hat es mit Levin zu tun?" Ich schielte unauffällig zu ihm herüber. „Wie kommst du auf Levin? Er ist in Minnesota." Austin konnte ja nicht wissen, dass er hier war. Oder? Ich ging in die Küche und machte mir einen Kaffee. „Willst du auch einen?" ich lugte nur kurz zu ihm ins Wohnzimmer und sah ihn nicken. Ich wollte ihm den Kaffee grade rüber bringen, da stand er auch schon vor meiner Nase und nahm mir die Tasse aus der Hand. „Ich weiß zwar nicht was los ist, aber ihr beide benehmt euch merkwürdig. Ich bin ihm vorhin begegnet." Austin ließ mich nicht aus den Augen und schien auf eine Reaktion von mir zu warten. „Er ist hier?" fragte ich gespielt überrascht und Austin kniff die Augen zusammen. Ich ignorierte ihn und schmiss mich wieder auf die Couch, dabei bedacht jeglichen Blickkontakt zu umgehen. Ich hatte keine Lust, über die Sache von heute Morgen zu reden und Austin war eindeutig zu neugierig. „Jepp. Er hat mir was für dich mitgegeben. Meinte wohl, dass er wieder los muss und ich dir das unter allen Umständen bringen müsste. Er wirkte irgendwie niedergeschlagen?" Er sah mich bei dem letzten Wort kritisch an. „Und was wäre das?" Er ignorierte meine Frage und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich geb es dir erst, wenn du mir sagst was los ist. Habt ihr euch wieder gestritten?" Es klang nicht vorwurfsvoll, sondern besorgt. Ich wollte wirklich nicht darüber reden, da es mir peinlich war, wie kindisch wir uns verhalten hatten. Trotzdem nickte ich unbewusst und Austin seufzte kurz. „Ihr beiden.." er schüttelte kurz den Kopf, ehe er aufstand und etwas aus seiner Tasche kramte. Er zog eine weiße Schachtel heraus und hielt sie mir grinsend hin. „Er hat mich darum gebeten die restlichen Kontakte einzuspeichern." Überrascht nahm ich die Schachtel entgegen und öffnete sie. Augenblicklich fiel mir die Kinnlade herunter. Austin fing an zu lachen und ich starrte nur perplex auf das Handy in meiner Hand. Es war größer, flacher, moderner und wahrscheinlich 4x so teuer, wie mein altes. Es war schon komplett eingerichtet und mir wurde eine einzige Nachricht angezeigt. Natürlich war sie von Levin und ich fragte mich, wie dreist ein Mensch eigentlich sein konnte. Austin hatte sich schon hinter dem Sessel in Sicherheit gebracht und wartete nur darauf, dass ich explodierte. Ich wollte kein Geschenk von ihm. Ich wollte kein überteuertes Handy, als Entschuldigung. Ich wollte nicht, dass er glaubte, dass man mich erkaufen konnte. Ich öffnete die Nachricht nicht, konnte jedoch erkennen, dass er sich darin entschuldigte. Ich hätte ihn am liebsten angeschrien, da er jedoch nicht mehr hier war, legte ich das Handy einfach zurück in die Schachtel und atmete aus. „Hat er sonst noch was gesagt?" Ich beruhigte mein Innerstes langsam und sah in Austins amüsiertes Gesicht. Er schüttelte breit grinsend den Kopf und war kurz davor laut loszulachen. Das sah man ihm an. „Sei doch nicht böse, Nic. Jeder Mann will seiner Prinzessin nur die schönsten Geschenke machen!" witzelte er und wich dem Kissen aus. „So, Besucherzeit ist vorbei. Ich hab gleich noch ein Date!" zwinkerte er mir spitzbübisch zu und ich hielt inne. „Mit Amanda?" seine Wangen röteten sich und er kratzte sich verlegen am Nacken. „N-Nichts Besonderes. Sie wollte nur Shoppen gehen und ich bin zum Taschen tragen da." Das klang wirklich nicht besonders, trotzdem sah man ihm seine Vorfreude an. „Dann viel Spaß. Grüß sie von mir."
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See You Again (Band 1)
RomanceWährend der neunzehnjährige Nicolai fest davon überzeugt ist, dass eine Beziehung mit dem Vier Jahre älteren Levin durchaus möglich ist, hat dieser mit ganz anderen Problemen zu tun. Wie führte man überhaupt eine Beziehung? Woher wusste man, wie Li...