Wütend und erschöpft machte ich mich nach weiteren drei Stunden in der Firma endlich auf den Weg nach Hause. Ich hielt vorher noch bei einem asiatischen Schnellrestaurant und bestellte mir gleich 20 kleine Frühlingsröllchen, die ich danach auf meinem Beifahrersitz platzierte, bevor ich endlich zu meiner Wohnung fuhr. Schon wieder hatte ich unglaubliche Kopfschmerzen, und als ich die Treppen zum dritten Stock erklomm, hielt ich mir meine kühle Hand an die Stirn, bevor mir mein Kopf zu explodieren drohte. Im Wohnzimmer angekommen ließ ich die Box mit den Röllchen auf dem Tisch vor dem Sofa liegen, und schnappte mir meinen Laptop. Ich hatte mich schon lange nicht mehr im Internet aufgehalten, und ich denke auch nicht das ich dort viel entdecken werde. Lustlos dippte ich die Teigrollen in die Sweet Chili Sauce, und scrollte gelangweilt durch meinen tumblr Account. Gerade als ich einen weiteren Bissen machen wollte, erklang der schrille Ton meines Telefons. Ich schreckte hoch, ließ mein Essen fallen und hastete wie immer über die Sofalehne, sodass ich wieder kläglich zu Boden fiel. Das Geräusch aus dem Apparat ertönte zu, Glück immer noch, und ich nahm den Hörer ab, in der Hoffnung es wäre Samu.
"Lina, Liebes? Hast du kurz Zeit? Ich muss mit dir reden."
"Herr Haber? Woher haben sie meine Telefonnummer?"
"Telefonbuch. Hast du mittlerweile mit Samu geredet?
Ein bisschen verwundert versuchte ich, normale Antworten hervorzubringen. Das Ed mich so spät angerufen hatte machte mir schon etwas Sorgen...
"Nein, ist etwas passiert?"
"Samu ist auf dem Weg nach Finnland."
"Er ist WO?!"
"Ja, er ist kurz nachdem ich deinen Zettel gelesen habe ins Haus gestürmt, hat seine Sachen geholt und meinte er fährt nach Berlin seine restlichen Sachen holen und fliegt nach Finnland zurück."
"Aber...und...was ist mit der Show?"
"Er sagte er sieht was sich machen lässt und ob sie die Shows vielleicht verschieben können, wenn nicht hört er auf. Ich weiß ja auch nicht warum er so plötzlich zurück wollte. Deswegen wollte ich dich fragen."
"Es tut mir leid ich....ich weiß auch nicht warum."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen legte ich auf, mein Atem wurde schwerer. Samu ist weg. Wahrscheinlich sitzt er schon im Flieger. Das darf doch alles nicht wahr sein! Ich muss zu ihm. ICH MUSS! Hektisch lief ich zurück zu meinem Laptop, und ging auf die Website des Frankfurter Flughafens. Na also! Morgen um 3 Uhr geht ein Flug nach Finnland. Auf der Seite der Fluggesellschaft suchte ich also nach dem Preis und dem Ab- bzw. Rückflug. Als ich den Preis letztendlich sah, musste ich erst einmal schlucken. 207,50 € !! Es lag nicht daran das ich das Geld nicht haben würde, jedoch wollte ich es mir eigentlich für nicht so glorreiche Tage aufsparen. Andererseits würde ich vielleicht den größten Fehler meines Lebens begehen, wenn ich nicht fliege. Schweren Herzens buchte ich also meine Karte. Noch einmal las ich mir die Bestätigung meines Kaufs durch, und klappte danach meinen Laptop zu. Schon wieder Koffer packen! In den letzten Wochen war ich öfters Weg als in den letzten paar Jahren meines Lebens, da hatte ich aber natürlich auch noch nicht das Geld dazu. Morgen fliege ich also nach Finnland. Ohne Plan. Ich wusste ja nicht einmal wo Samu überhaupt hin wollte! Aber darum kümmere ich mich morgen. Ich vermutete das er zu seiner Mutter geht, weswegen ich beschloss, das ich Edward morgen fragen werde wo seine Frau wohnt. Geschieden sind sie ja noch nicht, soweit ich es mitbekommen habe. Was muss das nur für ein Leben sein...
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich quer auf meinem Bett. AlleKissen die ich hatte verteilten sich auf dem Fußboden, und die Bettdecke hatte sich selbständig gemacht und sich auf komische Art und Weise um meinen Körper gewickelt. Normalerweise passierte es mir nie das ich Nachts so aktiv bin, nur wenn ich aufgeregt bin oder vor etwas Angst habe, was heute definitiv der Fall ist. Ich meine, man fliegt ja nicht so oft einen Mann in ein total fremdes Land hinterher den man um ehrlich zu sein sowieso kaum kennt. Tolle Idee, Lina! Ich rappelte mich verschlafen auf, und ging sofort ins Bad um mich fertig zu machen. Ja, ich flog erst um 3 Uhr, aber bis Frankfurt ist es auch wieder ein ganzes Stück Weg, welches ich hinter mich legen musste. Nachdem ich geduscht war und mir die Zähne geputzt hatte, wollte ich eigentlich etwas essen, doch ich entschied mich dagegen. Ich mochte es einfach nicht zu frühstücken, und da mir eh schon schlecht war, ließ ich es lieber bleiben. Es war mittlerweile 11 Uhr, und ich hatte nicht einmal meinen Koffer gepackt! Schnell lief ich mit besagtem in mein Schlafzimmer, öffnete die Schranktüren, und schmiss einfach so viel hinein wie es nur ging. Ich hatte keine große Lust dazu mir explizit herauszusuchen was ich anziehen werde, denn ich wusste ja garnicht was ich überhaupt alles brauchen werde. Nachdem ich meine Kleidung verstaut hatte, lief ich planlos durch die Wohnung und nahm einfach alles mit was mir irgendwie wichtig erschien. Ein Desaster, ich weiß. Um 12 war ich letztendlich Fertig, und machte mich auch sofort auf den Weg zu meinem Auto. In zwei Stunden sollte ich eigentlich in Frankfurt sein. Ich hoffte also, dass es keinen Stau geben würde, und fuhr mit einem noch immer mulmigen Gefühl im Bauch los. Ich hatte mittlerweile auch etwas gegessen, was meine gedrückte Stimmung auch nicht gehoben hatte, wieso sollte es auch.
Als ich in Frankfurt ankam, dauerte es erst einmal ziemlich lange bis ich überhaupt einen Parkplatz fand. Ich notierte mir das Parkhaus und das Deck in meinem Smartphone, ich hatte keine Lust später unkontrolliert durch die Gegend zu laufen und mein Auto zu suchen, auch wenn es mit seinem strahlenden Hellblau eigentlich ganz auffällig war.
Zögernd ging ich in die riesigen Hallen hinein, und war schon im ersten Moment verzweifelt. Ich kannte mich hier überhaupt nicht aus, und mein Orientierungssinn ließ sowieso zu wünschen übrig. Als ich endlich an meinem Terminal ankam, war ich gerade noch rechtzeitig dort, um durch die Sicherheitsschleuse in den Flieger zu gehen, nachdem ich meinen Koffer abgegeben hatte. Mein Handgepäck bestand nur aus einer kleinen Tasche mit unter anderem meinem Skizzenblock und meinen Stiften, damit mir nicht langweilig wurde. Der Flug dauerte zwar nur zwei Stunden, jedoch kam es einem natürlich noch länger vor wenn man nichts zu tun hatte. Zögernd stand ich erneut in einem etwas kleineren Warteraum, indem sich schon einige Leute angesiedelt haben. Verwundert blickte ich auf die Anzeigetafel über mir. Der Flug nach Finnland hatte Verspätung. Wie sollte es auch anders sein? Vielleicht sollte ich wirklich nicht fliegen, ich weiß ja nicht einmal...Moment.WIE BITTE?
In einer der Sitzreihen erblickte ich...Samus Vater! Was macht der denn hier? Ich sah noch einmal genau hin, um mich zu vergewissern, das er es wirklich ist, und war mir danach sicher. Ich ging langsam auf ihn zu. Als ich vor ihm stand, ließ er das Buch welches er in seinen Händen hielt ein Stück weit nach unten sinken, und als er mich erkannte lächelte er mich freundlich an.
"Hallo Liebes! Schön dich zu sehen."
"Herr Haber! Warum sind sie hier?"
"Ich fliege nach Finnland. Ich habe meinen Sohn so enttäuscht, und ich will es jetzt wieder gut machen. Ich werde ihn ab jetzt auf seinem Weg begleiten."
"Aber sie können ihm doch nicht immer hinterher fliegen!"
"Und warum bist du dann hier?"
Darauf wusste ich keine Antwort. Warum bin ich überhaupt hier? Ich blickte Samus Vater an, dieser sah mich noch kurz mit einem fragenden und zugleich grinsenden Blick an, bevor er sich wieder seinem Buch widmete. Ich sah verzweifelt zur Seite, während ich mir mal wieder meine Hand auf die in Falten gelegte Stirn platzierte, bevor ich wieder zu Edward sah.
"Sie haben ja Recht. Kann ich mich zu ihnen setzen?"
Er hatte wieder dieses Lächeln im Gesicht, welches dem seines Sohnes unglaublich ähnelte. Mit dem Kinn deutete er auf den freien Platz neben sich, und las danach erneut weiter.
Eine Zeit lang saß ich dort, und mein Kopf war leer. Wirklich, komplett leer. Ich starrte auf die Anzeigetafel, und als diese für einen kurzen Moment aufflackerte, wurde ich wieder zurück ins Leben gerufen, und sofort schossen mir wieder tausend Gefühle durch den Kopf, mein Magen begann unaufhörlich zu kribbeln. Ed packte gemütlich sein Buch ein, und erhob sich langsam. Ich stand auch auf, und folgte ihm in den Flieger. Innen angekommen suchte ich meinen Platz, welcher leider sehr weit Weg von Edwards Sitz war, aber das konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern. Als das Flugzeug letztendlich startete, legte ich meinen Kopf gegen den Sitz und schloss die Augen. Nach einiger Zeit öffnete ich sie wieder, und alle Gefühle die ich vorher hatte, waren plötzlich verschwunden. Ich blickte aus dem Fenster, und konnte es fast nicht realisieren. Das Bild der Welt, welches sich mir bot, war wirklich wunderschön. Noch eine Zeit lang verharrte ich in meiner Position, bis ich meinen Block hervorkam und anfing zu zeichnen. Ihr fragt euch was? Etwas das mir immer in den Sinn kommt, wann immer ich nur kurz an nichts anderes denke. Samu. Aus meinen Gedanken heraus versuchte ich seine genauen Gesichtszüge zu erahnen. Ich konzentrierte mich so sehr darauf, Samu perfekt zu treffen, sodass ich die Zeit komplett vergaß.

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Pure Chance
FanfictionLina ist gerade nach Köln gezogen, um dort ihr Studium zu beginnen. Durch Zufall lernt sie am Bahnhof Andre kennen, und durch ihn wird sie sofort in die Internet-Szene hinein gezogen. An ihrem Geburtstag bekommt Lina Konzertkarten für die Band Sunr...