Kapitel 72

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Nachdem jeder von und ein Glas Wein (bäh! Was man nicht alles macht um erwachsen zu wirken) getrunken hatte, erhob Samu sich urplötzlich. Ich wollte gerade schon selber aufstehen, als er mich mit hartem Blick ansah und den Kopf schüttelte. Ich wollte gerade schon den Mund öffnen um heftig dagegen zu protestieren das er mich allein ließ, doch ich schloss ihn wieder, als ich an seine Worte vor dem Taxi dachte. Also drehte ich mich einfach trotzig weg und spielte mit einem Glasuntersetzer. Oh ja, wirklich sehr reif! Als Samu sich einige Meter entfernt hatte, war ich am überlegen ob ich ihm nachsehen sollte. Es schien mir so, als würde auf meiner einen Schulter ein Teufel und auf meiner anderen ein Engel erschienen , die mir unaufhörlich ins Gewissen redeten. Aber meine, nennen wir es "dunkle Seite" überwiegte, und so stand ich vom Stuhl auf und folgte Samu. Während ich diese Aktion ausführte, verpuffte der Engel auf meiner Schulter.

Ich zwängte mich an den ganzen Leuten vorbei, und versuchte, einen normalen Eindruck zu machen, so, als ob ich zur Toilette gehen würde oder so. Als meine Sicht auf Samu etwas freier wurde, erkannte ich, dass er auf die schattige Ecke mit der Tür zuging. Scheint wohl doch kein Hinterhof zu sein...Ich hatte augenblicklich ein mulmiges Gefühl, folgte Samu aber trotzdem. Gerade als ich ihn fast erreicht hatte und er die Türklinke in der Hand hielt, wurde ich gepackt und mir wurde der Mund zugehalten. Ich versuchte mich zu wehren, doch der Griff der Person war so fest, und aus meinem Mund drang Kein Geräusch heraus. Panik stieg in mir auf, als ich bemerkte, dass ich durch eine Tür geschleppt wurde, im nächsten Moment gab die Person mich frei, und die Tür schlug hinter uns zu. Ein eiskalter Luftzug umspielte mich, doch in diesem Moment achtete ich nicht darauf. Ich drehte mich zu der Person um, und fing sofort an zu schreien.

"Hey, was soll das denn bitte?! Lassen sie mich sofort wieder rein!"

Mir war bewusst das er mich nicht verstand, doch es war mir zu umständlich auf Englisch herumzuschreien. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir draußen im Freien standen, denn ich fing an unheimlich zu zittern, weil ich kalt hatte...und aus Angst. Ich ging energisch auf die als Mann identifizierte Person im schwarzen Kaputzenpulli zu, um zur Tür zu gelangen, was aber scheiterte, da mein Entführer mit verschränken Armen davor stand und mich an den Schultern festhielt. Sofort begann ich wieder zu meckern, doch als ich einen Teil seines Gesichtes sah, erkannte ich ihn.

"Du bist doch der aus dem Hotel! Was willst du von mir!"

Als er mir antwortete, lief mir ein Schauer über den Rücken.

"Samu hatte recht, du bist wirklich sehr temperamentvoll Kleines."

Wie bitte?? Er redet DEUTSCH? Er kennt Samu? UND ER NENNT MICH KLEINES? Was geht hier ab!

Als er seine Kapuze nach hinten streifte, traf es mich wie einen Schlag.

"JUKKA?!"

Frech grinsend musterte er mich, bis sein Blick wieder auf meinen Augen haften blieb.

"Na gut, dass kennenlernen hat sich somit also schon erledigt, was?"

Er zwinkerte mir zu, und sein grinsen wurde noch breiter. Jukka war ein guter Freund und Geschäftspartner von Samu, außerdem lebte er zu der Zeit in Köln. Das wusste ich, da ich ihn damals immer gestallt hatte. Unglaublich peinlich.

"Jukka, was soll die Aktion hier bitte?"

"Samu hat mich gebeten auf dich aufzupassen." Seit Tonfall wurde etwas ernster

"Du weißt von der ganzen Sache?"

"Ja, und ich weiß auch das es gefährlich für dich wäre."

Ich wollte mich gegen diese Aussage wehren, doch ich erkannte schnell, dass es nicht bringen würde.

"Na gut..."

Etwas niedergeschlagen lehnte ich mich an die kühle Aussenfassade des Gebäudes, und blickte in den sternenklaren Himmel, um mich etwas von der vorherrschenden Kälte abzulenken.

"Hättest du dir nicht einen wärmeren Zufluchtsort aussuchen können?"

Ich bekam keine Antwort, jedoch stand Jukka Sekunden später dicht vor mir , seine Hand hatte er an der Betonwand hinter mir abgestützt. Ich war so überrascht, dass ich nur in seine Augen sehen konnte, und die Luft zwischen uns begann fast hörbar zu knistern.

"Ist dir jetzt wärmer?"

Ich schaffte es, meinen Blick von ihm zu lösen und stotterte ein paar "ehm's", bevor Jukka anfing zu lachen.

"Ich mache nur Spaß, kleines. Du gehörst zu Samu."

Ich murmelte ein unverständliches genau, und Jukka entfernte sich wieder von mir.

"Tut mir wirklich Leid das es so kalt ist, aber ich hatte nicht gewusst wo ich dich sonst hätte hinbringen sollen."

"Schon okay, ich mache mir nur Sorgen um Samu..."

"Der kommt schon zurecht, glaub mir."

Ich dachte an die Szene hinter der Bar, unerwartet mir gar nicht mehr so sicher, ob er es ohne Hilfe schaffen würde.

Ich atmete ein mal tief aus, und ließ mich wieder gegen die Wand sinken. Jukka sah mich mitfühlend an, doch wirklich viel änderte das auch nicht. Ich ließ meinen Blick wieder zum Himmel schweifen. Langsam Schloss ich für einen kurzen Moment die Augen, und versuchte, alles um mich herum auszublenden. Ich spürte nur , wie die Luft meine Haut umschweifte. Kein einziger Laut war zu hören, ich vernahm nur das gleichmäßige Atmen von Jukka. Ich war für einen kurzen Augenblick nicht mehr ängstlich oder nervös, sondern einfach nur ruhig und entspannt. Doch, wie sollte es anders kommen, die Lage änderte sich schlagartig.

Das nächste, was ich hörte, war ein Schuss, dann, wie eine Tür energisch zugeschlagen wurde. Die Wand die mir Halt gab erbebte unter diesem Druck. Ich sah wie Jukka panisch die Tür durch die wir gekommen waren aufriss, doch ich war unfähig, mich zu bewegen. Ein lautes Quietschen von Autoreifen und ein brummender Motor verstärkten als nächstes die Akustik, und gleich darauf erkannte ich, wie ein schwarzes Auto an mir vorbei raste. Ich stand wie gebannt da, bis ich Jukka erneut im Türrahmen sah, seine Hand war über und über mit Blut verschmiert.

"Lina!!"

Plötzlich realisierte ich, was gerade geschehen war, und ich rannte Jukka hinterher. Mein Gehirn schien sich förmlich ausgesetzt zu haben. Ich hörte nichts. Ich sah alles nur verschwommen, und ich stieß alle Leute zur Seite, um mir meinen Weg zu bahnen. Ich spürte, wie mir heiße Tränen die Wangen herunter liefen, und ich war noch immer damit beschäftigt, mich durch die Menge hindurch zu quetschen. Dann kam ich an. Ich erblickte Samu. Er lag auf dem Boden, an seiner Schulter klebte Blut, und der Boden daneben war auch über und über mit Blut bedeckt. Mir wurde etwas schummrig vor den Augen, und ich wollte auf Samu zulaufen, doch jemand hielt mich fest. Seine blaue Uniform wies darauf hin, dass er ein Polizist gewesen sein musste, doch das war mir egal. Ich kämpfte mich aus seinem Griff, und sank danach neben Samu zu Boden. Ich sah, wie Jukka mein Gesicht zu sich drehte. Sein Mund bewegte sich, doch ich vernahm keinen Ton. Das war das letzte was ich mitbekommen hatte, bevor mir schwarz vor Augen wurde. Mal wieder.

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