achtundzwanzig

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Die Sanitäter brachten Samu in das Helsinki Hospital, denn dorthin verlangte Leo, dass sie ihn bringen sollten. Dort hatte der alte Herr damals gearbeitet. Er war Leiter der Unfallchirurgie gewesen und er wollte sicher gehen, dass sich die besten Ärzte um den Unbekannten kümmerten und das waren seine Kollegen gewesen. Egal wie sehr die Schwestern und Ärzte ihn berührten, um sich ein Bild von der Lage zu machen, Samu öffnete seine Augen nicht. Er fühlte jede Berührung, aber seine Augen konnte er genauso wenig öffnen, wie sich mit Worten bemerkbar machen. Samu wurde komplett durchgecheckt und Leo wich keinen Moment von seiner Seite. Er hatte nämlich das Gefühl, dass jemand bei ihm sein musste, wenn die Beruhigungsmittel nachlassen würden. Die Ärzte wollten Leo zunächst wegschicken, doch da hatten sie die Rechnung ohne den Sturkopf gemacht, der einmal ihr Chef war. Samu wurde gerade aus dem CT zurück in den Schockraum gebracht und Leo sah am Blick seines ehemaligen Mitarbeiters und nun Leiter der Gehirnchirurgie, dass etwas nicht stimmte. „Na los, Thore. Lass mich die Bilder sehen, wenn Du schon nicht mit mir sprichst.", drängte Leo. Doch Thore schüttelte den Kopf: „Du kennst die Regeln, Leo. Du bist weder ein Angehöriger noch für den Mann hier verantwortlich. Er kann vermutlich froh sein, dass Du ihn gefunden hast. Wir werden ihn jetzt sofort operieren und hoffentlich wird er seine...", Thore brach den Satz ab und schaute Leo an. „Thore, ich gebe sowieso keine Ruhe. Dieser Mann hat doch niemanden außer mich und Maria. Wir wissen nichts über ihn, aber lass mich jetzt bitte nicht so stehen." Während die beiden sich anschauten, bereiteten die Schwestern Samu bereits auf die Operation vor. Dazu gehörte auch, dass sie ihm ein Teil seiner blonden Haare abrasierten. Thore und Leo tauschten medizinische Fachbegriffe aus und die Miene von Leo verfinsterte sich. Kurz darauf wurde Samu in den Operationssaal geschoben und Thore verschwand dann auch.

Leo verließ den Schockraum und setzte sich auf die Stühle davor. Seine Gedanken schweiften ab: „Hätte mir das alles auffallen müssen? Hätte ich früher den Krankenwagen rufen müssen?" Ein paar Minuten später kam seine Frau, die mit dem Wagen hinter dem Krankenwagen hergefahren war, aber noch Ewigkeiten einen Parkplatz gesucht hatte. Sie sah ihm an, dass etwas nicht stimmte, setzte sich zu ihm und nahm seine Hand. „Was ist los, Leo? Ist was mit ihm?" Leo seufzte und irgendwie war es ein Seufzen der Angst, aber gleichzeitig auch ein Seufzen der Erleichterung, dass seine Frau endlich bei ihm war. „Er muss operiert werden." „Also war sein Handgelenk tatsächlich gebrochen?" Seine Frau ahnte noch absolut nichts von dem, was mit Samu los war. Leo war gerade einfach nicht in der Lage weiter mit seiner Frau zu reden und in seinem Kopf machten sich Vorwürfe breit: „Warum habe ich versucht ihm zu Hause zu helfen? Wieso war ich so leichtsinnig? Was ist, wenn er bleibende Schäden davon tragen wird?" Er hob seinen Blick und schaute seine Frau an. „Maria, es ist irgendwas mit seinem Gehirn. Deshalb konnte er nicht mit uns reden...", murmelte Leo. Die Miene seiner Frau erstarrte und auch ihr kam kein Wort über die Lippen. Leo rutschte auf dem Stuhl hin und her bis es ihn nicht mehr auf eben jenem hielt. „Schatz, wir müssen melden, dass er hier ist. Seine Familie wird ihn mit Sicherheit schon überall suchen." Mit diesen Worten verschwand er Richtung Schwesternzimmer. Seine Frau blieb noch einen Moment auf den Stühlen sitzen und atmete mehrmals tief durch. Maria war komplett überfordert. Denn auch wenn sie diesen Mann nicht kannte, lag ihr irgendwas an ihm. Vielleicht weil er sie an ihre beiden Söhne erinnerte. Nach einigen Augenblicken ging sie ihrem Mann hinterher.

Lena und Mikko waren mittlerweile bei der Polizei und versuchten verzweifelt einem Beamten klar zu machen, dass auch wenn Samu erst seit heute morgen verschwunden war, ihm etwas zugestoßen sein musste. Nach den anfänglichen Streitigkeiten zogen die beiden nun an einem Strang, denn alles andere würde ihnen nicht dabei helfen Samu zu finden. Der Beamte blieb jedoch hartnäckig und verwies auf die Gesetze, dass er eine vermisste Person erst nach einer gewissen Zeit zur Fahndung ausgeben kann. Das alles war zu viel für Lena, wieder brach sie in Tränen aus und wieder versuchte Mikko sie irgendwie zu trösten, doch sie stieß ihn von sich weg. Sie wollte gerade nur von einer Person die Nähe spüren. Sie wollte einfach nur zu Samu. Sie wollte wissen, dass es ihm gut geht, dass er bei einem Freund ist und sich nicht melden kann, weil er sein Handy verloren hat. Mikko diskutierte noch lange mit dem Beamten, doch es war aussichtslos. Der Beamte versicherte ihnen, dass wenn Samu morgen Abend noch nicht aufgetaucht wäre, sie eine Vermisstenanzeige aufgeben könnte. Mit diesen Worten verabschiedete er die beiden, denn für Lena und Mikko konnte er heute Abend nichts mehr tun.

Und so verließen die beiden das Präsidium. Mikko war komplett überfordert. Er konnte Lena nicht alleine lassen, nicht in ihrem Zustand. „Wollen Sie heute vielleicht bei mir übernachten oder kann ich Sie zu einer Freundin bringen?" Lena schaute ihn an und zum ersten Mal merkte sie, dass sich Mikko um sie sorgte, auch wenn er sie heute morgen erst einmal dumm angemacht hatte. „Nach Hause kann ich leider nicht und wenn Sie einen Platz auf Ihrem Sofa entbehren könnten..." „Natürlich!", antwortete Mikko und fuhr zu seiner Wohnung.

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