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Aidan

Die glücklichen Familien sind doch alle gleich. Es sind die unglücklichen, die eine eigene Geschichte haben.

Das hatte Addie mit sechzehn einmal gesagt. Wie es dazu gekommen war, wusste ich gar nicht mehr, aber dieser Satz klebte in meinem Kopf fest. Damals hatten Addie und Mom oft gestritten, meist wegen Trev, und Addie hatte mehr als einmal damit gedroht, von zu Hause wegzulaufen.

Ich hatte es leider nicht geschafft, ihr aus dem Weg zu gehen, als ich heute Nachmittag nach Hause gegangen war und ein paar Sachen gepackt hatte. Ähnlich wie gestern, hatte sie auf mich gewartet, nur war sie diesmal nicht enttäuscht, sondern hochgradig sauer auf mich gewesen.

„Wenn Vaya dich nicht schützen wollte, würde ich dir jetzt deine verdammten Augen auskratzen!", hatte sie geschrien. „Ich sollte dir die Lunge rausreißen und die Nieren rausprügeln!" Während ich die große Sporttasche gepackt hatte, hatte ich versucht, Addie und ihre Mordfantasien zu ignorieren. Aber man konnte sie nicht ignorieren. Jeder, der es je versucht hatte, wusste das.

Sie hatte mich deutlich spüren lassen, wie gerne sie mich geschlagen hätte, für das, was ich gestern getan hatte. Ich hatte versucht, die ganzen berechtigten Vorwürfe auszublenden, und nicht daran zu denken, dass ich mit Axt und Hammer auf ihre Beziehung mit Trev eingeschlagen hatte.

Sie hasste mich.

Das hatte sie auch mehrmals gesagt.

„Hast du nichts dazu zu sagen?!" Ich hatte lediglich den Reißverschluss der Tasche zugezogen. „Und jetzt fliegst du allen Ernstes mit dieser Dämonenschlampe nach New York?! Einem wildfremden Mädchen, das behauptet, deine Zwillingsschwester zu sein und plötzlich mehr Rechte bei dir zu haben scheint, als ich? Willst du mich eigentlich komplett verarschen?!" Und dann hatte sie gesagt, dass ich bloß nicht zurückkommen bräuchte, würde ich jetzt einfach so verschwinden. Dass sie mir nie verzeihen würde, mich auf den Tod hasste und ich doch in New York verrecken solle, damit sie auf meinem Grab tanzen könne.

Und ich war trotzdem gegangen.

„Aidan?" Jo riss mich aus meinen Gedanken und nickte zu der blonden Flugbegleiterin am Check-In, die meinen Pass und mein Ticket sehen wollte.

Unfassbar, was ich vorhatte.

Einerseits kam es mir wie ein abgedrehter Traum vor, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht einfach in meinem Bett aufwachen würde.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mitkommst." Die Frau gab mir meinen Pass und das Ticket lächelnd zurück, und Jo und ich folgten dem älteren Ehepaar vor uns durch den Durchgang zum Flugzeug.

„Du musst nicht lügen", erwiderte ich lediglich. Es fiel mir immer noch schwer, sie anzusehen. Je öfter ich es tat, desto mehr Ähnlichkeiten erkannte ich zwischen ihr und mir. Außerdem erinnerte sie mich an Addie.

Sie stieß amüsiert den Atem aus. „Okay, ich wusste, dass du anrufen würdest."

Wir passierten die viel zu freundlichen Flugbegleiter am Eingang der riesigen Blechbüchse und drückten uns zwischen den Sitzreihen zu unseren Plätzen. „Ich sitze am Fenster", beschloss sie.

Das hatte Addie auch immer gesagt. Selbst, wenn wir nur unsere Tante und unseren Onkel in San Francisco besucht und nur eine Stunde im Flugzeug gesessen hatten.

Ich verstaute Jo's Tasche und meinen Rucksack in den Gepäckfächern und setzte mich neben sie.

Es war verrückt, was ich tat. Dieses Mädchen war eine Fremde. Und trotzdem wirkte sie irgendwie vertraut.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt