fünfzehn

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Völlig geschockt stand Riku noch minutenlang an der Hauswand gelehnt: „Wie konnte das passieren? Wieso ist mir das rausgerutscht? Ich bin einfach so ein Idiot. Da gibt es vermutlich keine Erklärung, die das jemals wieder gut machen kann." Tief in ihm drin hoffte Riku, dass Samu einfach die Tür noch einmal öffnete, weil er sich denken konnte, dass sein bester Freund dort stand. Doch als auch zehn Minuten später keine Reaktion von innen folgte, beschloss er zu seiner Wohnung zu laufen. Etwas Besseres hätte er vermutlich auch nicht tun können, denn Samu war ein Sturkopf und momentan war er einfach nur gekränkt. Die Kapuze seines Hoodies tief ins Gesicht gezogen, lief er durch die Straßen. Durch seinen Kopf schossen die Gedanken wie Blitze: „Wie soll ich das bloß Lena erklären? Soll ich mich bei Samu melden?" Auf all die Fragen konnte er aber keine Antworten finden und so sollte es auch den ganzen Abend bleiben. Egal was er tat, ob er versuchte ein paar Akkorde auf der Gitarre zu spielen oder versuchte den Nachrichten zu folgen, die Stimmen in seinem Kopf gaben keine Ruhe. Irgendwann war ihm das alles zu viel und er legte sich ins Bett und tatsächlich er schlief ein.

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, saß Samu mit einer Flasche Bier auf seiner Couch und starrte Löcher in die Luft. Zu mehr war er nicht in der Lage. „Etwas Besseres verdient...", immer wieder hörte er Riku diese Worte in seinem Kopf sagen. „Was hat das zu bedeuten? Bin ich ein so schlechter Mensch? Also ich bin bestimmt kein Engel, aber Riku scheint sich wirklich Sorgen um seine Schwester zu machen. Für ihn schien eine Welt zusammengebrochen zu sein, als er merkte, dass ich ihre Nummer bekommen hatte. Vermutlich denkt er, dass ich danach gefragt habe, aber so war das nicht." Immer wieder entsperrte er sein Handy und starrte auf den Kontakt, den er mittlerweile eingespeichert hatte. Immer wieder öffnete er die Nachrichten App und tippte ein „Hey", dann ein „Hi" oder auch ein „Hallo" ins Eingabefeld. Er wusste selber nicht, ob er Lena jetzt schreiben wollte oder nicht. Und auch dieses Mal sperrte er sein Handy wieder und pfefferte es gegen die Kissen. Den Kopf in die Hände gelegt und sich auf seinen Knien mit den Ellbogen abstützend saß er da wie ein Häufchen Elend. „Wie viel ein einfacher Satz kaputt machen kann...", dachte sich Samu. Nachdem er noch mindestens zehnmal das Handy in die Hand nahm und dann wieder weggelegt hatte, entschloss er sich dann doch dieser Frau zu schreiben, die ihn so faszinierte. Er wusste selber nicht, ob er das gerade nur tat, um Riku eins auszuwischen oder weil er es wirklich wollte. Aber in diesem Moment war ihm das egal. Er öffnete eine neue Nachricht und schrieb: „Hey! Ich hoffe bei Dir ist alles gut und Du bist gestern gut nach Hause gekommen? Samu". Nach einem weiteren Moment des Zögerns drückte er auf den Senden-Button, legte sein Handy bei Seite und verschwand im Bad.

Lena, die gerade in der Bahn saß, war auf dem Weg nach Hause. Das war ein alles andere als schöner Tag gewesen. Ihr Chef hatte sie vor der gesamten Abteilung angeschrien, weil sie einen Fehler gemacht hatte. Lena arbeitete als Journalistin und das mit Herz und sehr viel Leidenschaft. Sie wusste, dass der aktuelle Job sie nicht ausfüllte, doch jeder hat mal klein angefangen. Und so arbeitete sie bei der lokalen Zeitung und berichtete über irgendwelche Belanglosigkeiten. Sie war komplett in ihre Musik vertieft, als ihr Handy vibrierte. Lena zuckte zusammen und las die Nachricht auf dem Sperrbildschirm. Ein schüchternes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Mit einer Nachricht von Samu hatte sie nicht gerechnet. Er hatte ihr tatsächlich geschrieben. „Tief durchatmen", versuchte sie sich selber zu beruhigen. Der Typ, der ihr gegenüber saß, schaute sie bereits verwundert an. Scheinbar hatte sie doch auffälliger gelächelt, als sie es selber gedacht hatte. Lena freute sich wirklich über die Nachricht, mehr als ihr lieb war. „Was ist denn bloß los mit mir? Ich freue mich ja wie ein kleines Kind über so eine mehr oder weniger belanglose Nachricht", huschten die Gedanken durch ihren Kopf. Wieder schaute sie auf ihr Handy und las die Nachricht noch einmal.

Kurz darauf war sie auch schon an ihrer Haltestelle, stieg aus und lief die letzten Meter zu ihrer Wohnung. Dort angekommen, setzte sie sich auf ihr Sofa und dachte darüber nach, was sie denn jetzt wohl antworten sollte: „Will ich überhaupt antworten? Hat Riku wohl schon mit Samu gesprochen? Weiß er, wer ich bin?" Doch diese Gedanken verflogen recht schnell, denn Lena war eine eigenständige Frau und auch wenn Samu der beste Freund ihres Bruders war, durfte sie wohl machen was sie wollte. Also öffnete sie die Nachricht und antwortete: „Hi! Mir geht es gut und Dir? Ich bin gut nach Hause gekommen, aber das Aufstehen heute Morgen fiel sehr schwer. Du hattest vermutlich einen Kater, oder?"

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