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Aidan

Normalerweise gehörte ich zu der Sorte Mensch, die unbekannte Anrufe einfach wegdrückten. Vielleicht, weil Addie immer gesagt hatte, dass unbekannte Anrufe nur Ärger bedeuteten. Ein Telefonstreich, eine nervige Umfrage, ein Fremder, der sich Verwählt hatte,...

Aber da ich heute schon den ganzen Tag dieses eigenartige Gefühl in meiner Magengegend verspürte, nahm ich mein Handy vom Tisch, entschuldigte mich bei Jo, die gerade in ihrer Euphorie, über das aktuelle Thema ihres wieder aufgenommenen Studiums, aufgeblüht war, und verließ das Hotelzimmer.

„Hallo?" Stille. Am anderen Ende der Leitung rauschte es. War es ein Scherzanruf? Ein Verwähler? Gibt es sowas überhaupt? „Hallo?", wiederholte ich.

„Ähm... hi. Hallo... Hey, ich bin's..."

Was sagt man dazu? Ein Scherzanruf.

Auch wenn ihre Stimme übers Telefon ganz anders klang, hatte ich sie sofort erkannt. Jedoch konnte ich nichts sagen.

„Bitte leg nicht auf!", sagte sie schnell und hinderte mich an meinem Vorhaben. „Es wäre äußerst umständlich für mich, nochmal an deine Nummer zu kommen..." Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. „Ähm... es ist wichtig, es, äh, geht um Addie... Nein, Trev! Ich meine, es geht um Addie und Trev." Wieder sagte ich nichts. Einerseits, weil sich das ungute Gefühl und das schlechte Gewissen wieder an mich ranschlichen und andererseits, weil ich noch nicht fertig damit war, zu verdauen, dass Beverly am anderen Ende der Leitung hing und so herumstotterte.

„Okay, du sagst nichts...", bemerkte sie langsam. „Du musst nichts sagen, hör bitte nur zu. Also, ich hoffe, dass du mir zuhörst, weil... naja, ich stehe hier in einer Telefonzelle vor dem Saint Agnes Medical Center. Da... Da arbeitet deine Mom, aber das weißt du sicher. Nicht deine Mom! Oh Gott..." Sie lachte nervös und ich hatte immer noch keine Ahnung, was sie mir sagen wollte. Ich hatte völlig vergessen, dass sie in ihren nervösesten Momenten zu faseln begann. So war ich früher auch manchmal gewesen. Bevor sie mich auf die brutalste Weise verlassen hatte, auf die ein Mensch einen anderen verlassen konnte.

„Tut mir leid, ich weiß einfach nicht..." Sie atmete tief aus. „Okay, noch mal von vorne: Addie hatte eine Vision. Sie hat Trev sterben sehen und er hatte wirklich einen Autounfall. Jetzt ist er hier im Krankenhaus und keiner von uns weiß, was passiert ist, wie es ihm geht, oder wie die ganze Sache ausgehen wird... Das... solltest du nur wissen."

„Du lügst." Sobald sie die Worte Addie, Vision und Trev in einen Satz verpackt hatte, hatte ich ihre nachfolgenden Worte kaum noch wahrnehmen können. Es war wie ein Rauschen in meinen Ohren, das nicht mehr weggehen wollte. Mein Kopf pochte.

„W-Was?" Sie war hörbar verwirrt.

„Warum sagst du mir das?"

„Weil... Weil Trev dein bester Freund ist und-"

„Nein, ich meine, warum solltest du mir das sagen?", fragte ich gereizt. „Warum sollte ich dir glauben?" Seit wann war sie wieder in das Leben von Addie und Trev verstrickt, verdammt? Was hatte sie in dem Krankenhaus zu suchen, in dem Addie's Mutter arbeitete? Woher nahm sie sich das Recht, mir so eine Geschichte aufzutischen?

„Naja, wenn du nicht die Nummern all deiner Freunde blockiert hättest, hättest du es von Chase erfahren können", entgegnete sie beinahe patzig und klang viel mehr wie die Beverly, die ich gewohnt war. „Ich lüge nicht, aber wenn du mir nicht glaubst, dann-"

„Warum hätte ich die Nummern von meinen Freunden blockieren sollen?"

Beverly schwieg ein paar Sekunden. „Äh... Das müsstest du wissen... oder?"

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt