Beverly
Auch wenn ich sonst ziemlich egoistisch sein konnte: Nachdem ich Patrick gesehen hatte, hatte ich es nicht über mich gebracht, Trish hier alleine zu lassen.
Ich hatte Angst gehabt, dass Patrick einer gewissen Person, die in meinem Leben knapp drei Jahre eine verdammt große Rolle gespielt hatte, ähnlich sehen würde, aber dem war überhaupt nicht so. Er war klein, hatte einen runden, fast vollständig kahlen, Kopf, Tränensäcke unter seinen gierigen Augen und etwas, das ich wahrheitsgetreu Bierbauch nennen konnte.
Nachdem ich ihm in seiner dunkelblauen Polizistenuniform begegnet war und seine Raucherstimme vernommen hatte, hatte ich mich nicht mehr aus Trish's Zimmer getraut, aber er war wohl auch nicht allzu glücklich darüber gewesen, dass ich hier war. Trish war noch ein paar Mal zwischen ihrem Zimmer und der Küche hin und hergelaufen, um uns und ihrem Bruder Abendessen zu machen, und dabei hatte sie gemeint, dass Patrick gerade dabei war, sich vor dem Fernseher zu betrinken, was wohl auch der Grund dafür war, dass er immer noch nicht wach war. Sollte mir nur recht sein.
Es war halb acht. Ich glaubte nicht, dass Trish eine Frühaufsteherin war. Sie war einfach nur verdammt verantwortungsbewusst ihrem kleinen Bruder gegenüber, denn wir saßen in der Küche und sie machte Frühstück für den Knirps, den sie vor ein paar Minuten geweckt hatte, während ich mit meinem Block und den dicken Wörterbüchern am Tisch saß und übersetzte.
Ich hatte ihren Bruder noch nie gesehen, aber schon in der Sekunde, in der er im Pyjama in die Küche gelaufen kam, fand ich ihn süß. Er sah aus, wie die männliche Kinderversion von Trish. Erdbeerblonde Haare, blasse Haut, Sommersprossen. Ein recht zarter, kleiner Junge mit gebrechlicher Figur.
„Wer bist du?", fragte er sofort neugierig, als er auf den Platz links von mir kletterte. Scheu war er nicht.
„Beverly."
„Bist du eine Freundin von Cay?"
„Von wem?", fragte ich irritiert. Kurz dachte ich, er meinte einen unsichtbaren Spielkameraden oder so. Trish drehte sich schmunzelnd zu mir, während sie die Pfanne von der Herdplatte hob, um Kace' Frühstück nicht anbrennen zu lassen.
„Mein richtiger Vorname ist Cayleen", klärte sie mich auf. Ungläubig starrte ich sie an.
„Du machst Scherze."
„Nein. Trish ist mein zweiter Vorname. Kommt von Patricia."
„Hast du mir vielleicht noch was anderes zu sagen? Bist du lesbisch? Bist du ein Mann? Hast du Fell an deinen Beinen? Bitte sag mir, du hast Fell an deinen Beinen." Trish kicherte und drehte sich wieder um, also wandte ich mich wieder zu ihrem Bruder. „Ja, ich bin eine Freundin von ihr."
Mit leuchtenden Augen stützte er seine Unterarme auf dem Tisch ab und wippte mit dem Stuhl nach vorne. „Und was machst du hier? Was sind das für Bücher? Wie alt bist du?"
„Ähm..." Ich wusste bereits jetzt nicht mehr, was ich sagen sollte.
„Sie studiert Sprachwissenschaften", sprang Trish ein.
„So wie Addie?"
„Ja."
„Und was sind das für Bücher?"
„Sie muss irische Texte für ihren Kurs übersetzen." Als Kace nicht hinsah warf ich ihr einen amüsierten Blick zu und schüttelte den Kopf, aber sie zuckte nur grinsend mit den Schultern. Ihm konnte man offenbar jeden Blödsinn auftischen, solange man seine Neugier damit befriedigte.
Sollte ich je Kinder haben, werde ich ihnen auch total viel Scheiße erzählen -einfach zum Spaß, beschloss ich. Wenn sie mir auf die Nerven gehen, werde ich ihnen eine Schüssel Wasser und eine Gabel geben und ihnen sagen, sie sollen das Wasser so lange rühren, bis es zu Eis wird.
DU LIEST GERADE
Cursed Boy (Band 2)
Paranormal„Wie soll ich sie vergessen, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich sie vergessen soll?" *** Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine geliebte Person gehen zu lassen? Das fragt sich auch Aidan, als er, selbst nach vielen Monaten, Beverly nicht...