Nicolais POV
Das erste was ich vernahm, war das laute piepen einer Maschine. Das Geräusch drang tief in mein, noch nicht ganz waches, Bewusstsein. Langsam schlug ich die Augen auf, schloss sie jedoch sofort wieder, da mich das Licht der Sonne blendete. Sie strahlte schon fröhlich munter vor sich hin, die Vögel zwitscherten erfreut und ich hätte mich glatt übergeben können. Mein Schädel pochte und jeder Zentimeter meines Körpers schmerzte. Was zur Hölle, war letzte Nacht passiert? Ich wollte mich aufsetzen, doch das war so gut wie unmöglich. Meine Brust fühlte sich an, als wäre ich mit einem Vorschlaghammer verdroschen worden. Ich musste unbedingt wissen, was letzte Nacht los war. Ich erinnerte mich nur noch daran, dass ich auf Tristans Geburtstag war und wegen irgendetwas wütend wurde. Dann war ich nach Hause gegangen. Oder? Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie ich in mein Bett gekommen war und vor allem nicht, woher diese fürchterlichen Schmerzen kamen. Ich suchte nach meinem Handy, doch es war nirgends in meinem Schlafzimmer zu finden. Ich startete einen weiteren Versuch, mich aufzusetzen, was mir unter starken Schmerzen sogar gelang. Langsam und vorsichtig stand ich auf und schwankte in Zeitlupe zur Tür, an der ich mich anlehnte. Ich öffnete sie und schleppte mich irgendwie weiter ins Wohnzimmer. Dort angekommen riss ich geschockt die Augen auf. Der Raum war komplett verwüstet. Der Glastisch war in tausend kleine Splitter zersprungen, meine Mappen und Dokumente für die Uni lagen zerstreut auf dem Boden, genauso wie die Sofakissen, ein Bilderrahmen und etliche andere Dinge, die ich auf der Kommode gelagert hatte. „Was zum-!" Ich raufte mir die Haare und versuchte zu begreifen, wie dies passieren konnte. Wurde ich etwa ausgeraubt?! Panisch sah ich mich um, doch es schien nichts zu fehlen, zumindest konnte ich auf den ersten Blick erkennen, dass alle Wertsachen noch da waren. Die Küchentür öffnete sich und Levin kam mit einer Kaffeetasse in der Hand ins Wohnzimmer. „Morg'n.." nuschelte er müde und setzte sich, wie selbstverständlich, auf die Couch. Ein wenig perplex starrte ich ihn an. Wie konnte er so ruhig bleiben, obwohl die Wohnung aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Er wusste den Grund wahrscheinlich, doch es war mir irgendwie peinlich danach zu fragen. „Is was?" müde sah er mich an und schlürfte vorsichtig seinen heißen Kaffee. Er wirkte ziemlich erschöpft, wenn nicht sogar verletzt? Ich entdeckte blaue Flecken an seinem Oberarm und ich bekam es mit der Angst zu tun. Was verdammt nochmal, war letzte Nacht alles passiert?!
Ich ging auf die Couch zu und setzte mich ganz, ganz langsam hin. „Letzte Nacht war.. Chaotisch?" vermutete ich und er sah mich zustimmend an. „Ja, ziiiiemlich.." murmelte er und trank erneut aus seiner Tasse. Ich schluckte und versuchte einen halbwegs vollständigen Satz zu bilden. „Ähm, ja. Also es scheint ja gestern irgendwie viel passiert zu sein." Ich zeigte auf den Raum und gab ihn zu verstehen, dass ich die gesamte Situation meinte. Er grinste auf einmal frech und nickte erneut. „Joah, so ziemlich." Es machte mich irre, dass er nicht mal Klartext redete. Also fragte ich ihn direkt. „Kann es sein, dass wir, also du und ich.. letzte Nacht. Du weißt schon, hatten wir was miteinander?" Er sah mich verwundert an und hob eine Augenbraue. „Du erinnerst dich nicht?" Ich hatte das Gefühl, dass seine einigermaßen gute Laune mit einem Schlag verschwunden war. Sein Blick wurde irgendwie kühler und er stellte die Tasse auf dem Boden ab. Ich hob entschuldigend die Schultern und fühlte mich schlecht. „Also ist was.. passiert? Zwischen uns?" Mein Herz rutschte mir auf einmal in die Hose. Hatte ich ihn belästigt? Ihm irgendwas gesagt, was er nicht wissen sollte? Er grinste wieder, doch diesmal wirkte es nicht ansatzweise so ausgelassen, wie davor. „Nicht wirklich." Dann stand er auf und zog seine Schuhe an. „Wohin gehst du?" Ich sprang überrascht auf, krümmte mich jedoch augenblicklich vor Schmerz. „Ruh dich erst mal aus und erinnere dich.." sagte er und verschwand, ließ es sich dabei nicht nehmen, die Tür lautstark zu schließen. Hatten wir uns gestritten? Es sah wirklich so aus, als ob wir uns die Seele aus dem Leib geprügelt hätten. Mein Körper zumindest fühlte sich genauso an.
Ich machte an diesem Tag nicht mehr sonderbar viel. Ich hatte etwas gegessen, versuchte die Dokumente aufzulesen, ohne dabei umzukippen und lag nun halbwegs entspannt in der Badewanne. Das warme Wasser tat unglaublich gut und ich tauchte noch weiter ein. Mein Körper war übersät mit Kratzern und Flecken. Scheinbar hatte ich einige Scherben vom Glastisch abbekommen. War es wirklich ein Streit? Ein Streit mit Levin? Aber wieso würde er dann über Nacht bleiben? Oder hatte uns jemand fremdes angegriffen? Ich wusste es einfach nicht. Das einzige was ich aber wusste, war dass ich nie wieder so viel Alkohol trinken würde. Ich hatte noch nie so einen furchtbaren Kater gehabt und wollte mich auch nie wieder so fühlen müssen.
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See You Again (Band 1)
RomanceWährend der neunzehnjährige Nicolai fest davon überzeugt ist, dass eine Beziehung mit dem Vier Jahre älteren Levin durchaus möglich ist, hat dieser mit ganz anderen Problemen zu tun. Wie führte man überhaupt eine Beziehung? Woher wusste man, wie Li...