zweiundneunzig

83 5 0
                                    

Nachdem Samu seinen Kaffee ausgetrunken hatte, griff er nach seiner Gitarre und verabschiedete sich kurz von Lena mit einem flüchtigen Kuss. „Bis später, Kleine!" Lena lächelte. „Bis später, Superman. Und denk an unsere Verabredung heute Abend." Mit einem Kloß im Hals verließ Samu die Wohnung und fuhr zum Studio. Es war kurz vor elf, als er dort ankam. Es hatte angefangen zu regnen. Die Stimmung, die nun draußen vorherrschte, spiegelte eins zu eins die Gefühlswelt in Samus Innerem wieder. Schnell huschte er unter das Vordach und zündete sich noch eine Zigarette an. Er inhalierte den Rauch bis tief in die Lunge und blies ihn wieder aus. Der leicht warme Rauch bahnte sich immer wieder seinen Weg durch den Mund, die Kehle, die Luftröhre in die Lungen und dann wieder heraus. Es war die erste Zigarette seit langem, die er so intensiv wahrnahm. Das Rauchen war für Samu zu einer Gewohnheit geworden, eine mittlerweile kaum noch wegzudenkende Gewohnheit. Er konnte dabei entspannen. Dieses für ihn angenehme Aroma und der leichte Druck in der Lunge begleiteten ihn jetzt schon so lange und er verband damit die ein oder andere Erinnerung in seinem Leben. Nicht jede Zigarette hatte in der letzten Zeit so intensiv geschmeckt wie diese. Gerade als Samu den Zigarettenstummel in den Aschenbecher drückte, den die Jungs vor das Studio auf die Fensterbank gestellt hatten, rauschte Riku auf den Parkplatz. „Sorry, Samu! Ich bin zu spät.", kam er abhetzt auf Samu zu gerannt. „Alles gut! Ich habe den Moment sinnvoll genutzt, wenn man beim Rauchen von einer sinnvollen Beschäftigung sprechen kann." „Komm, lass uns reingehen. Es ist echt wieder ein Sauwetter." Riku rieb sich die Hände und schloss die Tür auf. Die beiden gingen rein und Samu ließ sich auf das Sofa fallen. Riku hatte gute Laune, nach Samus Geschmack zu gute Laune. „Bist Du verliebt oder so? Warum strahlst Du so und bist so hibbelig?", fragte Samu seinen besten Freund. „Ich freu mich einfach wieder im Studio zu sein. Du hast doch bestimmt einen Songidee oder zumindest eine Melodie, die Du mit mir teilen wolltest, oder?" Riku packte bereits seine Gitarre aus und schaute Samu dann erwartungsvoll an.

„Ich wünschte das wäre der Grund, warum ich mich mit Dir treffen wollte." Samu seufzte ein wenig und irgendwie raubte ihm allein der Gedanke an die gesamte Situation fast den Atem. „Ist alles in Ordnung bei Dir?" Riku ließ sich neben Samu auf das Sofa fallen. Für einen Moment herrschte eine peinliche Stille. Samu hatte sich auf dem Weg zum Studio zwar schon einigermaßen zurecht gelegt, was er Riku sagen wollte, aber sein Kopf war in diesem Augenblick einfach nur leergefegt. Vorsichtig drehte er seinen Kopf zu Riku. „Bei mir ist gerade alles ein wenig kompliziert, um es mal dezent zu untertreiben. Eigentlich ist gerade alles einfach nur scheiße." „Okay, alles ist sehr viel. Was genau ist passiert?" „Lenas Vater ist passiert!", platzte es auf einmal aus Samu heraus. „Riku, ich brauche einfach Deine ehrliche Meinung. Du kennst ihn schließlich." „Das hört sich jetzt wirklich nicht gerade gut an, aber erzähl mir bitte erstmal alles." Samu setzte sich ein wenig auf und begann zu erzählen, es sprudelte förmlich aus ihm heraus, angefangen von der Begegnung bei Lenas Eltern zu Hause bis hin zu dem gescheiterten Abendessen. „Und ich frag mich jetzt einfach, wie das mit Lena, ihm und mir weitergehen soll. Er gibt mir nicht einmal die Chance ihm zu beweisen, dass ich nicht so bin, wie er sich das vorstellt, Rick. Für ihn bin ich ein Frauenaufreißer, ein Mensch ohne feste Regeln. Er tut so, als würde ich nicht einmal einen richtigen Job haben, einfach nur in den Tag hereinleben. Er stellt mich so hin, als ob ich in jedem Ort, wo wir spielen mit einer, wenn nicht sogar mehreren Frauen, ins Bett springe. Er denkt scheinbar, dass ich nur mit Lena zusammen bin, weil es schön ist jemanden zu haben, der zu Hause auf einen wartet. Er sieht nicht, wie sehr ich sie liebe oder viel mehr, er will es nicht sehen."

Samu atmete tief durch. „Und ich kann mich noch genau daran erinnern, was Du damals zu mir gesagt hast. Du meintest, dass ich nicht gut für Lena sei. Das hast Du gesagt, als wir vor Kaisas Kneipe standen und Du mir nicht verraten wolltest, woher Du sie kennst. Und ich frag mich einfach, ob Du damit vielleicht Recht hattest, weil Du wusstest, wie sie erzogen wurde, welche Werte ihr Vater ihr als gut mit auf den Weg gegeben hat." „Nein, Samu!", unterbrach Riku seinen besten Freund umgehend „Hör auf Dich darauf zu stützen, was ich damals gesagt habe, als ich nicht einschätzen konnte, wie ernst Du es mit Lena meintest. Damals hätte ich wirklich nicht gedacht, dass Du sie so nahe an Dich heranlassen würdest. Du warst zu dieser Zeit wie ein Eisklotz und ich hatte einfach Sorgen um meine Schwester. Ich wollte nicht, dass Du so mit ihr umgehst, wie Du mit anderen Frauen in der Zeit umgegangen bist. Ich habe mich nie dafür entschuldigt, dass ich so schlecht von Dir gedacht habe. Aber Du hast mich eines Besseren belehrt. Ich habe Lena in der Zeit, in der ich sie kenne, nie so glücklich erlebt, wie sie mit dir ist. Ich weiß, das klingt jetzt unwahrscheinlich kitschig, aber ich glaube, dass ihr zwei Euch einfach gefunden habt und, dass ihr zusammen gehört." Riku legte seinen Arm um Samu. „Lass Dich von Leo nicht so verunsichern. Ich mag ihn, aber er hat schon einen speziellen Charakter und seine festgefahrene Meinung ändert er jetzt nicht so schnell."

Samu atmete erneut tief durch, ihm fehlten irgendwie die Worte. „Ich will Lena einfach nicht in eine Situation drücken, in der sie sich für mich oder ihren Vater entscheiden muss. Verstehst Du das? Ich meine, ich liebe sie wirklich über alles und auch sie leidet unwahrscheinlich unter der Situation, aber ich kann ihr das Ganze abnehmen." Schockiert schaute Riku zu Samu. „Meinst Du gerade mit „die Entscheidung abnehmen", dass Du sie verlassen willst?"

#afterglowfeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt