2 - Altes Pausenbrot (✔️)

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Als ich am nächsten Morgen von meinem Wecker aus den Federn geschmissen wurde, verdrückte ich mich sofort ins Badezimmer um zu Duschen und meine Haare zu föhnen.
Dazu war ich gestern beim besten Willen zu erschöpft gewesen. Außerdem würde es ewige Zeit in Anspruch nehmen, würde mein Bruder vor mir duschen gehen.

Nach dem Duschen trug ich ein bisschen Mascara auf und benutzte einen farbigen Labello. Für gewöhnlich genügte mir das für die Schule.
Eigentlich hatte ich mir für den ersten Schultag ein schönes, geblümtes Kleid raus gelegt, doch das Klima in Kanada unterschied sich grundlegend von dem in Kalifornien. Daran sollte ich mich schnellstens wieder gewöhnen.

Ich entschied mich also um und lief nur in mein Handtuch gewickelt aus dem Bad, um mir in meinem Zimmer etwas Anderes zum Anziehen raus zu suchen.

"Na endlich, ich dachte schon, du wirst gar nicht mehr fertig." ertönte die genervte Stimme meines Bruder und mir war klar, es war Alles wieder beim Alten.

"Es ist immerhin der erste Schultag, da will man.." begann ich, stockte jedoch als meinen Blick seinen traf. Und dabei meinte ich nicht meinen Bruder.
Nein. Es war Shawn, in dessen Blick ich sofort gefangen war. Verdammt sah er gut aus. Noch viel besser als damals, wenn das überhaupt möglich war.
Seine Haare waren ein bisschen länger und fielen ihm in die Stirn, er ist breiter geworden, trainierter. Er war kein Junge mehr, vor mir stand ein Mann.

"Hey Kylie." sagte er und lächelte schüchtern. Das war gleich. Sein schönes, unglaublich sanftes Lächeln. Ich hatte dieses Lächeln vermisst. Ich hatte seine Stimme vermisst. Fuck, ich hatte einfach Alles an ihm vermisst.

Mein Herz begann augenblicklich zu rasen und die Worte steckten in meinem Hals fest. Ich brachte kein Wort raus, sah an mir herunter und verschwand danach beschämt in meinem Zimmer.
Ich schlug die Tür zu, lehnte mich dagegen und blickte mich panisch in meinem Zimmer um.

Nein, hör sofort auf damit. Es ist Alles gut, wir bekommen das hin. Atmen.

Zögerlich lief ich auf meinen Schrank zu, zog eine helle Jeans mit Rissen an und dazu einen lockeren weißen Strickpulli. Danach griff ich nach meiner Tasche, warf wahllos einen Block und ein paar Stifte hinein und verließ das Zimmer dann wieder in der Hoffnung, Shawn nicht wieder zu begegnen.
Doch vergeblich, er saß mit Cameron und Mum am Tisch in der Küche und trank Kaffee aus einer weißen Tasse. Natürlich, wieso hätte er auch einfach verschwinden sollen? Großartig.

Unsere Blicke trafen sich, als ich die Küche betreten hatte, doch ich wendete den Blick schnell wieder ab. Der Appetit war mir sowieso vergangen, also wartete ich im Flur, bis die Jungs ihre Jacken überzogen und wir zu Cameron's Auto gingen.
Während der Fahrt hörte ich über meine Kopfhörer Musik und versuchte die Müdigkeit zu ignorieren, die nach wie vor vorhanden war.

Kurz bevor wir in der Schule ankamen tippte ich meinen Bruder an und bat ihn, mich bereits eine Straße vor der Schule raus zu lassen. Er nickte, fuhr an den Straßenrand und lies mich aussteigen.

"Wieso will sie hier raus?" hörte ich Shawn verwirrt fragen, als ich schon draußen stand.

"Es ist der erste Schultag, jeder will euch sehen. Ich hab absolut kein Bock auf das Rampenlicht, Mendes." erwiderte ich emotionslos und schloss die Tür, bevor er etwas hätte sagen können.

Die restlichen Meter zur Schule lief ich also und als ich dort ankam, war ich heilfroh über meine Entscheidung. Vier Kameraleute tummelten sich vor der Schule und warteten auf die "Sensations-Jungs.
Wieso interessiert sich die Welt eigentlich für ein paar Teenies, die sich dabei filmen, wie sie irgendeinen Mist anstellen?
Ich liebe diese Jungs, sie sind meine besten Freunde, wie meine Familie. Doch für mich sind sie absolut keine Promis, Stars, Influencer oder wie man es sonst betiteln will.

Schnell zog ich mir meine Kapuze der Jacke auf den Kopf, sodass mich auf keinen Fall Irgendjemand erkennen konnte.
Das hatte ich genossen an Kalifornien. Dort war ich einfach nur Kylie. Nicht die Schwester von Cameron Dallas.
Aber das war vermutlich auch das einzig Gute an Kalifornien.

Unauffällig schlich ich mich an den Schülern vorbei und zog meine Kapuze wieder ab, als ich das Schulgebäude betreten hatte. Ich wuschelte mir einmal durch die Haare und machte mich danach direkt auf den Weg zu meinem Spind.

Es war ein komisches Gefühl wieder hier zu sein. Im einen Moment fühlt es sich an wie ein halbes Leben, das ich in Kalifornien verbracht hatte. Und im nächsten Moment kam mir die Zeit viel zu kurz vor.

Ich gab meine Zahlenkombination ein und öffnete den Schrank, der dank meiner übermütigen Flucht vor 6 Monaten das reinste Chaos darstellte. Zum Glück lag kein altes Pausenbrot darin. Lediglich einige Bücher.
Unseren Stundenplan hatten wir in den Ferien bereits zugeschickt bekommen und meiner zeigte zuerst Englisch an. Ich zog mein Englischbuch heraus, weshalb sogut wie die Hälfte des anderen Inhaltes meines Schranks auf dem Boden landete.
Klasse.

"Warte, ich helfe dir." drang eine bekannte Stimme zu mir durch, als ich mich bereits gebückt hatte, um meine Sachen einzusammeln.
Plötzlich stach mir etwas ins Auge. Ein Bild versteckte sich zwischen all den Büchern und nachdem ich es heraus gezogen hatte, starrte ich es wie paralysiert an.
Zu sehen waren Shawn und Ich auf der Feier zu meinem 16.Geburtstag. Wir trugen beide Partyhüte, die Cameron uns aufgesetzt hatte.
Shawn's Arm lag um meine Schulter und wir hielten unsere roten Becher in die Höhe. Wir hatten Beide ein fettes Grinsen im Gesicht, das mir eine Gänsehaut bescherte. Wir waren so sorglos. So frei. So glücklich.

Wir befanden uns auf dem Weg zum Strand, den Nate und Tori mir unbedingt zeigen wollten, als Tori das Radio in Nathan's Auto lauter drehte. Aus den Boxen drang nun viel zu laut "Stitches", Shawn's Song, der ihm den Durchbruch beschert hatte. Shawn's Song? Theoretisch, denn der Großteil des Textes war nicht sein, sondern mein Werk. Ob er wohl wusste, dass der Song den er da spielte, von ihm selbst handelte? Wohl kaum.

"Muss das sein?" wollte ich genervt wissen und lehnte mich auf die Tür des roten Cabrio's.

"Sag bloß, du magst Shawn Mendes nicht?" gab Tori schockiert von sich und drehte sich mit verblüfftem Gesichtsausdruck zu mir.

"Ich mag ihn nicht mehr." verbesserte ich sie und verdrehte die Augen dabei, versuchte die Gedanken an ihn zu vertreiben. Leider war das schwerer als gedacht mit seiner einzigartigen Stimme im Ohr.

"Wie kann das denn sein? Er ist doch gerade erst auf der Bildfläche aufgetaucht." ihre Stimme klang nun noch verwirrter und ich begann zu überlegen ob es eine gute Idee wäre, es ihnen zu erzählen.

"Naja.. ich kenne ihn."

"Jeder kennt ihn." meinte Tori und ich sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Sie ist zwar sowas wie meine beste Freundin hier geworden, die Hellste war sie trotzdem nicht.

"Wir waren beste Freunde." gab ich nun leise von mir, woraufhin meine neugewonnenen Freunde in Gelächter ausbrachen.

"Und wovon träumst du noch so?" lachte Tori. Ich zog eine Augenbraue in die Höhe.

"Ich meine das ernst." - "Dann beweise es uns."

Kopfschüttelnd nahm ich mein Handy raus und durchsuchte es nach Bildern von Shawn und mir. Leider hatte ich während meines Fluges versucht all unsere Bilder zu löschen, um somit ihn ein Stück weit aus meinen Gedanken zu löschen. Doch eines schien sich versteckt zu haben. Und somit hielt ich Tori und Nate das Bild von Shawn und mir auf meiner Geburtstagsfeier entgegen.

Ich konnte mein Blick einfach nicht von dem Bild reißen. Es war ein so perfekter Moment und ich wünschte, ich könnte zu diesem Zeitpunkt zurückreisen. Wieder glücklich und unbeschwert sein. Doch dann wurde mir klar, dass es nie wieder so sein würde und ich zerknüllte das Bild schnell, um es in meine Tasche zu werfen.

"Bist du neu hier?" ertönte die bekannte Stimme erneut und ich sah auf, um Nash zu erkennen, der mir ein paar meiner Sachen entgegen hielt.
Sah ich wirklich so anders aus, mit den blonden Haaren, dass nicht mal meine Freunde mich erkannten? Oder hatten sie mich ganz einfach aus ihren Köpfen gelöscht?

"Kylie? Bist du das?" fragte er überfordert und ich begann lächelnd zu nicken. Er reichte mir seine Hand und half mir dabei aufzustehen. Kurz darauf schloss er mich in eine feste, freundschaftliche Umarmung.

S.M.|| I know what you did last Summer - Shawn Mendes FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt