Aidan
Ich hatte wirklich vergessen.
Ich hatte allen Ernstes vergessen, dass heute Weihnachten war.
Natürlich hatte ich kein Geschenk für Beverly besorgt.
Addie war seit Tagen nur noch am Kochen und Backen, weil Trev sich nicht meldete und sie auch keine Ahnung hatte, wo er sich versteckte. Außerdem futterte sie mehr Ben&Jerry's als jemals zuvor. Sie aß generell mehr als sonst, aber da sie den ganzen Tag in der Küche stand oder einkaufen ging, musste sie sich um ihre Figur wohl keine Sorgen machen.
Ihr typisches Frustfressen hatte jedoch zur Folge, dass sie auch Chase, Trish, Beverly und mich fütterte. Mehr als mir lieb war. Aber niemand sagte etwas dagegen.
Auch gegen die dekorierte Wohnung oder den funkelnden Christbaum und die Krippe darunter sagte niemand etwas, obwohl Trish die Einzige war, die Weihnachten um des Glaubens Willen feierte.
Als ich an diesem Morgen das Bad betreten wollte, wusste ich sofort, dass Addie wieder über der Kloschüssel hing, weil sie bis spät in die Nacht Kekse, Kuchen und Eiscreme in sich hineingestopft hatte. Allein bei dem Gedanken daran drehte sich mir der Magen um, also beschloss ich, heute auf den Kaffee zu verzichten und auf stinknormales Wasser umzusteigen. Nach guten zehn Minuten schleppte meine Schwester sich aus dem Bad.
„Oh, guten Morgen, frohe Weihnachten! Hast du Hunger? Ich hab Lebkuchen gebacken. Oder willst du lieber Zimtsterne?", fragte sie und lächelte mich an, als hätte sie nicht eben die aufgezählten Dinge die Kloschüssel runtergespült.
„Lebkuchen klingt gut", sagte ich trotzdem. Als ich ihr dabei zusah, wie sie die Lebkuchen liebevoll auf einem Teller arrangierte, war ich froh, die Ohrringe, die ich ihr gekauft hatte, nicht zurückgegeben zu haben.
Ich wollte mich gerade für das super ungesunde Frühstück bedanken, als Beverly ins Wohnzimmer kam.
„Morgen!", rief Addie freudestrahlend und Beverly zuckte zusammen. „Frohe Weihnachten!"
Sie sah noch ziemlich verschlafen aus und betrachtete Addie überrumpelt. „Frohe-"
„Was willst du essen? Lebkuchen? Zimtsterne? Irgendwo sind auch noch die Muffins, glaube ich."
Beverly blinzelte meine Schwester an. „...Weihnachten."
Chase und Trish durften ihren Tag ähnlich starten, wie Beverly und ich. Und wieder sagte keiner etwas. Addie war an Weihnachten immer hibbelig, weil sie es so sehr liebte.
Aber heute konnte sie nicht still sitzen, weil sie es so sehr hasste. Weihnachten ohne Trev.
Sie kochte allen eine heiße Schokolade und futterte dabei ein paar Zimtsterne.
„Ich hoffe, du magst mich noch, wenn ich nach den Feiertagen zehn Kilo mehr wiege", witzelte Beverly leise. Ich musste schmunzeln.
„Hast du nicht mal gesagt, dass dir dein Gewicht am Arsch vorbei geht, und du dir neue Hosen kaufst, wenn die Alten nicht mehr passen?"
Sie blinzelte mich überrascht an und musste dann lächeln. „Das weißt du noch?"
Ich biss von meinem Lebkuchen ab und grinste sie einfach nur an.
„Okay!" Addie klatschte freudig in die Hände und Chase zuckte zusammen. Die Feiertage hatten seiner Leber und seinem Kopf mal wieder zugesetzt. Weihnachtszeit war Eierlikörzeit. „Geschenke! Es wird Zeit!" Normalerweise hielten wir die kleine Geschenkaustauschrunde immer nach den Familienbesuchen ab, aber ich hatte unseren Eltern abgesagt. Addie hätte ohne Trev aufkreuzen müssen und ob sie es übers Herz gebracht hätte, unserer Mutter die Trennung zu beichten, wusste ich nicht. Und ob sie darüber lügen konnte, war noch viel fraglicher, weil sie jedes Mal zu weinen begann, wenn nur von ihm die Rede war.
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Cursed Boy (Band 2)
Paranormal„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...