Beverly
Ich schlug die Augen auf.
Völlig verwirrt sah ich mich um.
Erst nach ein paar Sekunden begriff ich, dass ich bei mir zu Hause war und in meinem Bett lag.
Nach dem ganzen Trubel und meines beständigen Schlafmangels, war ich praktisch zusammengeklappt und Chase hatte mich nach Hause gefahren. Ich erinnerte mich noch daran, dass er gemeint hatte, sich selbst für ein paar Minuten aufs Ohr zu hauen, aber als ich nun in die Küche trabte schlummerte er immer noch auf der Couch vor sich hin.
Müde setzte ich Wasser für einen Tee auf und warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb elf Uhr nachts. Trev war vor knapp vierundzwanzig Stunden aufgewacht. Um acht Uhr vormittags etwa, hatte mich jegliche Kraft verlassen. Also hatte ich etwa fünfzehn Stunden geschlafen, wenn man die Autofahrt hier her mit einberechnete. Und ich war immer noch müde. Verschlafen setzte ich mich an die Kücheninsel und rieb mir übers Gesicht.
Ich war ja froh, dass Trev aufgewacht war, wirklich, aber ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Zwar war ich lange genug im Krankenhaus geblieben, um die Resultate diverser Tests von Addie zu erfahren, aber es konnte nicht sein, dass ihm nichts fehlte. Dass er völlig gesund war. Dämonen spielten nicht fair. Und Vaya schon gar nicht.
Oder vielleicht wollte ich auch einfach nicht glauben, dass einmal etwas Gutes passierte, einfach, weil auf jeden Höhenflug ein Absturz folgte. Das war ein Gesetz.
„Adeline, bitte sag mir nicht, dass du Trev mit irgendwas Übernatürlichem am Leben gehalten hast!", hatte Dr. Campbell geflucht. „Okay", hatte Addie schulterzuckend geantwortet. Sie war viel zu glücklich darüber gewesen, dass es Trev gut zu gehen schien, als dass ihr eine Standpauke ihrer Mutter die Laune verdorben hätte.
Sie hatte Addie auf dem Flur abgefangen und ihr erzählt, dass das Krankenhaus kurz davor war, Klage gegen sie, Trish und Aidan zu erheben, weil sie Mitten in der Nacht (unsteril, wie Dr. Campbell mehr als einmal betonte) auf die Intensivstation gegangen waren (Aidan und Trish ohne Erlaubnis, nebenbei bemerkt) und einen riesen Krach veranstaltet hatten. Addie hatte einem Wachmann sogar die Nase gebrochen und den einzigen Joker, den sie und Aidan hatten, war Mrs. Campbell, die die Mutter-Karte spielen konnte. Das galt jedoch nur für Addie und Aidan. Und eine Klage hätte Trish gerade noch gefehlt.
Natürlich hatte das Gespräch zwischen Mutter und Tochter nicht in meiner Anwesenheit stattgefunden. Und ich hatte mich nicht wohl dabei gefühlt, mich hinter einer Ecke zu verstecken und die Beiden auf dem Gang zu belauschen.
„Adeline! Das ist nicht lustig! Was hast du getan?"
„Nichts, das der Rede wert wäre. Es geht ihm doch gut!"
„Sicher nicht sonderlich lange."
„Und das kannst du beurteilen, weil? Du hast doch keine Ahnung!"
„Ich weiß mit Sicherheit immer noch mehr über Vaya als du. Die Abenteuer von ihm und deiner Großmutter waren meine Gutenachtgeschichten!", hatte Addie's Mutter geknurrt. „Denkst du, dass dein Handeln ohne Konsequenzen bleibt? Du kannst nicht einfach herumlaufen und deinen Dämon in das Schicksal anderer Menschen eingreifen lassen!"
„Er hatte längst in Trev's Schicksal eingegriffen! Ich hab es nur korrigiert." Dass Addie jetzt mit Vaya verbunden war, hatte sie ihrer Mutter verschwiegen.
Während ich meinen Chai Tee zu einem Chai Latte anrührte, überlegte ich, weitere Tagebucheinträge zu übersetzen, da ich mit dem letzten Rest, den Trish herausgeschrieben hatte, noch lange nicht fertig war. Nach zehn Minuten fühlte ich mich tatsächlich fit genug und zog ihre Notizen aus meiner Tasche. Dabei fiel mir ein, dass meine Zeichenmappe noch immer im Krankenhaus war. Ich hatte sie unter den Kissen der Couch in Dr. Campbells Büro versteckt.

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Cursed Boy (Band 2)
Paranormal„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...