Aidan
Es war ein seltsames Gefühl, am nächsten Morgen aufzuwachen. Für einen kurzen Moment dachte ich, alles nur geträumt zu haben. Bis mir einfiel, dass ich nicht grundlos in Fabiana's Bett lag, obwohl sie gar nicht zu Hause war.
Ich rollte mich aus dem Bett und versuchte nicht daran zu denken, dass ich gestern die größten Fehler meines Lebens begangen hatte. Zu lange sagte mir die kaputte Stimme in meinem Kopf, dass ich immer noch die Kontakte jener Leute in meinem Handy gespeichert hatte, die mir das Geld mit Drogen aus der Tasche gezogen hatten.
Aber so tief wollte ich nun wirklich nicht sinken.
Es war schließlich nichts Weltbewegendes passiert.
Nichts Weltbewegendes.
Die Welt war groß.
Ich war klein.
Es tat gut, mir einzureden, dass mein Leben nur eines von Milliarden war, und keine Bedeutung für den Rest der Menschheit hatte. Zumindest fiel es mir so leichter, mich auf heute zu konzentrieren. Ich spielte meinen Tag, der absolut normal verlaufen würde, in Gedanken durch. Es würde keine bösen Überraschungen geben. Am besten gar keine Überraschungen. Nur ich, mein Studium und Fabiana, die am Abend endlich von der Projektwoche mit den Kindern zurückkommen würde.
Um kurz vor neun setzte ich mich in mein Auto und fuhr an die Uni. Ich hatte nur drei Stunden, aber den Rest der Zeit verbrachte ich in der Bibliothek, um zu lernen. Vielleicht auch, um nicht nach Hause zu Addie zu müssen. Um vier zahlte es sich schließlich nicht mehr aus, nach Hause zu fahren, weil Fabiana ohnehin bald in ihrer Wohnung sein würde.
Über den Tag verteilt hatte ich etliche Anrufe von Addie, Trev, Chase und sogar Trish erhalten. Die Neuigkeiten hatten sich wohl schneller als erhofft verbreitet, aber was hatte ich erwartet? Dass Addie den Mund halten würde? Addie? Nicht zu vergessen, hatte sie vermutlich verheult und aufgelöst auf der Couch oder in ihrem Zimmer gesessen, als Trev aus Stanford nach Hause gekommen war. Dass mir das ein schlechtes Gewissen gemacht hätte, konnte ich nicht behaupten. Ich war sauer auf Addie, wusste aber nicht, warum.
Ich war keine halbe Stunde in Fabiana's Wohnung, als ich hörte, dass die Türe geöffnet wurde.
Endlich!
Ich brauchte etwas Normales. Einen Menschen, der nichts mit Dämonen und falschen Familien zu tun hatte. Jemanden, der einfach normal war. Ein normaler Mensch, mit einem normalen Job, einer normalen Familie und normalen Problemen.
Aber sie war nicht alleine. Nein, diese Freude wollte mir das Universum nicht machen.
Sie kam lachend herein. Und direkt hinter ihr stand Jo, die mich sofort entdeckte und anlächelte. Allerdings war es kein freundliches lange-nicht-mehr-gesehen Lächeln, sondern ein hinterlistiges dachtest-du-ich-verschwinde Lächeln.
Fabiana ließ ihre Tasche fallen, strahlte mich an und wollte mich vermutlich gerade umarmen, so, wie sich das für eine normale Freundin gehörte, aber ich stand schon wütend vor Jo, die mich unschuldig anblinzelte.
„Raus!", knurrte ich. „Verschwinde, ich will dich hier nicht sehen!" Sie passte nicht in mein normales Leben, verdammt! Sie musste gehen, bevor ich mich wieder daran erinnern würde, was ich gestern alles vermasselt hatte.
„Aidan!", stieß Fabiana überrascht aus. Ich sah sie nicht an, aber vermutlich hatte sie den Erzieherblick aufgesetzt, der ihr, wegen ihrer Arbeit im Kindergarten, in Fleisch und Blut übergegangen war.
„Schon gut." Jo winkte ab und lächelte sie an. „Ich sollte wohl wirklich gehen. Ich denke, ihr habt einiges zu bereden." Sie sah mir bedeutsam in die Augen. „Du weißt, wo du mich findest. Ich fliege am Sonntag nach New York." Mit diesen Worten verließ sie die Wohnung. Ich hasste es, dass sie diese Show vor meiner Freundin abgezogen hatte. Dem einzigen Menschen, der noch nicht in diese ganze Scheiße verwickelt war. Ich hätte gerne einmal fest gegen die Türe geschlagen, aber das wäre Fabiana dann wohl doch etwas zu viel gewesen. Sie sah mich immer noch irritiert an, als ich mich wieder zu ihr drehte, aber aufgrund von Jo's recht gelassener Reaktion, war sie nicht sauer. Gut, ein bisschen vielleicht. Aber das war normal.
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Cursed Boy (Band 2)
Paranormal„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...