Kapitel 16

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Levins POV

Es war eine beschissene Idee, herzukommen. Schon seit Nic und ich bei Tristan angekommen waren, spürte ich die neugierigen Blicke der anderen auf mir. Kaum hatte Nicolai den Raum verlassen um aus der Küche etwas zu trinken zu holen, brach es auch schon aus Jenna heraus. „Was läuft da eigentlich zwischen dir und Nicolai?" Kaum hatte sie es laut ausgesprochen, stoppte Alec das blöde Spiel und alle widmeten mir ihre Aufmerksamkeit. Genervt verdrehte ich die Augen. Ich hatte echt kein Bock auf ein Verhör und der Gedanke daran, dass Nic davon mitbekommen könnte, war mir unangenehm. Und selbst wenn ich ihr hätte antworten wollen, so wusste ich doch gar nicht, was ich sagen sollte. Woher sollte ich denn bitte wissen, was das zwischen uns war? Also tat ich das, was ich am allerbesten konnte und blockte ab. „Nichts." Brummte ich nur und startete das Spiel wieder. Alec und Jenna starrten mich misstrauisch an, doch für mich war das Thema momentan einfach Tabu. Von jetzt auf gleich, sprang Alec auf und sah mich schon fast irritiert an. „Häää?! Ich dachte ihr beiden hättet was miteinander? Ihr seid doch auch zusammen von der Party verschwunden, oder etwa nicht?" Was zum-?! Woher wusste Alec davon? Ich hatte ihm nichts gesagt und bevor wir gegangen waren, waren wir allein. Hatte Nicolai ihm etwas gesagt? Oder hatte Tristan einen Verdacht, als ich sein Auto genommen hatte? Wobei ihm sowas ziemlich egal war und es höchstens Jenna, statt Alec erzählt hätte. Diese ganze Sache machte mich verrückt. Was interessierte sie mein Privatleben?! Sonst war es ihnen doch auch egal, mit wem ich vögelte. Warum war Nicolai eine Ausnahme? Wieso war er was Besonderes? War er denn überhaupt etwas Besonderes? Egal wie ich es auch betrachtete, es ergab alles überhaupt keinen Sinn. Wieso hatte er so eine Kontrolle über mich? Wieso zum Teufel ließ ich mir alles von ihm gefallen?! Meine Schwester grinste mich auf einmal verschwörerisch an und ich merkte, wie sich die anderen Blicke an mir festnagelten. Sie wussten etwas. Sie wussten etwas, dass ich nicht wusste. Und das machte mich so unglaublich wütend.

„Klar haben wir gevögelt..." Wieso sagte ich sowas? „..Und? Ist ja nix neues. Wir sind ja.." Nein, ich wollte das nicht laut aussprechen! „..nicht zusammen oder so.." Ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder. Sie klang so hohl und Emotionslos. Doch wie konnte man sich nur so monoton anhören, wenn zur selben Zeit das Innerste zu brodeln begann? Alecs Lachen riss mich aus meinen Gedanken. Er schnappte nach Luft und hielt sich den Bauch. „Du..! Mit Jemanden.... Zu..sammen?!!" er konnte kaum Sprechen vor Lachen und auch mir wurde klar, wie absurd das eigentlich war. Natürlich waren wir nicht zusammen. Ich war nie mit jemandem zusammen. Zumindest nicht auf einer Gefühlsebene. Nur Naive Idioten ließen sich auf Dinge, wie Liebe oder Beziehungen ein. Ja, so war es besser. So war es richtig. Alec versuchte sich zu beruhigen und ich sah aus dem Augenwinkel, wie Jenna mich ansah. Ihr Blick war wie ein Schlag in die Magengrube. War es Mitleid? Oder eher Enttäuschung? Auch Tristan verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Ach ja? Und denkt Nicolai genauso darüber?" Ihre Stimme klang scharf und vorwurfsvoll. Auf einmal hörte man ein leises Poltern an der Treppe und Schritte, die sich schnell entfernten.

Mein Körper stand unter Schock. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht mehr klar denken, nicht mehr Atmen. Ich war zur Salzsäule erstarrt und wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Der Raum begann sich zu drehen und der erste Klare Gedanken, denn ich wieder fassen konnte war..

Hatte er mich etwa gehört?!

Ich sah mich um, doch alles war genauso wie eben. Alle saßen noch am Selben Fleck, alle starrten mich an und ich hatte immer noch das Gefühl, in die Enge getrieben worden zu sein. „Lauf ihm nach." Ich löste mich immer mehr aus meiner Starre und sah meine Schwester nun verwundert an. „Wieso sollte ich? Ich bin doch kein Idiot.." Sie schnitt mir das Wort ab. „Du bist hier der einzige Idiot, jetzt mal abgesehen von Alec! Und jetzt lauf ihm verdammt nochmal nach, sonst wirst du es bereuen!!" fauchte sie mich giftig an und wir alle zuckten zusammen. Es kam nicht oft vor, dass sie die Stimme hob, doch sie schien es todernst zu meinen. Verdammt! Wieso nur musste sie immer Recht haben?

Mein Körper setzte sich prompt in Bewegung. Ich eilte die Treppe hinauf und öffnete die Haustür. Er hatte kein Auto, also musste er noch in der Nähe sein. „Nic!" Meine Stimme klang durch den Regen gedämpft und ich fluchte. „Fuck!" Ich lief in den Wald und wusste nicht wohin. Ich rief nach ihm, so laut ich konnte, ignorierte dabei den Starken Regen und suchte immer weiter. Mein Herz wummerte schnell in meiner Brust. Hatte es je so schnell geschlagen? Ich wusste es nicht. Seitdem Nicolai wieder in mein Leben getreten war, schien mein Herz einen ungewöhnlichen Rhythmus angenommen zu haben. Er schien mich mit seiner bloßen Anwesenheit aus dem Konzept zu bringen und in Momenten wie diesen, zog sich in mir alles zusammen. Was war das nur für ein Gefühl? Ein Gefühl, welches nur er in mir auslösen konnte? Abrupt blieb ich stehen. Nicht nur, weil ich ihn gefunden hatte, oder sich vor mir ein Fluss auftat. Nein, viel mehr, weil ich die Offensichtlichste Tatsache begriffen hatte.

Ich war in Nicolai verliebt.

Ich sah, wie er auf der anderen Seite des Flusses herumirrte und orientierungslos durch die Gegend schaute. Es war noch gar nicht so spät, doch durch den dichtbewachsenen Wald und den dunklen Gewitterwolken über uns, wirkte es wie die Nacht. Der Regen war unglaublich stark und der Fluss schien sich immer mehr auszubreiten. „Nic!" Ich schrie erneut nach ihm und sah, wie er reagierte. Er sah sich verwirrt um, als er mich entdeckte. Ja, ja, ja! Er riss seine Augen geschockt auf und wollte wieder davonrennen. Was?! Nein, Nein, Nein, Nein! Verdammt! „Nicolai! Bleib verdammt nochmal stehen!" brüllte ich und er hielt kurz inne.

Jeder Rational denkender Mensch hätte schon längst Hilfe geholt oder sich einen Plan zum Überqueren eines überfluteten Flusses gemacht. Ich war leider kein Rational denkender, sondern ein Hals-Über-Kopf-Verknallter Typ und sprang ohne weiter nachzudenken in den Fluss. „Levin!" Ich hörte ihn laut aufkreischen und sah, wie er näher ans andere Flussufer kam. Der Fluss war inzwischen so tief, dass ich schon schwimmen musste. Natürlich hätte jemand wie Nicolai kein Problem damit gehabt, einfach zu gehen, doch darauf wollte ich nun wirklich nicht weiter eingehen. Die Strömung war stärker als ich gedacht hätte und ich wäre am Ende beinahe abgesoffen, hätte er mich nicht am Arm herausgefischt. „Bist du eigentlich total bescheuert?!" Besorgt sah er mich an, prüfte ob mir irgendetwas fehlte und zum ersten Mal erkannte ich etwas Weiteres in seinen Augen. Etwas, was mir zuvor noch bei niemandem aufgefallen war. Es war bedingungslose Liebe.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte, wusste nicht, wie man mit solch einer Situation umging, doch mein Körper schien zu wissen, was zu tun war. Meine Arme schlangen sich um seinen Hals und zogen ihn näher an mich. Ein lautes Gewitter brüllte über uns hinweg und ein langer, greller Blitz durchzog die sonst dunklen Wolken, doch nichts davon war von Bedeutung, ..denn ich küsste ihn und er küsste mich.

„Ich liebe Dich, Nicolai.."

See You Again (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt