Kapitel 19.

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Nicolais POV

Es regnete. Es regnete nun schon mehrere Tage hintereinander und große Pfützen hatten sich am Straßenrand gebildet. Es war Mitte Herbst und alle waren in fester Regenkleidung verpackt. Ich trug jedoch noch meine übliche Kleidung, die aus einfacher Jeans, einem T-Shirt und Sneakers bestand. Als ich die Uni verließ, klatschte mir der Regen ins Gesicht und binnen Sekunden triefte ich schon vor Nässe. Ich hatte tatsächlich meinen Regenschirm vergessen und meine Jacke ebenfalls. Das war mir noch nie passiert. Austin hatte wirklich Recht, ich stand total neben der Spur. Von der Uni bis zu mir nach Hause dauerte es zu Fuß nur fünfzehn Minuten. Da ich eh schon von oben bis unten nass war, ging ich einfach weiter und ignorierte die beißende Kälte, die der Wind nur noch mehr verstärkte. War es die letzten Tage auch schon so kalt? Mir kamen die Letzten Wochen, im Vergleich zu jetzt, eher warm und angenehm vor. Oder lag das einfach nur daran, weil Levin bei mir war? Ich musste ihn anrufen. So schnell es ging. Ich musste ihn sofort anrufen, sobald ich Zuhause war. Bei diesem Gedanken beschleunigte sich mein Schritt und ich rannte schon fast nach Hause. Ich musste ihn hören. Ihn sehen. Ihn spüren. Immer und Immer schneller lief ich, bis ich schweratmend an meiner Haustür ankam. Langsam kramte ich meinen Schlüssel aus der Tasche und erschrak, als sich die Tür von nebenan öffnete. Auch Amanda zuckte zusammen, als sie mich sah, was aber wohl daran lag, dass ich wie ein begossener Pudel aussah. „H-Hi." Murmelte ich und sie nickte schüchtern. „..Hi." Peinlich berührt schwiegen wir uns an. Keiner wusste genau, was er sagen sollte. „Wie geht's dir?" fragte ich dann aus Höflichkeit. Ich zwang mich zu einem halbwegs echt wirkenden Lächeln. „Ganz ok. Und dir?" Sie sah auf ihre braunen Stiefelchen, mied bewusst den Blickkontakt. Ich nickte. „Auch ganz ok." Wieder trat eine unangenehme Stille zwischen uns auf. „Bist du noch sauer?" meine Stimme übertönte grade so das laute prasseln, des Regens. Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Tut mir leid, dass ich so überreagiert habe." Sie sah mir kurz in die Augen, senkte dann jedoch wieder ihren Blick und wurde rot. „I-Ich hab mich kindisch benommen, weil ich traurig war." Sie zwirbelte eine Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger, so wie sie es immer tat. Bei dieser Geste musste ich unbewusst lächeln. „Tut mir leid." Erschrocken sah sie auf und wirkte bedrückt. „Entschuldige dich nicht! Du kannst ja nichts dafür, dass du auf, du weißt schon, stehst." Wieder lief sie rot an und es fiel ihr sichtlich schwer, dies zu verstecken. „Ich dachte, du würdest mir nicht glauben." Nervös kratzte ich mich am Nacken. „Hab ich zuerst auch nicht, aber.." Sie drehte sich abrupt von mir weg und versuchte sich zu fangen. „..aber?" Ich ging einen Schritt auf sie zu, um sie besser verstehen zu können. „..nachdem ich euch gehört habe, wusste ich, dass du nicht gelogen hast." Amandas Gesicht glich einer Tomate, als sie mich ansah. Es war ihr mehr als nur peinlich, mir ins Gesicht zu sehen. Ich überlegte jedoch kurz, was sie damit meinte. Wann sollte sie was gehört haben? Es gab nichts, was sie hätte hören können, oder etwa doch? Da fiel mir endlich der Groschen. Wahrscheinlich meinte sie die Nacht, nach der Party, als ich betrunken war. Ich selbst konnte mich ja nicht mehr genau daran erinnern, doch die Wohnung sah so demoliert aus, dass es dementsprechend wohl auch sehr laut gewesen sein musste. Ich dachte an den zersplitterten Tisch und räusperte mich verlegen. „D-Du hast das gehört?" Es war mir so ungemein peinlich, dass grade sie uns bei sowas gehört hatte. War es denn wirklich so laut?!

Doch dass sie uns gehört hatte, schien wohl doch noch nicht alles gewesen zu sein. „Ich dachte jemand würde bei dir Einbrechen, als ich was laut krachen hörte." Ihre Stimme wurde immer piepsiger und ihr Gesicht passend dazu immer röter. „Ich hab bei dir geklingelt, aber niemand hat reagiert, also hab ich den Zweitschlüssel, den du mir mal gegeben hast, benutzt." Das war nicht wahr, oder? Bitte ließ dies eine Lüge sein. Ich fuhr mit den Händen durchs Gesicht und versuchte den absurden Gedanken, Amanda könnte uns bei dem Wahrscheinlich brutalsten Sex der Welt beobachtet haben, fortzuwischen. „T-Tut mir wirklich leid! Ich hätte da nicht einfach reinplatzen sollen!" sagte sie dann, wie zur Bestätigung meiner furchtbaren Vorstellung. Meine Wangen glühten vor Scham und ich wäre am liebsten schreiend weggerannt, doch ich musste dies jetzt ertragen, schließlich war es für sie auch nicht leicht. „Es tut mir wirklich furchtbar leid, Nic. Ich hab auch kaum was gesehen.. ich schwöre es. Ich-" Bevor sie weitersprechen konnte, hielt ich ihr mit der Hand den Mund zu. „Hör auf! Ist schon ok, ich bin nicht sauer, nur sprich es nicht laut aus!" jammerte ich verzweifelt und sie nickte ebenso beschämt. Langsam nahm ich meine Hand weg und sie atmete erleichtert aus. „Ich hab mich nicht gemeldet, weil ich mich nicht getraut habe und nicht, weil ich sauer auf dich war. Deswegen wäre es schön, wenn du wieder im Laden helfen würdest. Vorausgesetzt, du willst es noch." Sie lächelte sanft und ich konnte nicht anders, als zurückzulächeln. „Klar." Ich war wirklich froh, dass wir wieder normal miteinander reden konnten.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt