Beverly
Drei Jahre sind eine lange Zeit. Besonders für ein Kind. In den drei Jahren meiner Gefangenschaft, hatte ich kaum daran geglaubt, jemals wieder die Sonne zu erblicken. Eine einzelne Glühbirne, deren Stromkabeln an der Decke sichtbar gewesen waren, hatte meinen Tagesrhythmus bestimmt und meine Gedanken waren von „Du musst nur machen, was er sagt, dann kommst du hier lebend wieder raus" zu „Mach dir nichts vor, er wird dich umbringen" im Zehnminutentakt gesprungen. Nichts desto trotz hatte ich mir stets gut zugeredet. Eines Tages, würde ich bestimmt wieder frei kommen.
In den Nächten, in denen ich wach gelegen hatte, hatte ich daher eine Liste in meinem Kopf erstellt. Dinge, die ich auf jeden Fall tun würde, würde ich wieder Zuhause sein. An den schlimmsten Tagen hatte ich diese Liste heruntergebetet und mich an ihr festgeklammert. Es waren die Wünsche einer Zehnjährigen gewesen, schon klar, aber die Liste konnte ich immer noch auswendig. Einige der Punkte hatte ich immer noch nicht abhaken können. Und andere hatte ich mir einfach für immer versaut. Zum Beispiel Punkt Nummer dreizehn: Victoria die Stirn bieten. Ich hatte sie umgebracht, bevor ich die Chance dazu gehabt hatte, mich gegen sie aufzulehnen. Bis zum Schluss hatte sie mich auf ihre ganz eigene Art tyrannisiert.
Oder Nummer fünf: Die beste Sweet-Sixteen Party schmeißen, die die Welt je gesehen hatte. Klar, als ich in dem dunklen Keller gesessen und darüber nachgedacht hatte, hatte mir die Vorstellung von vielen bunten Lichtern, Luftballons, lauter Musik und tanzenden, lachenden Menschen gefallen. Ich hatte ja nicht damit rechnen können, dass mich eine Sozialphobie, Angststörungen und Suizidgedanken an diesem Tag in meinem Zimmer einsperren würden. Mein sechzehnter Geburtstag hatte daraus bestanden, dass Anthony und Delilah versucht hatten, mich aus meinem Zimmer zu locken und dazu zu bewegen, zumindest an den Strand zu gehen.
Punkt Nummer vier, mein Gesicht in eine Eistorte zu drücken, hatte von allen Dingen auf der Liste definitiv am meisten Spaß gemacht. An Punkt Nummer dreiundzwanzig, niemals jemandem zu erzählen, was während dieser Zeit passiert war, arbeitete ich jeden Tag aufs Neue. Ohne der Mauer in meinem Kopf wäre dieser Punkt vermutlich längst hinfällig gewesen.
Punkt acht: Den schiefen Turm von Pisa mit eigenen Augen sehen. Das hatte ich mit Delilah und Alkohol erledigt.
Doch was mit Sicherheit nicht auf dieser Liste gestanden hatte, war: Sich mitten in der Nacht an der Türschwelle von einem Jungen küssen lassen, der nur wenige Stunden davor von seiner Freundin so gut wie verlassen wurde. Und leider hatte auch nicht auf meiner Liste gestanden, genau das nicht zu tun, denn sonst hätte ich die Situation, in der ich mich nun befand, bestimmt ein bisschen entschlossener zu umgehen versucht, aber damit hatte ich als Kind nun wirklich nicht rechnen können.
Verdammt.
Verdammt.
Verdammt.
Das waren die einzigen Gedanken, die in meinem Kopf pochten. Wie konnte ein Mensch bloß so wenig Selbstbeherrschung haben wie ich? Und warum zur Hölle traf ich die beschissensten Entscheidungen immer nachts? Die naive Seite in mir dachte wohl, dass Tag und Nacht zwei verschiedene Welten waren. Dass ich zwei Leben lebte. Was in dem einen Leben passierte, hatte keinen Einfluss auf das andere. Ich konnte Chase' Stimme in meinem Kopf hören. Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas. So fühlte sich die Nacht für mich an.
So war es zwar keineswegs, aber das war die beste Erklärung, die mir einfiel, als ich meine Hände in Aidan's Nacken legte und ihn zurückküsste.
Ja, ich wusste, dass es falsch war.
Nein, in diesem Moment interessierte mich das nicht.
Würde ich mich dafür am Morgen schämen? Bestimmt.
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Cursed Boy (Band 2)
Paranormale„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...