ʟɪʙʀᴀʀʏ

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„Nuri?", fragte ich und konnte nicht anders als erleichtert durchzuatmen. Auch wenn ich nicht gerade mit einem Serienmörder gerechnet hatte, war es schon entspannender zu wissen, dass der Schatten nur die kleine siebenjährige Schwester von Jimin war.

„Hallo", antwortete sie schüchtern und senkte den Kopf, während sie verlegen auf den Kuscheltier Koala in ihren Händen starrte.

Ihre schwarzen Haare waren offen und glänzten leicht im fahlen Licht, was von draußen herein schien. Einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht, als sie nach unten sah und wenn ich nicht gewusst hätte, dass Nuri nur ein kleiner, süßer Energieball war, dann würde sie als das gruselige Psychomädchen aus einem Horrorfilm durchgehen.

„Was machst du hier noch? Es ist halb zwei", fragte ich sie, auch wenn es eigentlich nicht berechtigt war. Es war ihr Zuhause und ich hatte ihr nichts vorzuschreiben. Und außerdem war ich ja kein Stück besser.

„Ich kann nicht schlafen. Das Gewitter ist zu laut", murmelt sie leise und sah wieder auf. Ihr Blick blieb allerdings an meinen Beinen hängen, was mich etwas nervös machte, doch ich sagte nichts dagegen.
Zumal ich mir zuerst Gedanken machen sollte, was ich darauf antworten sollte. Ich konnte ihr schlecht anbieten mit zu Jimin und mir zu kommen. Aber sie einfach zurück in Bett zu schicken, traute ich mich nicht.

„Deine Beine sind so blass. Es sieht aus als würden sie leuchten", flüsterte sie und ich sah überrascht über diese Bemerkung auf meine Beine, die tatsächlich schneeweiß waren und sich so in der Dunkelheit, deutlich von meiner Umgebung abhoben.
Ich verbrachte nie länger als nötig Zeit in der Sonne und trug auch immer lange Hosen, wenn ich draußen war, sodass es wirklich sein konnte, dass meine Beine nie wirklich Sonnenlicht gesehen hatten.

Wie sollte ich bloß mit ihr ein richtiges Gespräch führen, wenn sie immer wieder von einem Thema abschweifte und zu einem nächsten überging, dass mich komplett verwirrte.
Genau in diesem Moment sah sie wieder auf. Dieses Mal direkt in mein Gesicht.

„Wolltest du nicht wieder schlafen gehen?", fragte sie mich und ich schüttelte kurz den Kopf um meine Gedanken zu sortieren. Das Zittern meiner Hand wurde langsam lästig, doch ich konnte nichts dagegen machen.

„Ja... also nein. Wenn du... Gesellschaft brauchst oder so, dann kann ich gern noch ein bisschen mit dir wachbleiben", versuchte ich es, woraufhin ihr Gesicht anfing zu strahlen. Sofort stellte ich mich darauf ein, mir gleich seltsames und langweiliges Gerede einer Siebenjährigen anzuhören, doch Nuri zuliebe setzte ich ein Lächeln auf und hockte mich hin, sodass ich mit ihr auf Augenhöhe war.

Plötzlich donnerte es erneut und das Grollen durchfuhr den leeren Flur wie eine Welle.
Wie vorhin auch, wurde Nuri sofort panisch, rannte zu mir und schlang ihre Arme um meinen Hals.
Zitternd vergrub sie ihr Gesicht in Jimin's T-Shirt.

Zuzusehen wie Jimin sie beruhigt hatte, war so viel einfacher, als jetzt selbst die Kleine in den Armen zuhalten.
Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte, weswegen ich ihr einfach unbeholfen über den Rücken strich und mich ganz hinkniete, sodass ich nicht mehr das Gleichgewicht verlieren konnte.

„Alles gut. Dir passiert nichts. Ich bin bei dir", versuchte ich sie zu beruhigen, was nach einer Weile dann auch funktionierte und sie sich von mir löste. In ihren Augen glänzten Tränen, doch sie hatte nicht geweint.

Ohne richtig zu wissen, was ich hier tat, fuhr ich mit meinen Fingern über die weiche Haut ihrer Wange und lächelte sie leicht an.

Nightmares  ⇢  YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt