Kapitel 2

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Ich wusch mich mit eiskaltem Wasser und ließ es meinen Nacken hinab laufen. Für den heutigen Abend mussten wir sauber sein. Sauberer als jemals zuvor. Wir durften nicht auffallen. Wir mussten eine Verkleidung annehmen, in Rollen schlüpfte und unsere alten Leben hinter uns lassen. Für immer. Wir mussten uns anpassen. Das, was wir eigentlich nie machen wollten. Ich band meine nassen Haare zu einem hohen Zopf zusammen bevor ich in den verstaubten Spiegel schaute. Ich wischte mit meinem Ärmel über das dreckige Glas um mein Gesicht klarer zu erkennen. Man erkannte mir die Jahre in der Natur an. Als hätte sich der Dreck, Schlamm und Staub in meine Haut gefressen. Ein Mädchen in diesem Land sollte lächeln, sie sollte kichern wenn ein hübscher Junge vorbei lief, sie sollte sich mit ihren Freundinnen über die neusten Kleider unterhalten und sich vorzüglich schminken, glänzende Haare und wunderschöne Kleide haben. Sie sollte atemberaubend sein. Ganz das Gegenteil von mir.

"Hunger?"

Als sich die Bambustür langsam und quietschend öffnete, löste ich mich von meinem Spiegelbild und blickte stattdessen in Mak-Moons breites Grinsen.

"Es gibt Reis."
"Gab es je etwas anderes?"

Er lachte, packte mein Handgelenk und zog mich an den kleinen Holztisch auf der runtergekommen Veranda an der unsere Zimmer angrenzten. Dog-Bird saß bereits am Tisch und schaufelte den Reis in sich. Er war ein starker Junge, er brauchte die Nahrung. Ich erinnerte mich nur zu gut daran wie häufig ich ihm etwas von mir gegeben hatte, selbst wenn ich kurz vor dem Verhungern stand. Doch ich wollte die Situation auflockern und kicherte leise.

"Du tust gerade so als würden wir nie wieder etwas zu essen bekommen."
"Wer weiß."

Er schaute nicht zu mir auf und ich ließ mich seufzend neben ihm nieder. Die Anspannung war fast zum Greifen und ich spürte wie sie sich drückend über mich legte. Ich stopfte mir einen Löffel Reis in den Mund und bemerkte wie voll sich mein Magen bereits anfühlte. Die Aufregung ließ meinen Hunger sinken. Ich legte den Löffel zur Seite und sah Mak-Moon dabei zu wie er mir etwas Tee einschenkte.

"Wir gehen in einer Stunde los."

Ich verschluckte mich fast an dem Reis in meinem Mund während ich die Beiden ungläubig ansah. Dog-Bird wich meinen Blicken aus und klopfte mir wortlos auf den Rücken.

"Ich dachte wir gehen im Schutz der Dämmerung."
"Die Wachen werden zu dieser Zeit besonders aufmerksam sein. Doch wer erwartet einen Einbruch am frühen Morgen."
"Das ist keine-"

Dog-Bird schaute auf.

"Du vertraust uns nicht, warum?"
"Ich vertraue euch blind und doch..."

Ich schaute mich um bis mein Blick bei Mak-Moon hängen blieb. Der Grund weshalb wir unseren Tod unterschrieben. Wortlos sah ich ihn an und spürte wie sich meine gesamte Welt drehte. Die Bäume kamen auf mich zu wie zu groß geratene Pfeile und ich wollte die Flucht ergreifen.

"Entschuldigt mich."

Ich sprang auf und eilte hastig in mein Zimmer. Ich knallte die klapprige Tür zu und lehnte mich mit schwer, klopfendem Herz dagegen während ich mein Zimmer musterte. Ein spärlicher Anblick. Ein Bett, ein Tisch. Ein Zuhause. Mein Zuhause. Ich fuhr über mein Gesicht bevor ich mich auf meinem Bett niederließ. Wir hatten nur eine Mission. Nur eine einzige. Wir wollten Mak-Moons Familie finden. Seinen Vater und seine Schwester. Seine Kindheit verbrachte er im Kapitol. Bis die Königin herausfand das er ein Halbblut war. Deswegen mussten seine Mutter und er verschwinden. Die Dinge nahmen ihren Lauf und er landete einsam bei uns. Wo seine Mutter war, wussten wir nicht. Aber esprach viel von seiner Familie. Von seiner Schwester. Er wollte Nachhause, das hatten wir schon vom ersten Tag an gespührt und wir würde nicht eher aufgeben bis er dort angekommen war. Denn er hatte noch einen Ort an den er gehörte, an dem an ihn gedacht wurde. Er hatte Menschen die ihn vermissten und genau zu diesen Menschen wollten wir ihn zurück bringen. Doch der Gedanke daran das ich bereits in einer Stunde eine Mauer erklimmen würde die mein Tod bedeutete, war ein seltsames Gefühl. Dabei hatte auch ich tief in mir mit den Gedanken gespielt wie es wohl gewesen wäre hier alt zu werde. Verlieben, heiraten, Kinder bekommen. Glücklich sein. Träume die nun noch weiter entfernt waren als sowieso schon. Ich senkte meinen Blick als es plötzlich zart an der Tür klopfte.

"Anna?"

Das einzige was mir von meinem früheren Leben geblieben war. Mein Name. An mehr erinnerte ich mich nicht und würde es auch nie tun.

"Geht es dir gut?"

Mak-Moon streckte seinen Kopf in mein Zimmer und kniff die Augen zusammen. Als ahnte er etwas zu sehen das er nicht sehen wollte. Ich stand schmunzelnd auf und näherte mich ihm mit langsamen Schritten. Er war überrascht das ich nicht abgehauen war, das sah ich ihm an.

"Wenn du nicht mitgehen-"

Ich verschränkte meine Arme hinter dem Rücken und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Nase.

"Ich weiche nicht von deiner Seite. Immerhin gab ich dir ein Versprechen, hast du vergessen?"
"Auf dem Hügel an einem Sonntag. Du versprachst mir mich zu meiner Familie zu bringen, selbst wenn es deinen Kopf bedeutete."

Er öffnete langsam seine Augen und schaute mich mit einem breiten Schmunzelnd an.

"Doch auch ich gab dir ein Versprechen, erinnerst du dich?"
"Auf dem Hügel, am selben Tag, an einem Sonntag. Du versprachst mir mein Leben zu beschützen, selbst wenn alles andere verloren ging."

Mak-Moon grinste bevor er mich in seinen Arm zog. Eine warme und liebevolle Umarmung die mich schon viel zu oft zurück ins Leben gerissen hatte.

"Wir sollten los."

Dog-Bird befreite uns aus der Starre in der wir gefangen waren. Ich atmete tief durch und lief zu dem kleinen Tisch neben meinem Bett. Ich griff nach meinem Schwert das in seiner schwarzen Halterung lag und band mir den Gürtel um die Hüfte.

"Deine Kette."

Dog-Bird deutete auf eine goldene Kette mit einem kleinen Mondanhäger. Ein Andenken aus meinem früheren Leben. Ich trug sie jeden Tag obwohl ich sie schon lange hätte verkaufen können. Doch sie ließ mich nicht vergessen das es etwas gab, vor all dem.

"Warum trägst du sie nicht?"
"Ich habe Angst sie zu verlieren."
"Wir werden vielleicht nie wieder zurück kommen."

Ich nickte.

"Ich möchte nicht mit ihr begraben werden. Sie gehörte meinem lebenden Ich, nicht meinem Toten."

Die Jungs nickten schweigend bevor ich meinen Dutt festschnürrte und tief durchatmete.

"Worauf warten wir noch, wir haben einen langen Weg vor uns."

Ich senkte meinen Blick bevor ich aus der Tür trat. Ein letztes Mal. Ich lief die Stufen der Veranda hinab. Ein letztes Mal. Ich hörte das Knirschen unter unseren Stiefeln als wir den staubigen Weg entlang liefen der aus dem kleinen Dorf führte. Die umherspielenden Kinder schauten uns an wie Helden die aus einer großen Schlacht zurück kehrten. Dabei waren wir nichts weiter als Kriminelle die sich unbefugt Zugang schafften in eine Welt in die einige von uns nicht gehörten. Mak-Moon hingegen gehörte dort hin und für dieses Recht kämpften wir. Er hatte jemanden hinter diesen Mauern, jemanden der ihn liebte und vermisste. Auch wenn ich nichts gutes über diese Menschen hinter den Mauern dachte, so sollte er zurück Nachhause zu den einzigen normalen Menschen im goldenen Königreich. Sie waren eingebildete und herzlose Menschen. Sie töteten die, die unter ihnen standen und das nur, weil sie sich höher fühlten. Sie fühlten sich mächtig, stark und gefühllos. Doch ich würde sie zu Fall bringen. Einen nach dem andern.


King || Soo Ho Rang FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt