Kapitel 32.

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Levins POV

Kaum waren wir in Minnesota gelandet, wurden wir überschüttet mit Arbeit. Darunter waren Privatauftritte in einer Lounge, Studioaufnahmen und ein Interview für ein Magazin, dessen Name ich schon wieder vergessen hatte. Erschöpft ließ ich mich in mein Bett fallen. Wenigstens war das Hotel schön. Zumindest eine Sache, die David geregelt bekommen hatte, denn wenn man sich mal unseren Terminplan ansah, musste man schon einen zweiten Blick riskieren um die Essen- und Schlafpausen zu finden. Wenn es nach ihm ginge, würden wir 24/7 durcharbeiten. Es war schon kurz nach Mitternacht und ich musste in fast Vier Stunden wieder aufstehen. All diejenigen, die glaubten, berühmt zu sein wäre leicht, hätte ich in diesem Moment erwürgen können. Natürlich wurden Stars in den Medien ganz anders dargestellt, als es der Wahrheit entsprach.

Ich drehte mich auf den Bauch und starrte auf mein Handy. Ich stellte mir vor, wie Nic im selben Augenblick in seinem Bett lag und ebenfalls aufs Handy starrte. Ich wollte mit ihm reden. Seine vertraute Stimme hören, doch statt ihn anzurufen, legte ich mein Handy aufs Kopfkissen und ging ins Badezimmer. Er war sicher schon am Schlafen. Er hatte zwar gesagt, dass ich ihn jederzeit anrufen konnte, aber ich hatte doch gar kein Thema. Es kam mir dämlich vor, einfach so ohne Grund anzurufen. Ich ließ mich in die Warme Wanne gleiten und erinnerte mich daran, wann ich zuletzt gebadet hatte. Es war bei Nic. Er hatte mir dabei geholfen und ich konnte mich gut daran erinnern, wie peinlich mir das war. Meine Wangen fingen an zu glühen und ich redete mir selbst ein, dass es an den hohen Temperaturen im Bad lag. Ich hielt die Luft an und tauchte einmal ab. Ich musste auf andere Gedanken kommen. Ich sollte nicht an Nic denken, denn sonst, und das wusste ich ganz genau, würde ich mich die nächsten Tage nicht mehr konzentrieren können und nur noch nach Hause wollen. Gespielt interessiert beobachtete ich den Badeschaum von unten und ließ kleine Wasserbläschen aufplatzen.

Ich hörte eine Stimme aus dem Nebenzimmer kommen. Ich konnte nicht viel verstehen, doch es schien Alec zu sein. Was machte er in meinem Zimmer? Und wie zum Teufel war er überhaupt reingekommen? Hatte ich die Tür nicht von innen abgeschlossen? Die Badezimmertür ging auf und ich hörte ihn nun deutlicher.

„Hmm, ist ja komisch. Er scheint nicht da zu sein. Vielleicht wurde er entführt?!" Hörte ich ihn theatralisch quieken und ich verdrehte in Gedanken die Augen. Dieser Idiot. Mit wem Telefonierte er? „Ach, Kein Grund zur Sorge. Deinem Liebsten geht's bestimmt gut." Mein Herz wummerte in der Brust, was wohl zum Teil an meinem Kleinen Sauerstoffmangel lag. Mist. Mir ging echt die Luft aus, weswegen ich langsam wieder auftauchte. Alec wollte grade wieder aus dem Bad gehen, als ich ihn blitzschnell am Handgelenk packte und ihn fast zu Tode erschreckte. Er sah mich entsetzt an, atmete jedoch ein tief durch und grinste mich verschwörerisch an. „Was machst du da? Spannen? Lauschen?" Er drückte mein Handy an die Brust, damit wir ungestört reden konnten. „Das hier ist mein Zimmer, ich bin derjenige, der nackt badet und außerdem ist das da mein Handy. Ich denke also, das du der letzte bist, der Fragen stellen darf." Meine Haare klebten mir im Gesicht und ich hätte ihm am liebsten das Handy entrissen. „Haha, Erwischt!" grinste er blöd und ich stieg aus der Wanne. Ich lief an ihm vorbei und schnappte mir mein Handtuch. „Wie lange hast du noch vor, hier zu bleiben? Verschwinde endlich und gib mir mein Handy." Brummte ich genervt und Alec sah mich schmollend an. „Wie kannst du nur so kalt sein?!" Diese Nervensäge. Ich schnappte mir mein Handy und schubste ihn zur Tür. „Verpiss dich!" knurrte ich und schloss sofort hinter ihm ab.

„Was gibt's?" fragte ich nun etwas sanfter ins Telefon und erstarrte, als ich eine Frauenstimme am anderen Ende vernahm. „Du hättest mich ruhig nochmal besuchen können, bevor du auf Reise gehst." War ja klar. Wie hätte ich nur denken können, dass es Nicolai war, der um diese Uhrzeit anrief. „Was willst du?" knurrte ich gereizt und Miranda fing an zu lachen. „Was denn? Hast du etwa jemand anderen erwartet? Wie süß. So kennt man dich ja gar nicht, Lev." Ich biss wütend die Zähne zusammen und versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Hmm. Ich weiß nicht, wovon du redest." Brummte ich und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Sie kicherte immer noch vor sich hin und ich war kurz davor aufzulegen. „Sei doch nicht wütend. Es ist erfrischend dich so zu erleben. Da will man ja selbst nochmal Jung sein." Säuselte sie und ich konnte mir gut vorstellen, wie sie während unserem Telefonat von irgendeinem Typen durchgenommen wurde. „..Was du nicht sagst." Meine Stimme triefte vor Sarkasmus, doch sie ignorierte es gekonnt. „Und? Schon fortschritte mit deinem Liebsten gemacht?" Ich hatte grad echt keine Lust auf ein Beziehungsgespräch und wollte ja sowieso nicht an Nicolai denken. „Alles gut. War's das jetzt?" Noch ehe sie antworten konnte, hatte ich aufgelegt und schmiss das Handy zurück aufs Kissen. Ich atmete einmal tief durch und starrte an die Zimmerdecke. Das Zimmer war wirklich schön, doch ich mochte es nicht. Es war protzig und schien alles zu haben, was man brauchte. Dennoch wäre ich jetzt viel lieber in Nics Wohnung, in seinem Kleinen Bett und würde seinen Geruch in mir aufnehmen. Dieses Zimmer hier roch nach nichts und doch nach allem. Es war nicht steril, hatte aber auch keinen Eigengeruch. Ich krabbelte zu meiner Tasche und zog mir eine Boxershorts an, ehe ich das Licht ausmachte und mich in dieses viel zu große Bett legte. Ich musste schlafen. Ich musste schlafen, auf jeden Fall. Doch es ging nicht. Ich schielte zu meinem Handy. Selbst wenn ich ihn Kontaktieren würde, würde eh keine Antwort kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er wach war, lag bei Null. Ich würde wohl erst am Mittag oder so, eine Antwort zurückbekommen und bis dahin wie besessen aufs Handy starren und warten. Nicht, dass ich es jetzt nicht auch schon tat. Verdammt. Es nervte. Ich nervte.

„Ach, Scheiß drauf." Ich öffnete am Handy einen neuen Chat und schrieb das erstbeste, was mir einfiel.

„Schläfst du schon?" Ich hätte mich selbst Ohrfeigen können. Natürlich schlief er schon. Wie dumm war das denn? Ich starrte noch einen kurzen Moment aufs Display und beobachtete, wie der Bildschirm sich nach kurzem selbst sperrte. Ich legte das Handy auf die Kommode neben dem Bett und drehte mich um. Ich hatte grade die Augen geschlossen, als sich der Raum erhellte und ein nerviger Piepton erklang. Er hatte geantwortet. So schnell?! „Noch nicht. Irgendwas scheint mich wach zu halten. Vielleicht der Vollmond?" Ich erwischte mich selbst dabei, wie meine Mundwinkel nach oben wanderten. Nein! Pfui! Wieso musste ich wegen so einer Nachricht lächeln? Es gab keinen Grund zum Lächeln.

Ich überlegte noch, was ich hätte antworten sollen, als ich eine weitere Nachricht von ihm bekam. „Ich beobachte schon eine Weile den Himmel. Der Mond ist so groß und die Sterne sind heller als sonst! Siehst du ihn?" Kurz darauf bekam ich ein Foto geschickt, auf dem der Mond abgebildet war. Ich konnte nicht anders, als zu lachen. Ich war nur in Minnesota und nicht am anderen Ende der Welt. Ich stand auf und zog die Vorhänge beiseite, um den Mond selbst zu sehen. Es sah echt schon cool aus. „Ich seh es." Es war merkwürdig, solche Konversationen per SMS zu führen. Normalerweise fand ich es unnötig und antwortete nach kurzem gar nicht mehr, doch irgendwie machte es spaß. Ich hatte innerlich ein Bild vor Augen, wie Nicolai draußen auf dem Treppengeländer stand und begeistert gen Himmel schaute. Ich erschrak, als mein Handy nach wenigen Sekunden wieder piepte. Wie konnte man nur so schnell antworten? „Schon witzig. Ich musste eben an dich denken und dann hast du mich angeschrieben. Es ist, als ob meine Gedanken dich erreicht hätten." Ich las die Nachricht mehrfach durch, um zu realisieren, dass er das grade ernsthaft geschrieben hatte. Ich wurde merklich nervöser und versuchte mein Herz zu beruhigen. Wie konnte er solch eine Reaktion in mir auslösen, ohne überhaupt anwesend zu sein? Liebe war beängstigend. Ob sein Herz genauso schnell schlug, wie meines?

Die darauffolgenden Tage vergingen wie im Flug. Nic und ich schrieben jeden Abend und mir machte der Schlafmangel schon kaum mehr was aus. Ich freute mich jedes Mal auf seine Antwort und verstand allmählich, was so toll am Chatten war. Ich lehnte auf dem Balkon und rauchte noch eine Kippe, als ich eine Sternschnuppe sah. Ich musste lachen, als ich an Nicolais Worte dachte. Er hatte mir einmal erzählt, dass man sich bei einer Sternschnuppe alles wünschen durfte. Das dieser Aberglaube jedoch nur als Märchen für Kinder gedacht war, schien ihm nicht aufgegangen zu sein.

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt