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Aidan 

Sturmklingeln beschreibt nicht einmal ansatzweise meine Aktion vor der Haustüre meiner Eltern. Es kam mehr als selten vor, dass ich hier aufkreuzte und meist schlich ich mich eher ins Haus, als dass ich meinen Besuch lautstark bekanntgab. Das Auto von meinem Dad stand nicht in der Einfahrt, aber das von meiner Mom. Als keiner aufmachte, ging ich um das Haus herum, schwang mich über den Holzzaun und hämmerte gegen die Hintertüre, wobei meine Faust Abdrücke auf dem Glas hinterließ.

Meine Mutter kam nach wenigen Sekunden die Treppen herunter und sah mich überrascht an.

„Aidan Campbell!", fauchte sie, als sie die Türe aufschob. Sie trug ein enges schwarzes Kleid, einen Blazer und teuren Schmuck. Vermutlich war heute irgendeine Veranstaltung oder Spendenaktion des Krankenhauses, auf der sie glänzen wollte. Woher Addie ihr hübsches Gesicht hatte, stand außer Frage. „Hast du den Verstand verloren?" Ich drängte mich an ihr vorbei ins Haus. Meine Mutter folgte mir ins Wohnzimmer. Ich verspürte eine solche Wut in mir, dass ich mich nicht einmal traute, etwas zu sagen. Ich hätte vermutlich gebrüllt. Nicht, weil ich auch nur ein Wort von dem glaubte, das Jo mir gesagt hatte, sondern weil sie die Dreistigkeit besessen hatte, mir so etwas einfach ins Gesicht zu sagen. Mich einfach anzulügen.

Ich war mir nicht ganz sicher, warum ich hier war. Was wollte ich sagen? Mom, habe ich eine Zwillingsschwester, die die Ärzte auf der Entbindungsstation verloren haben? Oh, und bevor ich es vergesse, warst du während deiner Schwangerschaft zufällig von einem Dämon besessen und hast vergessen, das zu erwähnen?

Ich wusste nicht einmal, wie ich dieses Thema hätte anschneiden sollen und trotzdem tigerte ich im Wohnzimmer des Hauses meiner Eltern  auf und ab.

„Aidan!" Meine Mutter hielt mich energisch an. „Was ist nur los mit dir? Hast du jemanden überfahren?" Obwohl sie genauso kalt wie immer wirkte, sah ich die Beunruhigung in ihren Augen. Immerhin war ich ihr nicht völlig egal.

Ich knetete meine Hände. Mir war heiß. Nein, kalt. Warum hatte ich mich mit Jo treffen müssen? Mein Herz pochte wie wild. Warum fühlte sich alles so viel intensiver an? Fühlte Beverly sich so bei einer Panikattacke?

Beverly.

Wieso hatte ich sie kennenlernen müssen? Wieso hatte sie mein Leben zerstören müssen?

Ich musste nach Hause. Ich musste Addie davon erzählen. Das war doch verrückt. Und ich musste mit Chase reden. Er musste dieses wahnsinnige Mädchen von mir fern halten.

„Setz dich, Liebling." Liebling? Hatte Mom gerade wirklich mit mir gesprochen? Sie legte eine Hand auf meinen Rücken und schob mich zur Couch. „Du bist ja so blass wie eine Leiche." So fühlte ich mich auch. Ich begann zu zittern. Ich hätte meine Augen schließen und mir die Ohren zuhalten können, aber Jo's Worte hallten immer noch in meinen Gedanken wider.

Vaya's Blut fließt in meinen Adern. Und ich bin deine Zwillingsschwester, Aidan.

Vaya's Blut. Er hatte sich mir unterworfen. Zwillingsschwester. Sein Blut floss in ihren Adern. Das hieß...

Nein, nein, nein!

Seit wann war da eine blaue Vase? Auf dem Wohnzimmertisch hatte noch nie eine blaue Vase gestanden.

„Aidan, muss ich dir erst eine runterhauen, damit du mit mir redest?" Sie meinte es nicht ernst, aber vermutlich hätte mir eine Ohrfeige im Moment wirklich gut getan.

„Sag mir, dass du mir immer die Wahrheit gesagt hast." Die Worte verließen zitternd meinen Mund, noch bevor ich es bemerkt hatte. Entweder zitterte ich vor Angst oder Wut. Oder beidem.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt