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Aidan

Ich begann zu lachen, aber es klang wie das Lachen von einer verzweifelten Person, die langsam durchdrehte. Beverly schien immer noch nicht recht verstanden zu haben, was Addie's Nachricht zu bedeuten hatte.

„Meine psychisch labile Adoptivschwester will meine psychisch labile Zwillingsschwester umbringen." Die Worte an der Wand über Fabiana's Leiche hatten nie Beverly gegolten.

Ich hab ihre Lügen geglaubt, schoss es mir durch den Kopf. Wie hatte ich mich nur durch ihr Engelsgesicht und ihre Schauspielkünste täuschen lassen können?

Wieder vibrierte mein Handy.

„Was hat sie geschrieben?" fragte Beverly und wippte nervös auf und ab.

„Eine Adresse." Ich ließ mein Handy sinken.

Toll. Addie wollte also außerdem in einer billigen Krimiserie den Bösewicht spielen und mich irgendwo hinlocken. Am besten noch in eine verlassene Lagerhalle, irgendwo am Arsch der Welt.

Ich wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden und sprintete direkt ins Wohnzimmer. Erst als ich die Wohnungstüre aufzog fiel mir auf, dass Beverly mir gefolgt war.

„Was machst du da?", fragte ich verwirrt und blieb stehen. Sie blinzelte mich mindestens genauso verwirrt an.

„Was meinst du?"

„Du kommst ganz sicher nicht mit", sagte ich entschieden und überlegte, in Chase' Zimmer nach Dämonenglas zu suchen, aber dafür war vermutlich keine Zeit.

Amüsiert stieß sie den Atem aus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wie ich das werde."

„Addie will dich umbringen", sagte ich ernst. „Hast du das vergessen?"

„Und was hast du vor? Willst du dorthin fahren und Addie umbringen, bevor sie Jo umbringt?" Gute Frage. Ohne Dämonenglas war der Umbringen-Part sicher kompliziert. Aber die Frage, die Beverly eigentlich gestellt hatte, war, ob ich dazu in der Lage war, meine Schwester zu töten.

Als Addie Fabiana umgebracht hatte, hatte ich sie umbringen wollen. Hätte Chase mich nicht aufgehalten, hätte ich es vielleicht sogar geschafft. Rückblickend betrachtet, wäre das gar nicht so schlecht gewesen, denn jetzt wusste ich nicht, ob ich es noch würde über mich bringen können.

„Natürlich nicht, aber mich würde interessieren, was du vorhast", sagte ich daher.

Sie blinzelte mich an. „Dass ich sie umbringe, bevor sie noch jemanden verletzt."

„Beverly-"

Sie hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. „Hör zu, du wirst mich nicht davon abhalten, mit dir mitzukommen, egal, was du sagst. Also kannst du es entweder akzeptieren und Zeit sparen, oder weiter mit mir diskutieren und Zeit verlieren. Deine Entscheidung -das Endergebnis wird das gleiche sein."

Ich hasste es. Ich würde fast so weit gehen, zu sagen, dass ich Beverly in diesem Moment hasste. Für ihre Naivität. Für ihren Leichtsinn. Für ihre Sturheit. Ich wollte sie nicht dabei haben, verdammt. Ich wollte Addie nicht noch ein Druckmittel liefern, das sie gegen mich einsetzen konnte. Und Beverly war ein tolles Druckmittel -ein weit besseres, als Jo es war. Und der einzige Grund, warum sie Jo benutzte und nicht Beverly, war entweder der, dass sie nicht noch einen Jäger und ihre ehemalige beste Freundin auf sich hetzen wollte, oder der, dass sie wusste, dass ich vor nichts Halt gemacht hätte, um Beverly zu beschützen. Ich würde sie nicht noch einmal verlieren.

Deshalb hatte ich nicht vor, sie mit mir kommen zu lassen.

„Ich hab keine Angst vor ihr", sagte Beverly dann, auch wenn es gelogen war.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt