einundvierzig

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Am nächsten Morgen fuhr Riku zuerst noch bei Lena vorbei, um Samus Handy zu holen. Gestern Abend waren die Ärzte noch einmal bei Samu gewesen und sie waren zufrieden mit seinen Fortschritten. Eine Prognose hatten sie immer noch nicht geben können, wann Samu genau aufwachen und wie er sich dann verhalten würde, aber allein die Tatsache, dass man jetzt realistisch davon ausgehen konnte, dass sich sein Zustand verbesserte, hatte allen neue Kraft und Hoffnung gegeben. Es war auch die erste Nacht gewesen, in der sowohl Riku als auch Eve wirklich geschlafen hatten und das sah man beiden an. Sie hatten sich ausgesprochen und Riku hatte Samus Mutter noch einiges über Lena erzählt, denn der Brief hatte bei weitem noch nicht alle Fragen von Eve beantwortet. Die beiden gingen zusammen zu Samu auf die Intensivstation, als gerade eine Schwester sein Zimmer verließ. „Ich glaube Sie kommen genau richtig. Herr Haber atmet jetzt wieder selbstständig. Wir konnten gerade das Beatmungsgerät entfernen." Zum ersten Mal seit Samus Unfall sah man Eve lächeln. „Ich danke Ihnen." Sofort gingen die beiden zu Samu und Eve setzte sich zu ihrem Sohn. „Samu, Großer? Ich weiß zwar nicht, ob Du mich hören kannst, aber ich bin jetzt wieder bei Dir. Alles wird gut!" Riku stand am Fußende des Bettes und blickte auf seinen besten Freund. Ein Gerät weniger, machte alles schon wieder ein bisschen erträglicher. Endlich konnte man sein Gesicht wieder sehen. Es war zwar immer noch alles angeschwollen und blau unterlaufen, aber es war sein Gesicht. Das hatte scheinbar auch Eve vermisst, denn sie legte ihre Hand auf Samus Wange, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm ins Ohr: „Du sahst echt schon mal besser aus, Samu!" Riku merkte Eve die Erleichterung an und irgendwie kam er sich fehl am Platz vor. „Riku?", fragte Eve. „Ich muss mal für aufgeregte Mütter. Ich komm gleich wieder okay?". Riku nickte.

Eve verschwand und Riku nutzte die Chance und ging näher an Samus Bett. „Hapa? Ich bins Riku." Riku setzte sich auf das Bett und legte Samus Hand in seine. „Großer, bitte wach auf. Ich weiß nicht, wie lange Eve das noch hier aushält. Sie braucht Dich, sie braucht ihren Sohn zurück." So saß er noch einige Momente dort und fügte dann hinzu: „Und ich glaube es gibt noch eine Person, die Dich braucht." In diesem Moment hatte er das Gefühl, dass sich ein Finger von Samu bewegt hatte, aber er redete sich ein, dass er sich das wohl nur eingebildet hatte, weil er danach keine Regung mehr von seinem besten Freund wahrnahm. Eve war mittlerweile wieder zurück. Riku und Eve unterhielten sich ab und zu, aber ein richtiges Gespräch kam irgendwie nicht zu Stande. „Ich bin wirklich so froh, wenn Samu endlich wieder aufwacht.", sagte Eve als sich bis im späten Nachmittag immer noch nichts an seinem Zustand verändert hatte. „Ob das wohl normal ist, dass das so lange dauert? Heute Morgen hatte sich das alles so angehört, als ob er in wenigen Stunden aufwachen würde?" Riku zuckte mit den Schultern. „Wie gern ich ihn einfach nur wachrütteln würde." Die Stunden vergingen und Riku war mittlerweile kurz aus dem Zimmer rausgegangen, um Mikko auf dem Laufenden zu halten. Eve war auf der Brust ihres Sohnes eingeschlafen. Die letzten Tage hatten sie geschlaucht. Plötzlich zuckte Eve zusammen, als sie auf ihrer Schulter eine Hand spürte. „Mensch Riku, erschreck mich doch nicht so." Eve richtete sich auf, doch Riku war noch gar nicht zurück. Es brauchte einen Moment ehe sie in die blauen Augen ihres Sohnes schaute, damit hatte sie nicht mehr gerechnet heute. „Schatz?" In ihren Augen sammelten sich die Tränen und einige bahnten sich ihren Weg die Wangen herunter und tropften von dort herunter. Sie nahm Samus Gesicht in ihre Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Samu?" Samu schaute sie aus seinen blauen Augen an, doch es war ein teilnahmsloser Blick, ein Blick ins Leere. „Samu?", wiederholte Eve und griff wieder nach der Hand ihres Sohnes. „Sag doch bitte was!"

Eve sah genau, dass Samu etwas sagen wollte, aber es einfach nicht klappen wollte. Er schloss die Augen und Tränen kullerten über seine Wangen. Samu begann zu schluchzen und direkt piepten die Geräte immer schneller. Seine Herzfrequenz schoss in die Höhe und Eve versuchte verzweifelt ihn zu beruhigen, aber egal, was sie sagte, er beruhigte sich nicht. Er hatte eine Panikattacke. Immer wieder versuchte er sich zu artikulieren. „Mama, bitte hilf mir!" Aber er schaffte es nicht diese Worte zu sagen. Da die Geräte weiterhin verrückt spielten, kam kurze Zeit später eine Schwester. „Herr Haber, beruhigen sie sich. Herr Haber?" Sie drückte einige Knöpfe, dass zumindest das Piepen aufhörte. Mit einfühlsamer Stimme redete sie auf Samu ein. „Herr Haber, wissen Sie wo sie sind?" Samu starrte sie mit rotverheulten Augen an. Er nickte. „Herr Haber, haben Sie Schmerzen?" Er schüttelte seinen Kopf. Innerlich gab er der Krankenschwester immer Antworten in ganzen Sätzen, aber irgendwie konnte er es nicht sagen. Irgendwas blockierte ihn. „Tun Sie doch bitte etwas!", flehte Eve die Krankenschwester an. Riku hatte gar nicht mitbekommen, dass Samu aufgewacht war, weil er zum Telefonieren ins Treppenhaus gegangen war. Er kam gerade wieder ins Zimmer und ging sofort auf die andere Seite des Bettes, auf der nicht die Krankenschwester stand. „Samu! Gott sei Dank, Du bist wach!" Er griff nach seiner Hand und Samu drückte sie fest zu. „Was ist hier los?" Riku blickte in die verzweifelten und mit Tränen gefüllten Augen seines besten Freundes. Die Krankenschwester schaute zu Riku und erklärte ihm die Situation. „Herr Haber scheint nicht sprechen zu können. Woran das liegt, kann ich nicht beurteilen. Ich werde jetzt einen Arzt holen, damit er ihn untersuchen kann." Riku drehte sich zu Eve, die weinend am Fenster stand. Er wollte gerade zu ihr gehen, doch Samu drückte seine Hand fester. „Bitte lass mich jetzt nicht mit irgendwem alleine Rick!", flehte er ihn in seinen Gedanken an. „Bitte!"

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