8 - Mum (✔️)

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"Willst du darüber reden?" fragte Nash mich sanft, nachdem wir uns eine Weile gegenseitig angeschwiegen hatten. Die Straße war komplett leer und die Sonne stand noch hoch am Himmel, blendete uns. Ich starrte wie gebannt aus dem Fenster und versuchte den Kopf frei zu bekommen.

"Nein." antwortete ich schlicht und lehnte langsam meinen Kopf gegen die Scheibe.

"Wieso hast du geweint?" fragte er trotzdessen und ich verdrehte die Augen. Immerhin hatte ich doch vor weniger als fünf Sekunden gesagt, dass ich nicht darüber reden wollte.

"Hatte nur was im Auge. Außerdem bin ich ziemlich müde, meine Augen sind einfach trocken." reihte ich alle Ausreden aneinander, die mir auf die Schnelle eingefallen sind.
Nash beobachtete mich kurz, bevor er sein Blick wieder der Straße zuwendete.
Ich hasste es beobachtet zu werden, allgemein angesehen zu werden.

Bis wir bei mir Zuhause ankamen redeten wir nicht mehr, was mir wirklich entgegen kam. Obwohl ich wusste, dass Nash mir nicht glaubte, war ich dankbar, dass er nicht weiter nachgefragt hatte.

"Soll ich dich noch reinbringen?" fragte er liebevoll, als ich im Begriff war auszusteigen.
Mein Herz erwärmte sich einen Moment und ich begriff, wie sehr er mir gefehlt hatte. Er war schon immer ein herzensguter Mensch, kümmerte sich um Alle und hatte für so ziemlich Alles auf dieser Welt Verständnis. Vielleicht sollte ich mich ihm anvertrauen, ihm Alles erzählen.

Nein, für das was du getan hast, gibt es kein Verständnis. Nicht mal von Nash.

Ich schüttelte lächelnd den Kopf und bedankte mich für's Heimfahren, bevor ich ausstieg und die Beifahrertür wieder schloss. Er blieb noch stehen, bis ich an der Tür ankam und fuhr dann weiter.
Hingegen der Erwartung, dass Mum noch mit ihren Freundinnen unterwegs war, hörte ich Geräusche, die aus dem Wohnzimmer kamen. Ich lief auf das Sofa zu und konnte sehen, wie sie sich die Fußnägel lackierte und währenddessen irgendeine Reality-Serie ansah.

"Ich bin Zuhause, Mum." gab ich ruhig von mir und drehte mich danach um, um die Küche zu betreten und mir etwas zu Trinken zu suchen. Ich entschied mich schließlich für eine heiße Schokolade und setzte mich damit an den Esstisch, der mit in der Küche stand.

Meine Mum kam plötzlich zu mir gelaufen und watschelte dabei wie ein Pinguin, da ihr Nagellack scheinbar noch nicht trocken war. Sie nahm mir gegenüber Platz und lächelte mich warm an.

"Wie war es am See?" wollte sie interessiert wissen und wackelte plötzlich mit den Augenbrauen. Um Himmels Willen.

"Es war komisch Alle wieder zu sehen. Keine Ahnung.." murmelte ich, woraufhin meiner Mutter mich skeptisch, gleichzeitig scannend ansah.

"Was ist los?" fragte sie und ich biss mir auf die Lippe. War ja auch klar, dass sie sofort spürte, wenn Etwas nicht stimmte.

"Es kommt Alles wieder hoch. Und es tut noch genau so weh." gab ich brüchig zurück und wich ihrem Blick aus, damit sie die aufkeimenden Tränen nicht sehen konnte. Ich hatte schon viel zu oft vor ihr geweint.

"Oh Schätzchen, ist es wegen Shawn?" fragte sie, stand auf und kam um den Tisch, um mich in den Arm zu nehmen.

Und damit brachen alle Dämme. In ihren Armen fühlte ich mich sicher und geschützt, sodass es mir gar nicht möglich war, meine Gefühle runter zu schlucken. Ich brach also doch noch in Tränen aus und durchnässte ihre Schulter somit.
Sie sagte nichts, lies mich einfach weinen, bis ich mich wieder beruhigt hatte und sie sich zurück auf ihren Stuhl setzte. Durchdringlich sah sie mich an, um mir zu zeigen, dass ich darüber reden konnte, sie mich aber nicht dazu drängen würde.
Als ich hörte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde entschied ich mich dagegen und sprang von meinem Stuhl auf. Cameron sollte mich nicht so sehen, schon gar nicht fragen, was los war.

"Danke Mum." sagte ich leise, bevor ich die Treppen hochrannte und mich in mein Zimmer verkroch.
Schnell zog ich mir meine Schlafsachen an, immerhin hatte ich absolut nicht vor, heute nochmal auf dem Zimmer zu kommen und warf mich dann auf mein Bett. Ich zog mir die Decke bis zu meinem Kinn und starrte die Wand an.
Ich musste Shawn aus dem Kopf streichen. Das fiel mir in Kalifornien doch auch nicht so schwer, also wieso musste ich jetzt wieder die ganze Zeit an ihn denken? Ist ja nicht auszuhalten.

Etwa zehn Minuten später klopfte es an meiner Tür und ich atmete genervt aus. Schnell schloss ich die Augen, entschied mich dazu heute nicht mehr mit Cameron zu reden und das funktionierte nur, wenn er dachte ich würde schlafen. Obwohl ich keine Antwort von mir gegeben hatte, öffnete sich die Tür und ich hielt die Luft an.

"Hey, ich hatte noch eine Idee für unseren Song.. Oh.", drang Shawn's Stimme an mein Ohr.

Augenblicklich begann mein Herz zu rasen, gleichzeitig stieg Panik in mir auf. Bitte, komm nicht näher. Bitte finde nicht raus, dass ich noch wach bin. Bitte geh einfach wieder. Eisern hielt ich die Augen geschlossen und versuchte gleichmäßig zu atmen.
Die Tür schloss sich wieder, doch noch immer spürte ich seine Anwesenheit. Das bedeutete wohl, er hatte die Tür hinter sich geschlossen und war nun im selben Raum wie ich.

"Irgendwie.." nuschelte er vor sich hin und ich nahm kurz darauf war, wie er sich auf den Sitzsack in der Ecke meines Zimmers fallen lies.
Er kramte herum, bis ich die sanften Töne seiner Gitarre ganz leise hören konnte. Er begann eine Melodie zu spielen, die unglaublich beruhigend klang und wunderschön zugleich war.

"I watch your troubled eyes as you rest, and I fall in love with every breath. I wonder if those eyes are really shut, and am I the one you're dreaming of." sang er ganz leise vor sich hin und ich musste mich zusammenreißen, nicht zu lächeln. Immerhin würde er dann wissen, dass ich nicht wirklich schlief und dann würde die Situation für uns Beide unglaublich peinlich enden.
Er hörte auf zu spielen und ich hörte einige Schritte.
Was hat er vor? Kommt er zu mir? Was passiert hier?

"So ein Bullshit." zischte er und kurz darauf hörte ich, wie meine Zimmertür geschlossen wurde. Ich riss die Augen auf, sah auf die Stelle, an der er gerade noch saß und blinzelte einige Male verwirrt.

Bullshit? Wow. Das hätte mir wohl sofort bewusst sein sollen. Er ist ein guter Musiker, weiter Nichts. Die Worte die er singt, bedeuten ihm sicher gar nichts. Ich bedeute ihm sicher gar nichts. Leere Worte, nichts Weiter.

Ich drehte mich um, starrte erneut die Wand an. Ich war im Begriff erneut in Tränen auszubrechen aber nicht mit mir, Mendes. Nicht noch einmal. Es ist mir egal, du wirst diese Mauern nicht wieder durchbrechen und mich verletzlich machen. Nie wieder werde ich dieses beschissene Gefühl wegen dir haben.

Du bist stark geworden. Du schaffst das.


S.M.|| I know what you did last Summer - Shawn Mendes FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt