Aidan
Eine Beerdigung alle fünf Jahre ist das Maximum, das ein Mensch erfahren sollte.
Das hatte Addie einmal gesagt, als wir innerhalb von einem Jahr unsere Großmutter väterlicherseits, Erica, und eine Cousine mütterlicherseits, Mona, verloren hatten. Ich war damals zwölf gewesen und Addie hatte geweint, weil sie die Welt so ungerecht gefunden hatte.
Damals waren mir diese fünf Jahre, die Addie festgelegt hatte, zu wenig vorgekommen. Heute wären sie ein Segen gewesen.
Erst hatte ich im Frühjahr Beverly beerdigen müssen. Gut, sie war wieder auferstanden, aber die Trauerphase hatte ich trotzdem durchlitten. Dann war vor ein paar Wochen Rose gestorben. Und nun musste ich Fabiana beerdigen. Es war gerade einmal fünf Tage her, dass ich sie gefunden hatte, und jetzt stand ich alleine vor ihrem Grab in Terlingua.
Der Friedhof hier war recht groß mit vielen Grabsteinen, was vielleicht erklären würde, warum dieser Ort nur so wenig Einwohner hatte.
Ihre Familie hatte sich bereits von ihr verabschiedet, aber ich hatte nicht dabei sein können. Ich hatte nicht dabei sein wollen.
Ich hatte nicht sehen wollen, wie eine Holzkiste, in der Fabiana's zerfetzter Körper lag, in die Erde eingelassen und zugeschüttet wurde während ihre Familie am Boden zerstört war.
Nie hätte ich ihrer Familie beim Trauern zusehen können, auch, wenn es vielleicht egoistisch war. Sie hofften auf Antworten meinerseits, aber die konnte ich ihnen nicht geben.
Die letzten Tage waren an mir vorbeigezogen wie dumpfe Geräusche. Wie Meeresrauschen. Wie die Tage, nach denen Beverly gestorben war. Oft hatte ich daran gedacht, mir wieder Drogen zu besorgen. Der einzige Grund, warum ich es nicht getan hatte, war der, dass ich fand, dass Fabiana zu hart gearbeitet hatte, um mich da raus zu ziehen, als dass ich alles so leichtfertig wieder hätte wegwerfen können. Das hätte ich als respektlos ihr gegenüber empfunden.
Offiziell hatte eine Nachbarin Fabiana gefunden und die Polizei verständigt. Natürlich war auch ich zu dem Fall befragt worden, allerdings hatte ich gelogen und angegeben, dass ich lediglich ihre Sachen vorbeigebracht und James gefüttert hatte und danach wieder gegangen war, weil ich gedacht hatte, dass Fabiana mich nach der Trennung einfach nicht hatte sehen wollen. Und da ich zum Zeitpunkt ihres Todes (anscheinend) an der Uni gewesen war, hatte ich ein recht wasserfestes Alibi. Ihre Familie war verständigt worden. Trev hatte gemeint, dass der Fall vermutlich bald fallen gelassen werden würde, da es keinerlei gewaltsames Eindringen gegeben hatte und keine Spuren oder Hinweise an Fabiana's Leiche gefunden worden waren. Ein Einzelmord war kein Fall für das FBI, und die Polizei in Fresno war inkompetent und faul.
Diese Aussage hatte Trish mit heftigem Kopfnicken bestätigt.
Der Mord ihrer Mom und die Entführung gingen bereits durch die Medien, weshalb ich Trish auch seit einigen Tagen nicht mehr gesehen hatte. Sie verkroch sich bei Beverly.
Das war übrigens auch der Ort, den ich ansteuerte, nachdem ich etwa eine Stunde vor Fabiana's Grab geheult hatte wie ein Baby.
Warum ich nicht nach Hause fuhr? Wegen Addie und Trev. Es gab nämlich eine Sache, die schlimmer war, als den beiden beim Streiten zuzuhören. Eine Sache, von der ich nicht gedacht hatte, dass sie schlimmer sein konnte.
Und das war, den beiden beim Sex zuzuhören.
Vor drei Tagen hatte ich mich ins Wohnzimmer gesetzt und krampfhaft versucht, das Gestöhne der beiden zu ignorieren. Chase war irgendwann zur Türe herein gekommen und hatte augenblicklich hoch verstört ausgesehen. Das hatte ich von ihm bis zu diesem Augenblick nicht gekannt. Allerdings hatte er so ein Verhalten der beiden auch nicht gekannt.
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Cursed Boy (Band 2)
Paranormal„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...