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Beverly

Nie hätte ich gedacht, dass sitzen, warten und Nichtstun so anstrengend sein konnte. Man hätte meinen können, dass ich drei Jahre damit Erfahrung gemacht hatte, aber ich hatte in dieser Zeit nicht nichts getan. Ich hatte jede Sekunde Angst gehabt. Ja, ich war auch jetzt nicht völlig sorglos, aber ich musste nicht um mein eigenes Leben zittern.

Trish und ich hatten das Büro von Dr. Campbell nicht mehr sehen können, also hatten wir uns auf die Stiegen gesetzt. Von hier aus konnte man gut nach unten in die Eingangshalle und den Wartebereich sehen. Es war schon spät, die Besucher waren bereits weg und wir wurden wohl nur aus dem Grund nicht vor die Türe gesetzt, weil wir jedes Mal Dr. Campbell's Namen erwähnten, wenn wir gefragt wurden, was wir noch hier zu suchen hatten. Doch mittlerweile waren auch die meisten Krankenpfleger unsichtbar. Zu dieser Zeit kam mir das Krankenhaus verlassen vor. Aidan, Chase und Addie waren noch nicht wieder hier. Sita und Mitch waren kurz bei Trev gewesen, aber ich wusste nicht, ob sie noch hier oder schon weg waren.

Trish stieß einen angestrengten Seufzer aus und rieb sich über die Augen. „Bist du auch so müde, obwohl du den ganzen Tag nichts gemacht hast?" Ich nickte und sie ließ ihren Kopf gegen das Gelände sinken. Nachdenklich sah sie auf die verlassene Eingangshalle hinab. „Er behandelt sie manchmal wie einen Hund", bemerkte sie und zog die Augenbrauen zusammen. Dass sie von Trev und Addie sprach, war nicht schwer zu erraten.

Ich drehte meinen Kopf zu ihr und gähnte. „Ach ja?"

„Ja. Und ich meine damit nicht die angenehme Art. Aber er liebt sie." Sie zuckte mit den Schultern. „Glaube ich. Ich hab schon vor Jahren aufgegeben, diesen Menschen durchschauen zu wollen."

„Du magst Trev nicht sonderlich, oder?"

„Nein", antwortete sie trocken.

„Warum bist du dann hier?"

Sie sah mich irritiert an, aber gleichzeitig schlich sich ein Ausdruck in ihre Augen, als hätte sie darüber noch gar nicht so recht nachgedacht. „Weil... Naja, das macht man eben so, oder nicht? Wenn jemand im Krankenhaus liegt, mit dem man befreundet ist."

„Seid ihr nun befreundet oder nicht?"

„Keine Ahnung", gab sie schulterzuckend zurück. „Ja und nein. Er hat mir nie etwas getan und er ist auch nicht verlogen oder hinterhältig oder sonst was, aber... Keine Ahnung." Sie fuhr sich durch die Haare und ließ ihre Hände verschränkt in ihrem Nacken ruhen. „Addie liebt ihn wirklich. Ich glaube nicht, dass man einen Menschen mehr lieben kann. Selbst jetzt. Sie ist an Vaya gebunden, aber ich glaube nicht, dass sie ihn über Trev stellen würde. Niemals." Der Gedanke war mir auch schon gekommen. Aber das war doch eigentlich nicht möglich. „Ich frag mich nur, wie sie das schafft... Diesen verdrehten, nervtötenden Menschen so zu lieben."

Entweder konnte ich meinem Urteilsvermögen nicht mehr trauen, oder es schwang, unter der ganzen Missgunst, tatsächlich so etwas wie Wehmut in ihrer Stimme mit. Vielleicht, weil sie einen Menschen wegen ihres Dämons niemals so sehr würde lieben können? Ich glaubte nicht, dass Addie es konnte. Vielleicht wollte sie sich das selbst einreden. Wenn sie Trev über Vaya hätte stellen können, dann wäre sie ein Phänomen gewesen. Zumindest für mich.

Ob Aidan dasselbe für Fabiana empfindet, wie Addie für Trev?

„Ist das überhaupt gesund?", fragte ich skeptisch. „Diese Art von Liebe?" Trish schmunzelte.

„Vermutlich nicht..." Nachdenklich strich sie sich über die angezogenen Knie. „Aber wenn ihm was passiert... wenn er wirklich stirbt, dann... Sie wäre am Boden zerstört. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres, das ihr passieren könnte. Wenn mir etwas zustoßen würde, okay, damit könnte sie leben. Sie würde es auch verkraften, wenn Chase etwas passieren würde. Gut, wenn Aidan sterben würde, würde sie vermutlich Monate trauern, die Kostprobe haben wir ja gratis geliefert bekommen, aber wenn sie Trev verlieren würde..." Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Das würde sie nicht überleben."

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt