Kapitel 35

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Am nächsten Morgen hatte ich mich schon früh auf den Weg gemacht. Es war noch immer dunkel und ich hatte den Arbeitern des Hauses Bescheid gegeben sie sollten die Jungs früher wecken. Etwas das ihnen womöglich nicht gefallen würde. In das Lehrzimmer hatte ich einen Zettel gelegt mit einer Beschreibung zu diesem Ort. Einer Klippe im Wald hinter dem Hwaranggelände. Eine Klippe von der aus man über die gesamte Stadt blicken konnte. Die Stadt in die ich eigentlich nicht gehörte und dennoch war ich nun hier und lebte in großem Wohlstand. Einem Wohlstand der mein gesamtes altes Dorf, für weitere Jahrzehnte ernähren konnte. Sooho hatte gestern Nacht in seinem Zimmer geschlafen. Wir wollten nicht noch mehr Anlass dazu geben um Gerüchte aufzukochen. Gerüchte die sowieso schon im Umlauf waren. Nun stand ich hier am Rand der Klippe und wartete auf meine Lehrlinge. Ich hatte keine genau Beschreibung geschrieben. Eher ein Rätsel. Die erste Aufgabe des Tages. Aber ich wusste das einige unter ihnen waren, die genug Verstand hatten um es zu lösen. Die Anderen unter ihnen war diejenigen, die nichts weiter als einen sinnlosen Kampf wollten. Es waren diejenigen die einen Kampf verlieren würden. Meine Fußspitzen schwebten bereits über dem Rand als ich eine Menge erschöpfter Schritte hörte die durch den Waldrand hallten. Kleine Steinchen fielen über den Rand und verloren sich in den endlos wirkenden Tiefen. Schmunzelnd schaute ich weiter über die Dächer der edlen Stadt. Die Sonne begann langsam aufzugehen als die Schritte verstummten und ich verwirrte Blicke in meinem Nacken spürte.

"Ihr habt es schneller geschafft als ich erwartet hatte."

Ich drehte mich um und blickte in müde und verschwitzte Gesichter. Ich verkniff mir ein Schmunzeln als ich Soohos Blick traf. Er rang nach Luft, stemmte seine Hände in die Hüfte und sah mich grinsend kopfschüttelnd an. Dog-Bird stand vollkommen normal in den Reihen. Er war es gewohnt Berge zu laufen und weite Strecken hinter sich zu bringen. So wie auch ich. Uns machte soetwas nichts mehr aus und genau so sollte es meinen Lehrlingen am Ende dieser Schule auch gehen.

"Um die Stärken und Schwächen der anderen zu erkennen. Müsst ihr erst einmal eure eigenen herausfinden."

Ich setzte mich im Schneidersitz an den Rand der Klippe und spürte die Höhe in meinem Nacken kitzeln. Eine falsche Bewegung und ich würde in meinen Tod stürzen. Doch ich fühlte mich sicher. Ein Junge nach dem anderen setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, bis sie in ordentlichen Reihen vor mir saßen.

"Schließt eure Augen. Geht in euch. Findet heraus was euch wichtig ist im Leben. Findet heraus was euch unwichtig erscheint. Denk zurück an Kämpfe, an schöne Momente und an Erinnerungen die ihr behalten wollt."

Die Jungen taten was ich sagte, einer nach dem anderen schloss seine Augen.

"Findet heraus worin ihr begabt seid und worin eher nicht."

Ich richtete mich langsam auf und griff in den Korb der neben mir stand. Ich nahm die Papiere, Pinsel und Farben heraus. Damit lief ich durch die Reihen und gab jedem Lehrling seine Schreibutensilien. Doch keiner von ihnen öffnete seine Augen, jeder von ihnen hielt sich an die Aufgabe und ich hatte das Gefühl als würden sie tatsächlich in sich gehen. Eine Stille, wie sie schon fast zu greifen war, legte sich über uns. Nachdem jeder etwas zu schreiben hatte setzte ich mich wieder an den Rand, doch dieses Mal saß ich mit dem Rücken zu den Jungs. Mit dem Blick zur Stadt. Doch auch ich schloss meine Augen.

"Lauscht dem Wald. Lauscht den Geräuschen die ihr hört. Bewundert die Erinnerungen vor euren Augen. Wenn ihr euch sicher seit, das ihr alles gesehen habt. Dann öffnet eure Augen und schreibt auf was es war. Schreibt auf was euch wichtig ist, was nicht. Was ihr bewundert, was nicht. Was eure Stärken sind und eure Schwächen. Schreibt alles auf was euch für richtig und wichtig erscheint. Schreibt auf was eurem Leben einen Sinn gibt."

Einige Zeit hörte ich nur die Geräusche des Waldes, das Rauschen der Blätter, das entfernte Plätschern eines Flusses. Die Jungs ließen sich Zeit und genossen den Sonnenaufgang auf ihrer Haut. So wie auch ich es tat. Doch irgendwann hörte ich wie die ersten Papier knisterten. Schmunzelnd atmete ich tief durch und lauschte den Pinseln und wie sie auf dem Papier tanzten. So lange bis alles wieder still wurde.

"Es gibt mehrere Möglichkeiten. Ihr könnt mir das Papier abgeben und ich werde es lesen. Ihr könnt in den Korb neben mir greifen, das Papier anzünden und es die Klippe hinab werfen. Oder ihr behaltet es und bewahrt es auf. Bei jeder einzelnen Möglichkeit wird keiner erfahren wem welches Blatt gehört. Es ist eure Entscheidung. Wenn ihr euch entschieden habt, dürft ihr wieder gehen. Der Unterricht ist für heute beendet."

Ich ließ meine Augen geschlossen und hörte wie einer nach dem anderen aufstand. Ich hörte wie sich die Blätter hinter mir stapelten bevor sich die Jungs entfernten. Nur ein einzige Mal hörte ich das Flackern eines Feuers bevor es in der Tiefe verstummte. Doch ich schaute nicht auf. Ich wollte nicht wissen wer es verbrannt hatte. Ich sollte es nicht wissen, es war nicht für mich bestimmt. Es war ein Geheimnis das dieser Junge in sich tragen wollte. So wie auch ich von Geheimissen geziert wurde. Die Schritte verstummten langsam als ich durchatmete und meine Augen öffnete. Die Sonne war vollständig aufgegangen und die Straßen mittlerweile belebter. Ich sah das Leben das durch diese Stadt floss und mittlerweile verließ mich das Gefühl das alles innerhalb dieser Mauern schlecht war. Ich begann zu verstehen, was es Gutes gab. Etwas das die Königin nicht sah. Ich drehte mich um und sah einen ordentlich gelegten Stapel an beschriebenen Blättern. Die Pinsel und Farben lagen sortiert im Korb. Schmunzelnd nahm ich die Blätter an mich und begann sie mir durchzulesen. Einige Schriften waren wirklich gut und gaben mir das Gefühl als wären die Jungs wirklich in sich gegangen. Doch auf einem Blatt stand in großer Schrift einzig und alleine das Wort: DU. Schmunzelnd fuhr ich mit meinem Finger die schwarzen Linien nach. Ich wusste das dies nur von Sooho kommen konnte. Ich spürte wie ein warmes Kribbeln durch meinen Körper sauste, das mir ein breites Lächeln auf die Lippen zauberte. Ich stellte mir vor wie er dieses Wort geschrieben hatte, ich stellte mir vor wie er dabei lächelte und seine Augen diesen üblichen goldenen Schimmer in sich hatten. In diesem Moment wünschte ich mir das er an meiner Seite war. Genau hier und jetzt. Im Sonnenaufgang des neuen Tages. Er sollte wissen das ich genauso empfand. Er sollte wissen das es in meinen Gedanken genauso nur um ihn ging. Doch ich fragte mich auch welches der Schriften von Dog-Bird war. Ich blätterte mich hindurch und fand ein Blatt auf dem die Worte standen: Dich beschützen. Ich schmunzelte und blickte wieder auf die Stadt. Meine Frage war beantwortet.


King || Soo Ho Rang FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt