Nicolais POV
„Ich finde, wir sollten was unternehmen." Hörte ich Lev aus dem Bad sagen. Ich lugte in das kleine Zimmer und beobachtete ihn beim Zähne putzen. Seine wuscheligen Haare hatte er in einen kleinen Zopf zusammengefasst, was wahnsinnig süß aussah. „Was unternehmen? Du meinst ein Date?" fragte ich vorsichtshalber und er nickte. „pfenau!!" nuschelte er und spülte den Mund mit Wasser aus. Nachdem er sich mit dem Ärmel alles Trocken gerieben hatte, drehte er sich zu mir um und schmiss sich wortwörtlich in meine Arme. „Wir haben noch genau sechs Tage, bis Silvester. Ich will in der Zeit niemanden außer dir sehen." Mit diesen Worten schmiegte er sein Gesicht noch mehr an meine Brust. Ich grinste zufrieden, konnte seine Gefühle aber verstehen. „Irgendwelche Vorschläge?" fragte ich und spielte mit seinem Zöpfchen. Die Haare kringelten sich an den Spitzen und sprangen immer in ihre ursprüngliche Form zurück, was wirklich witzig aussah. Er zuckte auf meine Frage hin nur mit den Schultern, also blieb die Entscheidung wohl bei mir. „Wie wär's mit Schwimmen?" Langsam richtete er seinen Blick zu mir und sah alles andere als zufrieden aus. „Damit jeder deinen nackten Körper sehen kann?! Vergiss es." Knurrte er und duldete keine Widerrede. Dass ich eine Hose tragen und er wahrscheinlich für mehr Aufmerksamkeit sorgen würde, wollte er nicht hören. „Was ist dann mit der Kirmes?" Wieder ein vorwurfsvoller Blick. „Kirmes ist anders, als Weihnachtsmarkt." Versuchte ich ihn zu beschwichtigen und erstaunlicherweise, ging Lev drauf ein.
„Da gibt's doch dieses .. große Ding, wo man sitzen kann." Murmelte er in meinen Schal hinein, den ich ihm mal wieder geliehen hatte. „Du meinst das Riesenrad? ..Uhm.. Ja, klar gibt's das hier." Wir waren den weg zu Fuß gekommen und liefen Hand in Hand zum Marktplatz, wo viele Fahrgeschäfte aufgebaut waren. Es war wohl ziemlich kalt, auch wenn ich da anderer Meinung war, doch Lev fror schon, seitdem wir die Wohnung verlassen hatten. „Alles okay bei dir?" fragte ich vorsichtshalber und beobachtete, wie er sich auf die Lippen biss, um nicht laut mit den Zähnen zu klappern. „Mach das nicht." Ich legte meine Hände an seine Wangen, die eiskalt waren. Es war für mich unvorstellbar, wie man bei solch geringer Kälte, geschätzt -6 Grad, so frieren konnte. Na gut, wahrscheinlich war mein Körper einfach nur eine natürliche Wärmeflasche. „Hier, nimm meine Jacke." Ich zog sie aus und legte sie ihm über die Schulter. Verwundert sahen mich seine grünen Augen an. Bevor er es ablehnen konnte, hatte ich ihn am Kragen gepackt und meine Lippen auf seine gelegt. Sie waren so kalt und hatten sich schon bläulich verfärbt. „Lass uns etwas Spaß haben." Lächelnd zog ich ihn an der Hand weiter. Wir gingen von Stand zu Stand und lauschten den Schreien, lebensmüder Menschen, die es wagten, die große Achterbahn zu betreten. Fasziniert musterte Lev das Fahrgeschäft. Ich hätte es mir eigentlich schon denken können, hoffte jedoch immer noch, dass er seine Meinung ändern würde. „Lass uns damit fahren." Wisperte er und sah mich aus den Augen eines Kindes an. Funkelnd und voller Vorfreude musterte er mich solange, bis ich nachgab. „Na schön.." Widerwillig stieg ich also mit in dieses überdimensionale Tor zur Hölle und hoffte, dass ich nicht kotzen musste. Während ich also versuchte, meinen Mageninhalt nicht zu erbrechen, hörte ich Lev neben mir fröhlich lachen. Ich hatte eigentlich keine Angst vor Achterbahnen, war auch nicht der Einzige, der kurz vorm Kotzen war. Alle anderen hielten sich ebenfalls den Mund zu oder schrien wie am Spieß. Nirgends saß ein übermütiger, der die Arme in die Luft streckte... außer Lev. Sein Lachen übertönte beinahe die Schreie und ließ einige, verwirrte Blicke auf sich richten. „Das war lustig." Sagte er überglücklich, als wir aus dem Höllen-Teil ausstiegen. Wie ein Zombie, lief ich ihm hinterher, als er einen Stand mit Süßigkeiten entdeckte. „Alles okay bei dir?" fragte er nun mich, da ich momentan wirklich am Überlegen war, ob zu Kotzen nicht doch die beste Wahl war, als dieses Schwindelgefühl mit mir rumzuschleppen. „hmm.. Geht schon." Nachdem Lev sich einige Naschereien gekauft hatte, gingen wir aus der Menschenmasse. Ich setzte mich auf eine verlassene Bank, die nicht komplett nass war. Ein Wunder. „Sorry. War wohl zu heftig für meinen Kleinen." Sagte er grinsend. Er stellte sich zwischen meine Beine und tätschelte tröstend über meinen Kopf. Ich schnaubte kurz, da grade er solche Sprüche hasste. „Tut mir wirklich leid." Hörte ich ihn leise flüstern, als ich nach einer Weile immer noch nichts erwidert hatte. „Geht's dir wirklich so schlecht?" fragte er nun verunsichert und sah mich schuldig an. Als Antwort, schlang ich meine Arme um seine Hüfte und zog ihn zu mir. „Lass uns ins Riesenrad." Schlug ich vor und zwinkerte ihm zu. „Du solltest deine Jacke nehmen. Du erfrierst noch." Erwiderte er nun ernst und ich lachte. „Mir ist nicht kalt." Ich stand auf und legte meinen Arm besitzergreifend um seine Schulter. Dabei ignorierten wir all die irritierten und zum Teil angewiderten Blicke, um uns herum. „Ihh.. Voll die Schwuchtel." sagte ein Kerl, etwas weiter neben uns. Idiot. Aus reiner Provokation lehnte ich mich zu Lev herunter, der sofort verstand und mir entgegenkam, damit sich unsere Lippen trafen. Eigentlich lag es mir nicht, andere zu provozieren, doch es machte mich wütend, wie abwertend solche Leute waren. Wir liebten uns, das war alles was zählte. Der Kuss wurde inniger, als gedacht. Es war kein Bussi, kein Schmatzer, sondern ein richtiger Kuss. Erst nach einigen Sekunden ließen wir voneinander ab und gingen gemeinsam zum Riesenrad. „Das nächste Mal schlag ich solchen Leuten die Zähne aus." Knurrte Lev, als wir uns in eine Kabine setzten. „Reg dich nicht auf. Solche Leute wird es immer geben." Versuchte ich ihn zu beschwichtigen und zog ihn auf meinen Schoß. „Du sagtest, du willst niemanden, außer mir sehen, als schau auch nur auf mich." Warf ich ein und entlockte ihm ein verschlagenes Grinsen. „Wenn die wüssten, wie gut du im Bett bist.. würden nicht nur die Weiber bei dir Schlange stehen." Er sagte es so ernst, als wenn jemand gestorben wäre und ich hatte das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen. „Ähm.. Sorry?" fragte ich mehr und brachte ihn zum Lachen. „Nein, das ist perfekt. Ich kann überall damit angeben, dass du mir gehörst." Levs Worte ließen mir die Schamesröte ins Gesicht steigen. Ihm war scheinbar nicht bewusst, was er da grade gesagt hatte, denn normalerweise lagen ihm keine romantischen Gesten.
Es wurde grade dunkel und vom Riesenrad konnten wir den Sonnenuntergang perfekt beobachten. Kein Wunder, dass es schon so spät war. Wir alle hatten wegen der Party lange geschlafen. Es war erschreckend, wie schnell so ein Tag umgehen konnte. Manchmal wirkte es, wie eine Ewigkeit und an Tagen wie diesen, verging er wie im Flug. „Ich hab noch was für dich." Fiel mir ein, als wir am höchsten Punkt ankamen und das Gerät anhielt. Ich kramte aus meiner Jackentasche eine kleine Schachtel und überreichte sie Lev. „Dein.. Weihnachtsgeschenk." Murmelte ich und zuckte verlegen mit den Schultern. Verwundert sah er auf, nahm es jedoch an und öffnete es zaghaft. „Geil.." gefolgt von einem breiten Grinsen und anschließendem Kuss, zeigte mir, dass es ihm gefiel. Er zog das schwarze Lederarmband aus der Schachtel. Es war mit einigen Nieten und einer kleinen Metallkette geschmückt, die in einer Art Reißverschluss endete. Als ich es gesehen hatte, musste ich sofort an Lev denken. Ich half ihm dabei, es um sein Handgelenk zu schnüren und zeigte ihm kurzerhand mein eigenes, welches ich bevor wir gegangen waren, umgelegt hatte. Der einzige Unterschied, unserer Bänder, waren die eingravierten Initialen. Bei mir ein L, während bei ihm ein, ebenfalls verschnörkeltes, N prangte. Ich wurde nervös, als er es stumm vor sich hin betrachtete und mit seinen Fingern hin und her schob. „..Zu kitschig?" fragte ich unsicher und sofort schoss sein Kopf hoch. „Nein.. Ich... Es ist schön." Stotterte er ein wenig überfordert. Ich hatte zuvor geglaubt, er würde sich zu einem Lächeln zwingen, doch nun sah ich, dass er sein lächeln verstecken wollte. „Stimmt was nicht?" fragte ich nun verwundert und nahm sein Gesicht in meine Hände. „Nein.. Es ist nur, man hat mir schon oft was geschenkt, aber das ist das erste Mal, dass es mich irgendwie.." Er zuckte nervös mit den Schultern. „..Glücklich macht?" fragte ich und er nickte langsam. Sein lächeln trat an die Oberfläche und brachte mich ebenfalls zum Grinsen. Wir sahen wohl wie zwei Vollidioten aus, aber das war uns gleichermaßen egal. Dann jedoch seufzte er und kramte etwas unter seiner Jacke hervor. „Ich schätze ich kann da, mit den extra großen Kondomen, nicht mithalten." Neckte er mich und lachte. Ich nahm ihm die Packung ab und hob erstaunt eine Augenbraue. „Das ist nicht dein ernst." Lachte ich leise. „Hey.. Das ist auch ein besonderes Geschenk. Immerhin musste ich die übers Internet bestellen, da kein Laden die Größe hatte." Ich konnte es nicht fassen. Ich wusste nicht, ob ich das nun als witzigstes oder perversestes Geschenk abstempeln sollte. Womöglich war es eine Mischung aus beidem. Auf merkwürdige Weise freute es mich sogar, was aber wohl einfach daran lag, dass ich mit keinem Geschenk von ihm gerechnet hatte und es mir lieber, als ein überteuertes Handy war.
Das Riesenrad bewegte sich wieder und wir wurden langsam nach unten getragen, was Lev natürlich nicht dazu veranlasste, von meinem Schoß zu kriechen. Ganz im Gegenteil. Er schien es sich regelrecht gemütlich gemacht zu haben. „Was ist los, Nic? Willst du dein Geschenk nicht aufreißen und sofort ausprobieren?" Säuselte er in mein Ohr und gab den neuen Fahrgästen mit finsterem Blick zu verstehen, dass wir hier noch ganz und gar nicht fertig waren. Wir fuhren also noch eine Runde und warteten nur darauf, dass wir in der Luft stehen blieben. „Was hast du vor?" fragte ich, als er seine Jacken auszog. „Findest du nicht auch, dass es langsam heiß wird?" fragte er heiser und rieb sein Unterleib an meiner Hüfte. Wegen seinen eigenen Worten geil zu werden, konnte auch nur ihm passieren, doch ich erlaubte es ihm.. ausnahmsweise. Es war dunkel draußen und ich bezweifelte, dass jemand uns beachtete. „Heiß? Hmm.. Jetzt wo du es sagst. Also hier wird es verdächtig warm." Schmunzelnd umfasste ich seinen Arsch und schob ihn auf meinem Schoß vor und zurück. In diesem Moment hasste ich unsere Kleidung mehr, als alles andere. Zu gern hätte ich sie ihm vom Leib gerissen, doch natürlich ging das nicht. Ich musste jedoch zugeben, dass das der erotischste Trocken-Sex war, den es wohl gab. „Mehr.." hörte ich ihn nach einiger Zeit aufstöhnen, musste mich jedoch zusammenreißen. „Du weißt, dass das nicht geht. Nicht hier." Levs Arme lagen um meinen Nacken und seine Hüfte bewegte sich in einem verführerischen Rhythmus. Wäre es nicht so kalt draußen, wäre ich womöglich noch auf die Dumme Idee gekommen, ihn hinter den Toiletten zu nageln.
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See You Again (Band 1)
RomanceWährend der neunzehnjährige Nicolai fest davon überzeugt ist, dass eine Beziehung mit dem Vier Jahre älteren Levin durchaus möglich ist, hat dieser mit ganz anderen Problemen zu tun. Wie führte man überhaupt eine Beziehung? Woher wusste man, wie Li...