ʀᴇᴀʟɪᴛʏ

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Man merkt erst, dass man geträumt hat, wenn man aufwacht und die Realität einen so heftig empfängt, dass man den Halt unter den Füßen verliert.
Es ist wie, als würde man in einer Seifenblase gefangen sein, die immer höher und höher geflogen ist und irgendwann zum Platzen gebracht wurde.
Man stürzt ab und landet so schmerzhaft auf dem Boden, dass man erstmal ein paar Augenblicke braucht um sich an den plötzlichen neuen Eindruck zu gewöhnen.

In diesem Fall war Jin derjenige, der meine kleine perfekte Welt zum Platzen gebracht hatte.
Ohne das er es wusste.

„Oh du bist wach", meinte er nur und lächelte mich leicht an. Ich blinzelte einfach nur verwirrt in das gedämpfte Licht meiner Nachttischlampe und versuchte zusammen zusetzen, was gerade passierte.
Mir war immer noch kalt und mein Kopf tat weh, sobald ich versuchte mich irgendwie zu bewegen.
Ich spürte etwas hartes in meinem Rücken und stellte fest, dass ich auf dem Boden neben meinem Bett lag.

„Wie... bin ich hier hin gekommen?", fragte ich und gab mir keine Mühe meine Verwirrung zu verbergen.

Ich fiel nie aus dem Bett.
Und schon gar nicht konnte ich seelenruhig ohne meine Decke weiterschlafen. Mein Körper kühlte in der Nacht extrem schnell aus.
Es grenzte an ein Wunder, dass ich durch die Temperaturen nicht aufgewacht war.

„Du bist rausgefallen?", meinte Jin nur achselzuckend und erst jetzt fiel mir das Glas Wasser in seiner Hand auf. Er hatte doch nicht etwa vorgehabt mich damit zu wecken...

„Was wolltest du damit?", fragte ich misstrauisch und deutete auf das Wasser.
Zuerst verwirrt sah Jin auf das Glas und dann wieder zu mir. Wahrscheinlich hatte er meinen warnenden Blick richtig gedeutet, denn er hielt das Wasser nur leicht an seine Lippen.

„Ich... hatte Durst. Nichts weiter. Nur Durst", lächelte er, doch ich wusste genau, dass er log. Jin war wie ein offenes Buch.
Jedoch hatte ich im Moment keine Lust mich mit ihm zu streiten. Meine Füße waren so kalt, dass ich langsam anfing das Gefühl in den Zehen zu verlieren, weshalb ich schnell nach einem Paar Socken griff und sie anzog. Der Ältere trank währenddessen das Wasser aus und beobachtete mich danach dabei, wie ich meine halb abgefrorenen Füße wieder einpackte.

Wir beide sagten eine Weile nichts, bis das leuchtende Ziffernblatt meines Weckers, meine Aufmerksamkeit weckte.
Freitag, 6:33 Uhr.
Heute würde ich mich mit Jimin für diesen Aufsatz treffen.
Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich ignorierte Jin, der fragend eine Augenbraue hochgezogen hatte.

Als mein Blick jedoch zu meinen blassen Beinen und den geringelten Kuschelsocken wanderte, fiel mir auf was das hieß. Heute würde ich mich mit Jimin treffen.
Dem echten Jimin.
Dem Jimin, der einen solchen Hass auf mich hatte, dass er in den letzten zwei Tagen keine Situation ungenutzt gelassen hatte, um mich irgendwie bloßzustellen.

„Ist irgendwas?", fragte Jin dann doch und hielt damit meine Gedankenachterbahn an. Ich überging seine Frage und zog mich langsam hoch um mich zurück auf mein Bett zu setzen, das um einiges bequemer als der Boden war.

„Ich bin heute nach der Schule verabredet-", fing ich an und überlegte wie ich ihm am besten beibringen konnte, dass es sich bei der Verabredung um die Person mit den zwei Gesichtern handelte und ich mich ausgerechnet mit der Arschloch Version treffen musste.

„Ein Mädchen? Wie heißt sie? Ist sie süß?", unterbrach Jin mich und sah augenblicklich zehn mal wacher aus, als vorher.

„Ein Junge. Jimin. Und es ist kein Date, wir arbeiten einfach nur zusammen an einem Aufsatz. Bei ihm zuhause", musste ich Jin seine Hoffnung nehmen, doch ich vermutete, dass ihn diese Aussage nur noch glücklicher machte. Jedenfalls sagte mir das sein Grinsen was noch breiter geworden war.

Nightmares  ⇢  YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt