Kapitel 76

539 16 2
                                    

Ich befand mich also auf dem Unicampus, und war plötzlich noch aufgeregter als vorher, die großen Hallen zu betreten. Ich hatte heute zum Glück nur einen Kurs, nämlich mein zweites Hauptfach, Kunst. Als weiteres Hauptfach hatte ich Deutsch gewählt, und als ein Nebenfach Musik. Eigentlich konnte ich nicht einmal wirklich Noten lesen, doch Musik zu hören war einfach eines meiner liebsten Hobbys, außerdem war dieses Fach nicht so uninteressant wie einige andere. Nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem ersten Kursraum. Ich betrat die Uni, und die Flure waren nicht weniger gefüllt von Menschen wie der Campus, und ich musste mich mit meinem Ordner durch die Menge quetschen. Ich blickte eigentlich nur zu Boden, und deswegen prallte ich , wie sollte es auch anders kommen, in jemanden hinein. Verlegen ging ich sofort einen Schritt zurück, um mich bei demjenigen zu entschuldigen, in den ich hinein gelaufen war, und als ich ihn ansah, musste ich erst einmal schlucken. Er war an den Armen komplett tätowiert, und außerdem trug er viele Bändchen an den Armen, vermutlich von Festivals oder ähnlichem. Er hatte kurze, braune Haare, und braun-grüne Augen, ihre Farbe war jedoch nicht sehr intensiv, und mit diesen Augen musterte er mich nun.

„Es tu..tut mir leid!“

Ohne ihn ein weiteres Mal anzusehen umgang ich ihn schnell, dabei bemerkte ich, dass in seiner Nähe noch weitere tätowierte Typen standen, wahrscheinlich waren sie also eine Gruppe. Ich hoffte nur, dass ich mir nicht schon direkt am ersten Tag Probleme gemacht hatte...

Mein erster Tag an der Uni verlief eigentlich ziemlich ereignislos. Während ich durch die Gänge lief versuchte ich immer möglichst unauffällig zu sein, damit ich nicht wieder auf diese Typen traf. Meine Professoren waren insgesamt ganz nett und freundlich, dies dürfte also kein Problem werden. Als ich nun in meinem Käfer saß und auf dem Weg zu meiner Wohnung war, überkam mich ein plötzliches Gefühl der Trauer und der Reue. Erstens natürlich wegen Samu, doch zweitens auch wegen den Jungs, die ich einfach ohne weiteres verlassen hatte. Ich war also im Prinzip allein, und das war in meiner damaligen Situation nicht das Beste gewesen. Ich beschloss also, zu der Wohnung von Andre, Cengiz und Jan zu fahren. Und danach auch noch zu Phil, wobei ich mir denken konnte das er sowieso in der Firma war. Bei den Ape's angekommen parkte ich vor dem Gebäude, und klappte als erstes den Spiegel an der Decke meines Autos herunter, um mich zu betrachten. Ich sah müde aus, und außerdem standen meine Haare in alle Richtungen ab, und das sah ja wohl nicht gerade elegant aus. Sofort wollte ich meine Handtasche schnappen und mir dort einen kleinen Kamm heraus holen, doch ich bemerkte schnell, dass ich besagte Handtasche gar nicht dabei

hatte. Super. Ich fuhr mir also mit den Händen durch meine Mähne, bis sie einigermaßen gut aussah, und danach konnte ich dann auch das Auto verlassen. Als ich vor der Haustür stand klingelte ich, und im nächsten Moment war auch schon ein leises zurren der Tür zu vernehmen, welches mir sagte, dass ich eintreten konnte. Ich lief bis in den obersten Stock, und als ich in den Flur ihrer Wohnung trat, kam Jan auf mich zugelaufen und umarmte mich stürmisch.

„Mensch, Lina! Wo warst du nur gewesen! Man, wir haben uns echt Sorgen gemacht, vor allem Phil, der ist echt gar nicht mehr runter gekommen, und...“

Ich stoppte seinen Redeschwall, indem ich mich von ihm losmachte und ihn anlächelte.

„Hey Jan, ich freu mich auch dich zu sehen. Kann ich vielleicht erst einmal rein kommen?“

Er nickte verhalten, und war anscheinend selbst ein bisschen peinlich berührt von seiner Reaktion. Innen angekommen setzte ich mich auf das Sofa, Jan tat es mir gleich. Ich wartete noch ein paar Sekunden, dann sah ich mich verwirrt um, und danach blickte ich wieder zu meinem Gegenüber.

„Wo sind Andre und Cengiz?“

„Cengiz ist bei seiner Freundin, und Andre...nun ja...“

Er begann zu stottern, und ich wusste sofort, was mit ihm los war.

„Jan, sag mir bitte was los ist.“

Ich hatte einen ernsten Tonfall bekommen, und dies schien Jan auch bemerkt zu haben, denn er atmete tief durch und gab mir anschließend eine Antwort.

„Er ist in Amerika.“

Mein Mund fiel offen, und ich sah ihn mit großen Augen an.

„Er ist WO?!“

„Nun ja, nachdem du weg warst hatte er sich sofort auf den Weg gemacht, ich hatte es selbst nicht wirklich mitbekommen. Das letzte was er zu mir gesagt hatte war „Sie ist mit ihm abgehauen, und ich werde jetzt auch abhauen.““

„Ach du heilige...“

Ich legte mir meine Hand auf die Stirn, und ließ mich tiefer in die Couch sinken. Wieso musste einfach alles schief laufen?

Pure ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt