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Beverly

Eines hatte mich der gestrige Abend gelehrt. Egal, ob Trish blond, brünett, schwarzhaarig oder erdbeerblond war: Sie war eine Ikone der Schönheit.

Ich hatte ihr drei verschiedene Echthaarperücken besorgt, damit sie sich mit einer großen Sonnenbrille bewaffnet auch mal tagsüber auf die Straße trauen konnte. Niemand vermutete eine als entführt gemeldete Person am helllichten Tag in einem Shopping Center, oder?

Gestern Abend hatte ich ihr die Haare geschnitten. Nicht so kurz, wie die von Addie, aber ein gutes Stück war weggekommen, weil sie sonst kaum unter die Perücken gepasst hätten. Danach hatte ich mir von Videoanleitungen beibringen lassen, wie man Haare so eng wie möglich am Kopf flechtet, um dann die falschen Haare problemlos überstülpen zu können. Trish hatte ihre Augenbrauen dunkler gefärbt und jeweils die Haaransätze mit Make-up und Lidschatten verblendet. Wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich bei keinem der Endresultate gedacht, dass es sich um ein rothaariges Mädchen mit Perücke handelte.

Heute hatte sie sich für die braunen Haare entschieden und ihre Sommersprossen überschminkt. Die riesige Sonnenbrille konnte auch nur ihr stehen. Da sie meinte, jetzt endlich violette Sachen tragen zu können, hatte sie sich einen dunkelvioletten Pullover und eine schwarze Hose von mir geliehen.

Kommen wir aber noch mal zu dem Part mit dem Shopping Center zurück, den hatte ich nämlich immer noch nicht ganz verdaut. Trish wollte es sich nämlich nicht nehmen lassen, Chase ein Weihnachtsgeschenk zu besorgen. Ich war ein bisschen verwirrt gewesen, aber da ich selbst noch nichts für Aidan hatte, hatte ich zugestimmt.

Nur glaubte ich nicht recht, was ich gerade tat. Wozu Trish mich überredet hatte.

Und ich hatte keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, dass ich mich jetzt mit ihr in einem Dessousladen befand.

Tatsächlich hatte ich solche Läden noch nie in meinem Leben betreten. Mein Unterwäschesortiment war klein. Alles war entweder schwarz oder grau und hatte weder einen besonders hübschen Schnitt, noch Schleifchen, Spitze, oder was manche Frauen sonst noch glaubten, an ihrer Unterwäsche zu brauchen. Und gekauft hatte ich das Zeug in normalen Läden für ein paar mickrige Dollar pro Stück.

Hier kostete ein BH schon mal fünfzig Kröten. Für das Geld kaufte ich mir lieber Donuts oder Chai Latte. Oder beides.

„Was sagst du dazu?" Trish hielt einen knallroten, praktisch durchsichtigen Tanga mit weißen Plüschbommeln hoch.

„Ich fühl mich schmutzig", sagte ich, ohne eine Miene zu verziehen. „Ich fühl mich schmutzig, wenn ich das Ding nur ansehe." Trish lachte und betrachtete das Stoffteil. „Und danke, dass du mein unschuldiges Bild vom Weihnachtsmann zerstört hast." Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Außerdem dachte ich, du wolltest ein Geschenk für Chase kaufen."

„Die sind ja auch für Chase gedacht", zwinkerte sie.

Ich nickte langsam. „Verstehe. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ihm ein knallroter Tanga mit Bommeln steht."

Sie lachte und sah mich dann leicht verstört an. „Okay, jetzt hast du meine Vorstellungen kaputt gemacht."

Sie legte den Tanga zurück und schlenderte weiter durch den Laden. Ich folgte ihr. „Fällt dir was ein, was ich Aidan schenken könnte?"

Sie deutete grinsend um sich, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich bleibe bei meinen Omaunterhosen, vielen Dank." Wieder lachte sie und strich sich eine braune Haarsträhne hinters Ohr. Lange hatte ich sie nicht mehr so enthusiastisch und glücklich erlebt.

„Du könntest ihm auch ein Gehirn im Glas schenken", schlug sie vor. Ich blinzelte sie an.

„Er ist Neurostudent, kein Psychopath."

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt