Nicolais POV
„Du hast mit ihm Schluss gemacht?!" total entgeistert blickte Kyle mich an, nachdem ich ihn auf den neuesten Stand gebracht hatte. „So ungefähr.." murmelte ich peinlich berührt und wusste nicht mehr, ob dies eine gute Idee war. Dexter hatte mich kein einziges Mal aus den Augen gelassen, obwohl Kyle ihn mehrfach gebeten hatte, es sein zu lassen. Schlussendlich hatte er ihn aber wenigstens zum Einkaufen überreden können. „Aber du liebst ihn doch noch. Oder?" kam es plötzlich und ich schnappte nach Luft. „N-Natürlich tu ich das." Ein wenig entrüstet über diese Frage, verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Wo liegt denn dann das Problem. Es ist doch egal, ob er älter oder erfolgreicher ist. Das wichtigste ist doch, dass ihr euch liebt." Er lächelte mich sanft an und mir wurde das Herz schwer. Natürlich war es das wichtigste, aber ich tat dies alles ja eben weil ich ihn liebte. Ich wollte es nicht riskieren, eine Last für ihn zu werden. Ich wollte ihn nicht runterziehen und musste selbst erst herausfinden was ich wollte. Es klang wie eine billige Ausrede, doch anders konnte ich es nicht beschreiben. Ich liebte Lev so sehr, dass ich für einen kurzen, ganz kurzen Moment darüber nachgedacht hatte, wie es wäre, wenn ich das Studium einfach abbrechen würde und das machte mir Angst. Wie konnte man jemanden so sehr lieben, obwohl man die meiste Zeit nur von der Person geträumt hatte? Liebte ich denn wirklich Lev? Oder liebte ich nur die Vorstellung von meinem Levin? Es war doch nur verständlich, dass die Gefühle nach Vier langen Jahren nicht sofort verschwanden. Resigniert seufzte ich auf und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. „Wieso muss alles nur so kompliziert sein?" brummte ich erschöpft, woraufhin Kyle nur leise lachte. „Das frage ich mich auch manchmal." Es war schon ziemlich spät, trotzdem kochte Kyle uns noch einen Kaffee und es endete damit, dass wir nun in der Küche rumhockten und Psychiater spielten. „Ich muss zugeben, ich hatte echt einen Schock, als Dexter die Tür aufgemacht hat." Gestand ich Kleinlaut und sah mich vorsichtig um, ob er wieder vom Einkaufen zurück war. „Das hör ich nicht zum ersten Mal." Prustete Kyle laut los und ich stimmte in sein Lachen ein. „Also.." fing ich ernst an. „.. Du hast letztens gar nicht erzählt wer bei euch den ersten Schritt gemacht hat." Versuchte ich das Thema von mir zu lenken und sah Kyles Skeptischen Blick. „Na gut, ich sag's dir, aber wir sind noch nicht mit dir und Levin fertig." Gab er mir mehr als nur deutlich zu verstehen und ich nickte brav.
„Um ehrlich zu sein, war ich vorher mit einem Freund von ihm zusammen. Dexter und Damian kannten sich schon eine ganze Weile und so wurde ich Dexter irgendwann vorgestellt. Das mit mir und Damian hielt aber nicht lange. Es war nicht so, als wenn wir uns großartig gestritten hätten, ich hab einfach nur gemerkt, dass er wohl für seinen besten Freund mehr empfand, als für mich. Wir sind aber immer noch gute Freunde, so wie wir beide." Er sah mich traurig an und ich fühlte mich schuldig. Es tat mir leid, dass er immer wieder abgeschoben wurde, schließlich war es zwischen uns nicht anders gewesen. Er seufzte einmal kurz und fuhr fort. „Er weiß es zwar nicht, aber es hat mich schon ziemlich verletzt, als Damian und ich uns getrennt haben. Ich war ziemlich niedergeschlagen und da war dann Dexter." Er kratzte sich verlegen am Nacken. „Wir haben uns auf einer Party getroffen und irgendwie habe ich bei ihm Frust abgebaut." Kyles Gesicht glich einer Tomate und er druckste nur unverständlich vor sich hin. „Eigentlich mache ich sowas gar nicht, aber wir haben uns ab da häufiger für Sex getroffen." Neugierig musterte ich ihn. „Und wie kam es dann zu dem jetzigen Stand der Dinge?" Er lächelte sanft und man konnte die Schmetterlinge um ihn herum tanzen sehen. „Wir fingen neben dem Sex an, uns über unsere Interessen zu unterhalten, gingen ab und zu ins Kino und irgendwann fing es mit seiner Eifersucht an. Da wussten wir beide dass es was ernstes war." Er knibbelte den Lack von seiner Tasse ab und wirkte ziemlich glücklich. „Wir sind am überlegen, ob wir zusammenziehen." Druckste er herum und ich freute mich für ihn. Wirklich. Ich fand es gut, dass er endlich glücklich war. Auch er hatte eine lange Zeit kein Glück mit Männern gehabt, deswegen wollte ich ihm auch nicht die Laune verderben, aber ich machte mir ein wenig Sorgen. Ich hatte absolut kein Recht, so zu denken, schließlich kannte ich Dexter gar nicht, aber ich machte mir Sorgen, dass er Kyle auch nur ausnutzte. Er war einfach zu unschuldig und naiv, um dass er merken würde, wenn man ihn nur benutzte. „Kommt das irgendwie blöd?" Kyle sah mich schüchtern an und ich schüttelte langsam den Kopf. „Nein.. Es ist schön mit der Person zusammen zu leben, die man liebt." Meine Stimme brach ab und ich versuchte die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln. Bilder von Levin flackerten vor meinem inneren Auge auf. Wie er in meinem Bett schlief, in meiner Küche aß, in meiner Badewanne lag... Es war schon fast so, als wenn wir zusammenlebten. Seine Zahnbürste in meinem Bad bewies es. War ich wirklich bereit dies alles wegzuwerfen. Blöde Frage. Natürlich nicht. Ich konnte in all den Jahren kein einziges Mal loslassen und ich wusste, dass Levin mein Untergang sein würde, sobald er genug von mir hatte. Sobald ihm bewusst wurde, wie unterschiedlich wir wirklich waren und er sich mit mir langweilte. Aber sollte ich dann nicht jetzt jede Sekunde mit ihm verbringen? Jeden Moment genießen, den er mit mir verbringen wollte?
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See You Again (Band 1)
RomanceWährend der neunzehnjährige Nicolai fest davon überzeugt ist, dass eine Beziehung mit dem Vier Jahre älteren Levin durchaus möglich ist, hat dieser mit ganz anderen Problemen zu tun. Wie führte man überhaupt eine Beziehung? Woher wusste man, wie Li...