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Aidan 

Ich erinnerte mich zu gut an die Zeit, in der Addie mich in allen Lebenslagen zu imitieren versucht hatte. In Restaurants hatte sie dasselbe essen wollen (nur ohne Fleisch), zu Weihnachten hatten dieselben Dinge auf ihrer Wunschliste gestanden, wenn ich mich mit Chase oder Tony getroffen hatte, hatte sie dabei sein wollen und wenn wir nach dem Spielen draußen im Sommer ein kaltes Glas Orangensaft hatten trinken wollen, hatte sie immer den roten Becher haben wollen.

Weil ich ihn hatte haben wollen.

Ich -als ihr großer Bruder- hatte das Gefühl gehabt, ihr den Vortritt lassen zu müssen. Das hatte ich meistens auch getan, aber ich war selbst erst sieben oder acht Jahre alt gewesen und hatte aus dem roten Spidermanbecher trinken wollen. Das war unfassbar wichtig für mich gewesen. Also hatte ich Addie ausgetrickst und immer nach dem blauen Nemobecher gequengelt, den daraufhin Addie hatte haben wollen. Gespielt genervt hatte ich jedes Mal nachgegeben, obwohl ich mich insgeheim gefreut hatte.

Irgendwann hatte sie den Trick natürlich durchschaut, aber zu der Zeit hatte sie bereits ihren eigenen Kopf gehabt und entschieden, dass Spiderman uncool war.

Warum mir gerade diese Geschichte durch den Kopf schoss, wusste ich nicht. Rein gar nichts hätte mich daran erinnern können.

Vielleicht lag es einfach daran, dass ich in diesem Moment an etwas festhalten musste, das mir vertraut war, denn im Augenblick war gar nichts normal. Nur seltsam.

Jedoch nicht die Tatsache, dass ich soeben meinem leiblichen Vater gegenüberstand.

Nicht, dass Jo mich mit ihm alleine gelassen hatte, sobald die Türe geöffnet worden war.

Nicht, dass Jerry dem Mann vor mir aufgeregt auf die Schulter klopfte, auf mich zeigte und: „Das ist dein Sohn!", grinste, bevor er aus meinem Sichtfeld verschwand, nicht jedoch ohne sich noch einmal umzudrehen, mich anzugrinsen und den Daumen in die Luft zu recken.

Nein, seltsam und ein wenig verstörend war lediglich, dass ich soeben mir selbst gegenüberstand. Als wäre der Türrahmen ein Spiegelrahmen. Nur, dass mir dieser Spiegel die Zukunft zeigte, denn mein Spiegelbild musste Ende fünfzig sein.

Das war also mein Vater.

Ein großer, breitschultriger Mann, mit schwarzen Locken, zwischen denen sich bereits graue Strähnen eingenistet hatten. Braune Augen und ein kariertes Hemd. Er sah mir wirklich zu ähnlich. Genauso würde ich in dreißig Jahren aussehen. Jo hätte mich vermutlich auch ohne magische Spur auf mir, oder was auch immer, sofort erkannt.

Seit knapp fünf Tagen war ich nun in New York und hatte es in dieser Zeit nicht über mich gebracht, meinem Vater gegenüber zu treten. Stattdessen hatte ich die Gegend ein bisschen erkundet und mich ein bisschen mehr mit dem Gedanken angefreundet, eine Zwillingsschwester zu haben, die wirklich eine Vorliebe für Oatmeal mit Bananen, Erdbeeren und Zimt hatte.

Anfang der Woche hatte ich noch regelmäßige Anrufe von Addie und Chase bekommen und ein paar von Fabiana, die mir außerdem eine Nachricht geschrieben hatte, in der sie meinte, mit mir reden zu müssen, aber ich hatte nicht darauf reagiert. Würde ich sie weiter ignorieren, würde sie ohnehin bei Addie landen, die ihr sagen würde, dass ich in New York war.

Nur hatten die Anrufe vor ein paar Tagen abrupt aufgehört. Es hatte mich ein bisschen stutzig gemacht. Ich hatte alle fünf Minuten auf mein Handy gesehen, in der Hoffnung, einen Anruf von Addie oder Chase oder Fabiana verpasst zu haben, aber nein. Nicht, dass ich rangegangen wäre oder zurückgerufen hätte, aber solange sie mich mit Anrufen traktierten, waren sie wenigstens nicht tot. Einerseits war ich froh, dass sie mich in Ruhe ließen, andererseits beunruhigte mich diese Funkstille.

Cursed Boy (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt