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Beverly

Unmöglich!

Die Frau auf der fünfzehnten Seite der Zeitschrift sah aus wie Victoria, meine Schwester. Aber das konnte nicht stimmen. Beim zweiten Mal hinsehen bemerkte ich das auch, und mein hämmerndes Herz beruhigte sich. Die abgebildete Frau war eine, mir unbekannte, Schauspielerin. Ana de Armas, wie ich aus dem Artikel herauslesen konnte. Ihr Aussehen und der spanische Name, erinnerten mich sofort an Anthony und die Zeit von damals.

Die Schauspielerin sah ihr wirklich ähnlich. Mit dem einzigen Unterschied, dass meine Schwester blond und nicht brünett gewesen war. Aber ansonsten sah die Frau in dem Magazin genauso unschuldig und süß aus wie Vicky.

Victoria toll zu finden, hatte ich noch nie jemandem verübeln können.

Nur mir selbst.

Wenn Vicky gewollt hatte, hatte sie die netteste Person auf Erden sein können.

Sie hatte mich im Krankenhaus besucht, als ich nach meiner Entführung für zwei Wochen hatte dort bleiben müssen. Sie hatte mir alles erzählt, was ich so verpasst hatte. Wenn ich als Kind nicht hatte schlafen können, hatte ich zu ihr ins Zimmer gedurft. Sie hatte mich dann immer so lange im Arm gehalten, bis ich eingeschlafen war.

Nur hatte sie ganz andere Intentionen gehabt, als mir zu helfen, oder eine gute große Schwester zu sein. Immer.

Ich wusste noch, wie sie meine Eltern gegeneinander ausgespielt hatte. Wenn Mom Nein gesagt hatte, war sie zu Dad gegangen, der normalerweise Ja geantwortet hatte.

Und ich erinnerte mich noch an den Abend, an dem sich unsere Eltern so sehr gestritten hatten, dass sie einander mit der Scheidung gedroht hatten. Ich war gerade mal sieben gewesen. Vicky war zu mir ins Zimmer gekommen und hatte gemeint, dass eine Scheidung immer damit endete, dass die Kinder in ein Heim kamen, wo sie geschlagen wurden und nur Brei zu essen bekamen, der nach Karton schmeckte. Ja, sie hatte es geliebt, mir Angst zu machen.

Aber die mit Abstand grauenhafteste Erinnerung war, als ich mit vierzehn mitbekommen hatte, dass Vicky unserer Mom im Streit damit gedroht hatte, unserem Vater weiszumachen, dass sie Mom mit einem seiner Arbeitskollegen im Bett erwischt hatte. Unser Dad hätte Vicky aufs Wort geglaubt, immerhin hatte er selbst oft genug im Streit betont, dass ich unmöglich seine Tochter sein konnte. Er hatte mir das nie ins Gesicht gesagt, trotzdem hatte es immer wieder wehgetan. Besonders, weil Mom daraufhin jedes Mal erwidert hatte, dass die Schwangerschaft sie selbst überrascht hatte.

Ich war kein Wunschkind gewesen. Ganz und gar nicht.

Vicky war es daher nicht schwer gefallen, die Stellung als Lieblingskind zu ergattern. Sie hätte es auch ganz ohne Erpressungen, Lügen und Manipulationen hinbekommen. Sie war gewollt gewesen. Sie war älter als ich, hatte die Erwartungen meiner Eltern erfüllt und war klüger und hübscher als ich gewesen. Ich war nie aus dem Schatten getreten, den sie geworfen hatte, und in dem ich mich versteckt hatte.

Aber nicht nur in der Familie hatte sie alle Fäden perfekt in der Hand gehalten. Sie hatte systematisch Freundschaften von anderen auseinander gebrochen und sich mit den einzelnen Parteien angefreundet und somit ein halbes Heer an hirnlosen Welpen gezüchtet, die alle nach ihrer Pfeife getanzt hatten. Ich hatte all das mitbekommen. Nur hatte ich nie verstanden, wie sie das so ganz ohne Gewissenbisse hinbekommen hatte. Ich konnte immer noch nicht begreifen, wie sie niemand, einschließlich mir, hatte durchschauen können.

Ich konnte mich an keine Zeit erinnern, in der Vicky Single gewesen wäre. Mit fünfzehn hatte sie ihren ersten Freund gehabt und ab da war sie immer vergeben gewesen. Wirklich immer. Wenn sie mit einem Schluss gemacht hatte, hatte sie sich den nächsten aus der Schlange geholt, das war bekannt gewesen, weshalb sich auch viele Jungs eingereiht hatten, die nur an einer Beziehung-auf-Zeit interessiert gewesen waren. An Familienfesten hatte das niemanden gestört, im Gegenteil. Victoria war immer in Begleitung aufgetaucht und das hatte sich besser gemacht, als alleine herumzuirren. Wie ich. Mit Anthony war sie am längsten zusammen gewesen -fast zwei Jahre.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt