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Beverly 

„Soll ich mitkommen?"

Fast wie in Trance starrte ich aus dem Autofenster zu dem kleinen Einfamilienhaus mit dem hübschen Vorgarten. Langsam schüttelte ich den Kopf.

„Schon okay, sie hat mich darum gebeten." Keiner riss sich so wirklich darum, nach Kace zu sehen, aber Trish hatte mich gefragt und ich wollte eine gute Freundin sein. Das machten Freundinnen schließlich, oder? Und Aidan hatte mir erzählt, dass es Trish unfassbar schwer fiel, andere Leute um einen Gefallen zu bitten, also sollte ich mich vermutlich geehrt fühlten. Trotzdem wusste ich nicht, wie ich dem kleinen Knirps in seine taubengrauen Augen schauen sollte, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ich drehte mein Gesicht zu Aidan. „Du hast deinen Teil als Chauffeur erfüllt." Außerdem war ich mir sicher, dass Trish's Vater ihn kannte, oder zumindest schon einmal gesehen hatte. Und aus irgendeinem Grund wollt Trish niemanden zu ihrem Vater schicken, den er kannte. Ich atmete noch einmal tief durch und stieg aus dem Wagen.

Es war windig. Ich glaubte, dass es bald zu schneien beginnen könnte. Vielleicht nicht hier in Fresno, aber in Bakersfield bestimmt. Ich schob die Hände in die Jackentaschen und lief über die Straße auf das Haus zu. Ein Auto stand in der Einfahrt und ich hoffte, dass auch Kace zu Hause war. Noch ein letztes Mal atmete ich durch. Dann klopfte ich.

„Moment!", rief eine helle Frauenstimme. Ein paar Sekunden später wurde die Türe geöffnet, und eine freundlich dreinblickende Blondine schaute heraus. „Ja, bitte?"

Addie war zwar mit Sicherheit besser im Lügen als ich, aber ich wollte Trish nicht enttäuschen. „Hallo", lächelte ich. „Ich bin eine alte Freundin von Trish. Wir hatten viele Kurse zusammen an der High School. Ich hab von der-"

„Trish?" Irritiert zog die Frau die Augenbrauen zusammen. Kurz dachte ich, ich hätte mich an der Adresse geirrt, bis mir ein entscheidendes Detail einfiel.

„Cayleen", erläuterte ich. Jetzt schien die Frau zu wissen, von wem ich sprach. „Ich hab von der... der Entführung gehört." Zeit für den bedauerlichen Hundeblick. „Ich kenne auch Kace und wollte nach ihm sehen, falls Ihnen das nichts ausmacht."

Ich hatte zwar nicht damit gerechnet, dass es so einfach sein würde, aber die Frau winkte mich herein. „Natürlich, komm nur." Dann streckte sie die Hand aus. „Ich bin Barbara."

„Beverly", erwiderte ich und schüttelte die Hand der Frau. „Komm mit, ins Wohnzimmer. Kace ist noch nicht hier. Er ist seit neuestem an Donnerstagen beim Baseballtraining. Aber er sollte in ein paar Minuten kommen."

Im Wohnzimmer saß ein Mann am Tisch, vielleicht Mitte vierzig. Ich erkannte in ihm Trish's Vater. Sie hatten dieselbe Nase. Er sah mich über den Rand seiner Zeitung hinweg an.

„Wer bist du?"

„Eine Freundin deiner Tochter", antwortete Barbara, bevor ich es konnte. „Sei nett zu ihr." Die Frau verschwand wieder in die Küche und ich wagte es, mich umzusehen. Es war ein gemütliches Wohnzimmer. Alte Möbel, ein bisschen unordentlich und dicke Teppiche. Es erinnerte mich ein bisschen an Aidan's Wohnung... Es roch gut. Waren es Kekse? Ein süßer Duft strömte von der Küche herein und mir knurrte der Magen.

„Eine Freundin von Cayleen?", fragte der Mann und legte die Zeitung weg. Ich sah zu ihm. Das Misstrauen in seinem Blick beunruhigte mich.

„Ja. Wir kennen uns aus der Schule. Es tut mir wirklich sehr leid, dass-"

„Woher weißt du, wo wir wohnen?", unterbrach er mit Skepsis in der Stimme. Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Ich schluckte trocken.

„Was?" Meine Nägel gruben sich in meine Handflächen.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt