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Beverly

„Silber?"

„Silber."

„Bist du dir ganz sicher?", fragte ich zum gefühlt tausendsten Mal. „Davon hab ich noch nie gehört." Ich schüttelte fassungslos den Kopf. Chase zuckte mit den Schultern.

„Ich auch nicht."

Neugierig beugte ich mich über die Kücheninsel. „Was ist dann passiert?"

„Nichts." Chase vergrub seine Hände in seinen Jackentaschen.

In der heutigen Nacht war es ziemlich abgekühlt und in diesem Haus gab es keine Heizung, nur eine offene Feuerstelle, und ich hatte keine Ahnung, wie ich ein Feuer machen sollte, ohne das Haus in Brand zu setzen.

„Nichts? Wie nichts? Hat sich ein Loch aufgetan, in dem das Mädchen verschwunden ist?"

„Laut Aidan ist sie aufgestanden und gegangen."

„Einfach so? Und du bist ihr nicht gleich hinterher?"

„Ich bin doch nicht bescheuert. Solange ich nicht weiß, was es mit den silbernen Augen auf sich hat, mach ich gar nichts." Das hatte Aidan wohl ähnlich gesehen. Ich an seiner Stelle wäre vermutlich aufgesprungen und dem Mädchen nachgerannt. Aber ich konnte nachvollziehen, warum er vielleicht zu geschockt gewesen war, um zu reagieren. Eben noch hatte er sein normales Leben zurückbekommen und schon im nächsten Moment wurde es wieder abnormal.

Chase hatte sich, nachdem Aidan ihm davon berichtet hatte, erst mal aus dem Staub gemacht und war zu Trish gegangen. Die Party hatte nur ein paar Straßen von ihrem neuen Haus entfernt stattgefunden. Er hatte sein Auto erst mal dort gelassen, bei Trish seinen Rausch ausgeschlafen und heute Morgen, bevor er hier her gefahren war, mit ihr über gestern Nacht diskutiert. Nur hatte sie auch noch nie etwas von einer silbernen Seelenfarbe gehört.

Das Erste, das mir eingefallen war, und das auch jetzt noch in meinem Kopf feststeckte, war, dass Aidan damals Vayas Stimme während Addies Besessenheit hatte hören können. Ich fragte mich unweigerlich, ob das etwas damit zu tun haben könnte, dass dieses Mädchen Aidan angeblich gesucht hatte.

In Gedanken versunken griff ich nach meiner Jacke, die über einem Stuhl hing.

„Was hast du vor?"

„Ich muss mich bewegen. Ich kann besser denken, wenn ich gehe." Ich sah Chase abwartend an und wir verließen gemeinsam das Haus. Ich sperrte nicht ab. In dieser Gegend lag die Einbrecherrate bei null Prozent. Und selbst wenn -einen Einbrecher hätte eine abgesperrte Türe nun wirklich nicht aufgehalten. Ich hatte keine Alarmanlage, größtenteils deshalb, weil ich keinerlei Wertsachen zu Hause herumliegen hatte und mein Bargeld in einer leeren Müslipackung versteckte. Eine Kreditkarte hatte ich noch, allerdings lief mein Konto nicht mehr auf meinen Namen. Chase war ziemlich unheimlich, wenn es darum ging, die Gesetze zu umgehen, etliche Regeln zu brechen und einen Menschen quasi nicht existent zu machen. Meine neue Identität gefiel mir jedoch nicht mal halb so gut, wie meine alte. Auf meinem Ausweisen hieß ich, sehr zu meinem Missfallen, Sophia Smith und war 1998 in Oklahoma geboren. Chase hatte zwei Monate gebraucht, um mir eine ganze Vergangenheit und neue Persönlichkeit zuzulegen. Es wäre eigentlich nicht nötig gewesen, weil sich vermutlich keiner in ganz Amerika für mich interessierte, der nicht an der Auferstehung von Beverly Kathrin Anderson und ihrem Dämon interessiert war. Und diese Menschen hätte ein Identitätswechsel wohl kaum aufgehalten.

Ich hatte es beunruhigend gefunden, dass Chase durch Modoc Zugriff auf Daten hatte, die ich im Leben nicht zu Gesicht bekommen hätte. Modoc war eben nicht nur ein Gebäude, sondern eine verdammte, weltweite Organisation, zur Dämonenvernichtung. Zum Glück war ich, was das anbelangte, aus dem Schneider. Und obwohl ich dankbar für Chase' Hilfe war, so fand ich es manchmal immer noch irritierend, dass sich seine Meinung über mich plötzlich um hundertachtzig Grad gewendet hatte.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt