Kapitel 70

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Samu ließ sich auf einen Sessel in der Ecke des engen Raumes mit den steilen Dachschrägen fallen, und grinste mich frech an. Etwas enttäuscht ließ ich mich vor ihm im Schneidersitz auf einem bunten Teppich nieder, und stütze meine Arme hinter mir ab, sodass ich nicht mit dem Rücken nach vorne gebeugt sitzen musste.

"Okay, was hast du vor?"

Er seufzte einmal vor sich hin, und begann letztendlich zu reden.

"I have to go to the casino."

Dann herrschte Stille. Ich hob meine Augenbrauen an und weitete meine Augen. Ich wartete darauf, dass er etwas sagen würde, doch aus seinem Mund drangen keine Worte mehr zu mir hervor. Ungläubig sah ich ihn an.

"Und was soll ich machen?"

"Du...du kannst mitkommen, if you want to."

Ich bemerkte schon, dass es ihm sehr schwer fiel diesen Satz zu sagen, und nachdem er ihn beendet hatte schluckte er deutlich hörbar, so, als ob er das ganze wieder rückgängig machen wollte.

"Du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen Samu. Ich werde schon aufpassen was ich tue."

Sein Blick hellte sich nach meiner Antwort auf, und nachdem er tief durchgeatmet hatte, lockerten sich auch seine angespannten Gesichtszüge wieder.

"Okay Baby, then you have to get ready."

"Was meinst du?"

"Du willst doch not zu sehr auffallen, right? So you have to dress like a real lady, a dress would be nice, and some jewelry..."

"Also im Prinzip soll ich mich anziehen wie eine...na ja du weißt schon."

"I think that would be advantageous."

"Oh Herr im Himmel..."

Samu lächelte mich vergnügt an, ich hingegen knirschte mit den Zähnen. Ich hatte normalerweise kein Problem damit, doch ein wenig peinlich war es mir schon, da ich nicht sehr viel von meiner Figur hielt. Aber was sein muss muss wohl sein...

Entschlossen stand ich auf, und klopfte mir den Staub von der Hose, welcher sich auf dem Teppich angesammelt hatte.

"Nu gut, ich gehe dann mal ins Hotel und mache mich fertig."

"Ich komme dich later abholen Baby."

Ich drückte ihm noch schnell einen Kuss auf, bevor ich mich auf den Weg zu der Haustür machte. Leise schlich ich durch den Flur, und als ich an der Tür zum Wohnbereich ankam klopfte ich erst einmal zaghaft dagegen. Nachdem keine Antwort kam, öffnete ich die Tür langsam, und begab mich zur Haustür. Vielleicht waren Ed und Claire ja spazieren gegangen oder ähnliches, muss bestimmt schön sein , da es schon dunkel war und die Sterne normalerweise schon zu sehen sein müssten.

Neben mir an der Wand hing meine Lederjacke an einem Hacken, ich zog sie mir über und öffnete die Tür. Schon im nächsten Moment habe ich mir gewünscht, dass ich einen wärmeren Mantel dabei gehabt hätte. Es herrschten eisige Temperaturen, und ich zog den Reisverschluss meiner Jacke bis oben hin zu. Meine Arme verschränkte ich ineinander, um mich selbst etwas zu wärmen. Meine Haare flogen im kühlen Wind, und sofort bekam ich durch meine Kleidung eine Gänsehaut. Die Straße neben der ich lief war wie leergefegt, und der Fluss auf der gegenüberliegenden Seite plätscherte ungewöhnlich ruhig vor sich her. Ich ging an unzähligen Häusern mit wunderschönen Vorgärten vorbei, und als ich um eine Ecke bog erkannte ich schon die hellen Lichter des Hotels. Es strahlte nur so vor Glanz, und es sah so aus, als wäre die Landschaft um das Gebäude herum gar nicht von Bedeutung. Ich war gerade auf den letzten Metern, als ich ein Geräusch in unmittelbarer Nähe hinter mir hörte. Ich blieb stehen. Langsam drehte ich mich herum, doch es war niemand zu sehen. Ich schüttelte meinen Kopf, und setzte meinen Gang fort. Wahrscheinlich hatte ich es mir nur eingebildet, weil ich sowieso nicht gerne im Dunkeln alleine herum lief. Zumindest hoffte ich, dass es nur eine Einbildung war.

Eigentlich war es mir jedoch egal gewesen. Soll mich doch der Teufel holen, oder einer dieser Mafiabosse, oder was weiß ich denn schon wer. Es wäre mir egal. Vielleicht würde ich dann endlich mal erfahren, was es heißt, richtig zu Leben. Momentan war ich zu einer Hülle geworden. Klar, ich hatte Emotionen, und ich liebte Samu über alles. Aber reicht das wirklich für ein glückliches Leben? In dem Augenblick ermahnte ich mich selber, nicht wieder so melancholisch zu sein, und betrat letztendlich den Eingangsbereich des Hotels. Mein potentieller Verfolger hatte es also entweder aufgegeben oder keine Lust mehr gehabt. Soll mir recht sein.

Vor der Tür standen schon zwei weitere Anzugmänner, welche mir die Tür öffneten, so als wäre ich jemand wichtiges, jemand besonderes. Wenn die wüssten. Ich nickte beiden freundlich zu, und trat danach in die monströse Halle ein, welche beim zweiten Eindruck auch nicht weniger prunkvoll - und vor alles gleißend hell - gewesen war. Ich verdrehte die Augen, als mich die feinen Damen und Herren mal wieder verachtend beäugten, und machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer. In meinem Flur angekommen nahm ich mein Handy heraus, um auf die Uhr zu sehen, während ich durch den langen Flur stürmte. Es war gerade mal Acht Uhr, und als ich beginnen wollte, mich über die extreme Finsternis zu wundern, die draußen vorherrschte, prallte ich geradewegs in eine Person hinein. Wie typisch.

Als ich aufsah, blickte ich in Braun-Blau-Güne Mischmasch Augen, welche mich sofort begeisterten. Es war ein Mann, in den ich hereingelaufen bin. Er hatte mich an den Schultern festgehalten, und sah mir danach direkt in meine Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich ein kleines Lächeln seinerseits erahnen, bevor er etwas wie "Sorry" murmelte, und sich an mir vorbei drückte. Er hatte einen schwarzen Kaputzenpulli an, sodass ich ihn garnicht richtig erkennen konnte, doch ich könnte schwören das ich diese Augen schon einmal gesehen hatte. Ich verdrängte die Gedanken, und machte mich auf zu meinem Hotelzimmer.

Dort angekommen ließ ich meinen Blick erst einmal über das Chaos schweifen, welches hier vorherrschte. Aber zum aufräumen hatte ich jetzt keine Zeit. Schnell sprang ich unter die Dusche, und kam mit einem Handtuch um den Körper und um die Haare in das Hauptzimmer meiner Suite zurück. Meine Zahnbüste hing mir aus dem Mund heraus, und während ich in meinem Koffer herumwühlte, versuchte ich mir verzweifelt, mit einer Hand die Zähne zu putzen. Ich war überglücklich, als ich endlich das rote Cocktailkleid aus meinem Koffer zog. Es kann doch einen Vorteil haben, nicht alles nach Plan einzupacken!

Das Kleid passte perfekt zum heutigen Anlass, genau so wie meine schwarzen Pumps. In der Eile warf ich das Kleid samt Unterwäsche auf das riesige Himmelbett, während ich wieder in das Bad hastete. Dort föhnte ich mir meine Haare, und lockte sie mir danach mit dem Glätteisen, welches ich in einem der Marmorschränke unter dem goldenen Spülstein gefunden hatte. Meine honigfarbenen Haare wurden durch die Locken noch etwas voluminöser, und um das ganze zu fixieren sprühte ich die fertige Frisur noch mit Haarspray ein. Nachdem ich mir die Augen geschminkt und samtig roten Lippenstift aufgetragen hatte, lief ich in den nächsten Raum, um das Kleid anzuziehen. Meine Pumps streifte ich mir auch schnell über, und gerade als ich meine Handtasche griff um das Zimmer zu verlassen, erinnerte ich mich daran, das Samu etwas von Schmuck gesagt hatte, welchen ich natürlich nicht dabei hatte. Na ja, es muss dann wohl auch ohne gehen. Die Tür Schloss sich mit einem leisen Klicken hinter mir, und ich stürmte erneut durch den Flur, dieses mal ohne ungewollte Kontaktaufnahme mit anderen Personen.

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