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Beverly

Am nächsten Morgen wachte ich gut gelaunt auf. Ich wusste nicht, warum das so war. Vielleicht war es ein natürlicher Schutzmechanismus, der Psyche, dass sie einfach von Zeit zu Zeit ohne besonderen Grund beschloss, dich glücklich sein zu lassen, wenn dir zu viel Scheiße widerfahren ist.

Ich war so gut gelaunt, dass ich auf die Schlafmütze neben mir kletterte und sie wachküsste. Seine Hände wanderten unter mein T-Shirt über meinen Rücken, noch bevor er seine Augen geöffnet hatte.

„Daran könnte ich mich gewöhnen", murmelte er lächelnd und öffnete dann mühselig die Augen. „Wie spät ist es?"

„Zu früh, um aus den Federn zu kriechen", meinte ich und ließ mich wieder auf ihn sinken. Aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass er gerade sonderlich in Stimmung war, rumzumachen.

„Was ist los?", fragte ich daher irritiert. Normalerweise war er so scharf auf mich, dass ich es in all seinen Bewegungen und Atemzügen spüren konnte. Jetzt wirkte er einfach nur wie eine gelangweilte, langsame Kassiererin im Supermarkt.

„Was soll los sein?"

„Du bist irgendwie... abweisend?"

„Ich bin abweisend?" Er lächelte. „Hab ich dich etwa von mir runtergeschubst und bin mürrisch aus dem Raum gegangen, ohne es zu merken?"

„Du weißt was ich meine", entgegnete ich und streichelte über seine Wange.

„Ich bin nur müde. Du hast mich geweckt."

Ich stieß einen theatralischen Seufzer aus, rollte mich von ihm runter und beschloss es darauf zu schieben, dass er erst vor drei Stunden aus New York nach Hause gekommen war.

Wir gingen ins Wohnzimmer, um zu frühstücken und Addie kotzte wieder im Bad.

„Wann lernt sie eigentlich, dass man nach drei Uhr nachts kein Ben&Jerry's essen sollte, wenn man es nicht verträgt?", fragte ich belustigt und hielt den leeren Eisbehälter hoch. Gestern war Addie recht gut drauf gewesen. Während Aidan im Flugzeug gesessen hatte, hatte ich Addie über meine Pläne für Irland informiert und wir hatten fast den ganzen Tag nur darüber geredet, was sie alles erlebt und wie ihr Leben dort ausgesehen hatte. Dass ich vermutlich mein Geld hier schon umtauschen, oder es spätestens am Flughafen tun sollte. Dass ich warme Sachen und besonders Schal und Mütze einpacken sollte.

Heute hingegen war sie wieder genau das miesepetrige Häufchen Elend, das sie seit Trev's Verschwinden -besser gesagt seit seinem Geständnis, mit einer anderen Frau geschlafen zu haben- war. Sie setzte sich mit dem riesigen Eimer Ben&Jerry's, den Chase ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, auf die Couch und fuhr mit ihrer Selbstbemitleidung und dem Frustfressen fort.

Gegen Mittag kamen Chase und Trish vorbei. Diesmal war Trish brünett.

„Wow!", bemerkte sie, als sie die Wohnung betrat. „Hat Trev sich wieder eingekriegt?" Ich fand es gewagt, seinen Namen in Addie's Gegenwart zu erwähnen, aber diese drehte sich nur verwirrt um.

„Was? Wovon redest du?"

Trish sah peinlich berührt aus und schien nicht zu wissen, warum Addie immer noch so fertig aussah. „Ist er nicht hier?"

„Siehst du ihn hier irgendwo?", fragte Addie mürrisch, deutete mit dem Löffel um sich und drehte sich wieder um.

„Was sollte das?", fragte Chase leise, aber Trish sah sich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen um.

„Ist was?", fragte ich.

„Eins, zwei, drei..." Sie zeigte auf Addie, Aidan und mich. „Vier." Jetzt auf Chase. „Fünf." Sie tippte sich selbst auf die Brust. Chase zog eine Augenbraue hoch, aber Trish wiederholte ihre Zählung.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt