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Beverly 

Ich musste beim Übersetzen eingeschlafen sein. Ich hatte wirres Zeug von Iona geträumt. Sie hatte in ihrem letzten Eintrag über das erste Treffen mit Theodoric geschrieben. Es hatte offenbar ein großes Fest gegeben, bei dem die bevorstehende Hochzeit der Beiden bekannt gegeben und gefeiert worden war. Soweit ich aus den Einträgen bis jetzt hatte herauslesen können, gehörte Iona einem hohen Rang an, sowohl was die Gesellschaft der Hexen und Zauberer anging, als auch die der Menschen.

Iona und Theodoric hatten beim Essen nebeneinander gesessen, aber geredet hatten sie nicht. Die Hochzeit war nur noch drei Tage entfernt und Iona hatte Angst, wobei sie nicht explizit geschrieben hatte, wovor. Oder vielleicht war ich auch einfach zu blöd, ihre Gedanken richtig zu übersetzen. In jedem ihrer Einträge hatte sie beteuert, wie sehr ihr Odilia fehlte.

Odilia. Der Name, der mir nicht aus dem Kopf gehen wollte, weil ich ihn schon einmal gehört hatte, mich aber nicht daran erinnern konnte. Wie sehr ich es hasste.

Im Halbschlaf hatte ich sogar kurz von Felicity geträumt, aber sie war älter gewesen, Mitte zwanzig, Anfang dreißig vielleicht. Ich wusste nicht, warum ich sie trotzdem erkannt hatte, oder warum sie in meinem Traum fast doppelt so alt gewesen war, wie im realen Leben, aber dieser Traum hatte mir ein komisches Gefühl gegeben.

Etwas hatte mich schließlich geweckt. Etwas Lautes. Vielleicht ein Vogel, der gegen das Küchenfenster geflogen war? Ich war schon wieder dabei, ins Land der Träume zu gleiten, aber das Geräusch ließ mich wieder aufschrecken.

Ich hob meinen schweren Kopf von der Küchenplatte und streckte meinen Rücken durch. Dann sah ich mich um. Es war dunkel draußen. Nur die Stehlampe neben dem Fenster beleuchtete den Raum und schuf eine gemütliche Atmosphäre, bei der ich gleich wieder hätte einschlafen können. Trish war nicht da.

Schon wieder dieses Poltern!

Es war kein Vogel. Jemand stand vor meiner Türe und klopfte. Ich warf einen Blick auf die Küchenuhr, die Trish zwischen zwei Schränken angebracht hatte. Es war kurz vor acht, aber ich hatte das Gefühl, als wäre Mitternacht.

Die Angst (-oder war es doch Hoffnung?-), dass Chase sich hier je wieder blicken lassen würde, war längst erloschen. Ich hasste es, aber der Mistkerl fehlte mir schon fast.

Vielleicht ist es Trish, die etwas vergessen hat.

Ich rutschte vom Hocker und schlurfte müde zu Türe. Doch als mir nicht zwei taubengraue, sondern kaffeebraune Augen entgegenblickten, rutschte mir das Herz in die Hose.

Jetzt war ich nicht mehr müde.

Im ersten Moment konnte ich weder reagieren, noch meinen schockierten Gesichtsausdruck kontrollieren.

„Was machst du hier?", fragte ich Aidan schließlich, während ich immer noch versuchte, zu realisieren, dass er schon wieder vor meiner Haustüre stand, obwohl er diesmal nüchtern aussah. Dafür wirkte er irgendwie verzweifelt. Fast schon traurig.

Dass er nicht betrunken war, machte es jedoch nur schlimmer. Wie viele Male würde er mir das noch antun? Wie viele Male würde ich mich noch „ein letztes Mal" von ihm verabschieden müssen? Es tat jedes Mal weh, so sehr ich mir auch einzureden versuchte, dass ich damit abgeschlossen hatte.

„Addie ist nicht meine Schwester", sagte er lediglich. Vielleicht war er doch nicht ganz nüchtern. Ich konnte nichts tun, außer ihn irritiert anzusehen.

„Okay, nochmal. Was machst du hier?"

Er sah mich aus seinen hübschen, braunen Augen so hilflos an, dass es mir fast das Herz zerriss.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt