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Aidan

„Unfassbar", knurrte Addie. Dem konnte ich mich nur anschließen. Unfassbar. Unfassbar.

Unfassbar!

Ich konnte es nicht fassen!

In meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken herum, dass ich befürchtete, auch nur ein weiteres Wort von Addie, Chase oder Trev würde meinen Schädel zum Explodieren bringen.

Beverly lebte.

Diese Erkenntnis traf mich immer wieder aufs Neue, jedes Mal mit einem anderen Gefühl. Erst mit Erleichterung. Dann war es Glück. Plötzlich war es Enttäuschung. Dann auf einmal Trauer. Und jetzt war ich wütend. Ein bisschen verloren fühlte ich mich bestimmt auch.

Nein, eigentlich war mir nur schlecht. Alles drehte sich. Stimmen verschwammen in meinen Ohren.

Ich hatte das Gefühl, dass alles eine Lüge war. Einfach alles. Die ganzen letzten acht Monate waren eine einzige, komplette, riesige, beschissene Lüge gewesen und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Alles was in den letzten Monaten passiert war, rauschte an mir vorbei. Von Beverly's Tod, bis hin zu der Begegnung mit Fabiana, bis zu diesem Augenblick.

Meine Schwester sah so aus, als würde sie Chase jeden Moment die Lunge mit den Zähnen herausreißen. Trev kam zu ihr und legte ihr beruhigend die Hände auf die Schultern. Offenbar war der Streit über Kinder in den Hintergrund gerutscht.

„Du bist so ein Mistkerl", fuhr Addie fort und fixierte Chase wütend. „Du sagst, dass meine Aktion von letzter Woche beschissen war, aber dass du uns seit Monaten anlügst, das geht klar?!"

Chase gab darauf nichts, sondern ging lediglich in die Küche, um sich ein Glas Scotch einzugießen. Ich konnte ihn nicht verstehen. Ihm schien das alles nicht wichtig zu sein. Nein, er flüchtete wieder ins Alkoholland.

„Ich rede mit dir!"

„Addie." Trev sah sie mahnend an. „Lass es gut sein."

„Er hat uns belogen, macht dich das nicht sauer?!"

Trev seufzte. Ich wusste, warum er so ruhig blieb. Er war sauer auf Chase, aber er hatte mit Beverly nie viel zu tun gehabt. Anders als Addie. Anders als ich. Er war vermutlich eher schockiert über die Tatsache, dass sie noch lebte, als darüber, dass keiner von beiden etwas gesagt hatte.

Addie nahm ihr neues Loyalitätsversprechen offenbar sehr ernst, denn sie hatte keine Sekunde gezögert, sich auf meine Seite zu schlagen, die ziemlich offensichtlich gezeigt, was ich gewollt hatte.

„Geht es dir gut?", fragte Trev und erst nach einigen Sekunden wurde mir bewusst, dass er mich gemeint hatte. Er sah mich besorgt an, aber ich konnte nicht antworten. Mir war einfach nur schlecht.

Ich griff nach meinen Schlüsseln und verließ blitzschnell die Wohnung. Meine Schwester rief mir nach, aber ich konnte jetzt keine Diskussionen über Beverly hören. Ich musste in eine Beverly-freie Zone kommen.

Meine Schwester dachte vermutlich, dass ich weglaufen und mir irgendwo Drogen besorgen würde, aber ich setzte mich lediglich in mein Auto und fuhr los. Meine Hände zitterten, also umschloss ich das Lenkrad noch fester. Mein erster Gedanke war, zu Rose zu fahren und sie zu fragen, ob sie von Beverly's Überleben gewusst hatte, bis mir wieder einfiel, dass sie ja tot war. Dass ich auf ihrer Beerdigung gewesen war. Dass Beverly auch dort gewesen war. Plötzlich hatte ich das Gefühl, in jeder Fußgängerin Beverly zu erkennen. Nach ein paar Minuten musste ich anhalten, kletterte aus dem Auto, torkelte an den Straßenrand und übergab mich in die Büsche.

Beverly lebte. Sie lebte schon seit acht Monaten. Und sie hatte nichts gesagt. Sie hatte mich hier sitzen und mit ihrem Tod hadern lassen.

Erschöpft ließ ich mich wieder hinters Steuer fallen. Wo war ich überhaupt? Jedenfalls nicht mehr in Fresno. Irgendwo, in einer unbelebten Gegend.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt