dreiundneunzig

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Samu schaute für einen Moment einfach nur geradeaus an die Wand. Er wollte es eigentlich nicht aussprechen, an was er die letzte Nacht gedacht hatte. Langsam sortierte Samu seine Gedanken und schaute Riku an. „Ganz ehrlich. Ich weiß gerade absolut überhaupt nichts mehr. Vor ein paar Tagen war zwischen Lena und mir noch alles in Ordnung, ich dachte wirklich, dass ich mit dem Abendessen bei mir ihrem Vater signalisieren kann, dass ich es Ernst meine, dass ich mich ins Zeug lege auch ihn zu überzeugen, aber es ist eigentlich durch diese Idee nur noch viel schlimmer geworden. Als Lena gestern Abend in meinen Armen eingeschlafen ist, sind so unfassbar absurde Gedanken durch meinen Kopf geschossen und ja, ich überlege gerade ernsthaft, ob ich nicht einfach diesen Schalter in mir wieder umlege und es Lena so einfacher mache. Denn ich will nicht, dass sie ihre Eltern wegen mir verliert. Das könnte ich mir nie verzeihen, Riku!" „Hörst Du jetzt bitte auf so einen Schwachsinn von Dir zu geben?" Samu schüttelte nur den Kopf. „Das ist kein Schwachsinn, Riku! Versteh mich nicht falsch. Ich liebe Lena über alles, sie ist die Frau, mit der ich mir eine Familie vorstellen kann, mit der ich alt werden möchte. Lena und ich passen gut zusammen, wir sind einfach auf einer Wellenlänge. Mit ihr kann ich über die ernsten Themen sprechen und auch Pferde stehlen. Sie hat mich zu einem viel besseren Menschen gewacht. Denk bitte einmal zurück an die Zeit auf Tour. Man konnte nichts mit mir anfangen, ich habe mich vor jedem komplett verschlossen, niemanden mehr an mich heran gelassen. Ich war ein Eisklotz. Ich hatte eine Einstellung, dass mir alles egal ist, dass ich schon irgendwie durchs Leben komme..." „Samu!!!", unterbrach Riku ihn. „Hör bitte auf irgendwie Gründe dafür zu sorgen Lena zu verlassen. Bitte, tu ihr das nicht an. Das ist das letzte, was Euch beiden jetzt hilft."

„Lass mich bitte ausreden, Riku. Ich suche keine Gründe, ich brauche keinen Grund. Der einzige Grund ist, dass ich nicht mehr mein eigenes Leben in den Mittelpunkt stellen möchte, sondern Lena vor allem und jedem beschützen möchte und wenn das nun einmal bedeutet, dass ich sie freigeben muss, dann ist das so." Allein das Aussprechen dieser Worte trieben die Tränen in Samus Augen. Riku schaute Samu fassungslos an. „Das ist nicht Dein Ernst? Du meinst wirklich, dass es ihr dann besser geht, wenn Du sie im Stich lässt? Das wird nichts an Euren Gefühlen für einander ändern, rein gar nichts. Euch beiden wird es so schlecht gehen und ich weiß, dass Lena das nicht hinnehmen wird." „Natürlich wird es mir scheiße gehen, aber mir geht es auch jetzt scheiße. Leo ist mir mittlerweile schon komplett egal, ich werde ihn niemals von mir in dem Maße überzeugen können. Aber Lena leidet so sehr unter dieser Situation, ich sehe es in ihren Augen, auch wenn sie versucht für mich so zu tun, als würde ihr das nicht nahe gehen. Aber sie ist ein Gefühlsmensch, sie ist harmoniebedürftig. Und die Person, wegen der die Harmonie in ihrem Leben nun gefährdet ist, das bin nun einmal ich." Samu bemerkte gar nicht, wie ihm die Tränen aus den Augen liefen. „Ich liebe sie so sehr, Rick. Warum kann nicht einmal alles bei mir laufen, wie bei anderen Personen? Warum werden mir immer wieder Steine in den weg gelegt? Warum um Himmels Willen darf ich nicht einfach glücklich sein? Warum?" Riku wollte gerade ansetzen, doch er wusste keine Antwort auf die Fragen, die Samu gerade in den Raum warf. Er nahm seinen besten Freund einfach nur in den Arm. Samu schluchzte gegen Rikus Schulter. „Ist es denn wirklich zu viel verlangt, dass ich glücklich sein möchte?" Minutenlang saßen die beiden nur da, Samu weinte bitterlich. Die Emotionen hatten ihn übermannt und er konnte es nicht zurückhalten. Riku räusperte sich und versuchte Samu irgendwie zu beruhigen. „Großer, es spricht so viel dagegen, dass Du diesen Schritt gehst.

Das Wichtigste zuerst: es hier um meine Schwester und Du lässt sie nicht alleine nur weil Leo seine eingefahrene Meinung nicht ändern will. Die Hoffnung, dass er dies doch tut ist aber doch noch da. Die Beziehung zu einer fremden Person muss sich entwickeln, ihr beiden hattet offensichtlich nicht den besten Start, aber vielleicht versuchst Du es einfach noch einmal , auch wenn das leichter gesagt als getan ist. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass Leo sich darauf überhaupt einlassen würde. Zweitens ist zwischen Euch beiden nichts vorgefallen, Du distanzierst Dich aber gerade von der Person, die Dir vermutlich die Welt bedeutet und ohne die Du gar nicht mehr sein möchtest. Ihr beiden ergänzt Euch perfekt. Ihr beiden mögt die gleichen Dinge, Ihr fühlt Euch bei dem jeweils anderen so unfassbar wohl und Ihr vertraut Euch blind. So eine Verbindung habe ich selten zwischen zwei Menschen gesehen. Ihr beiden habt so unfassbar viel in Eure Beziehung investiert. Sie steht doch eigentlich auf einer guten Basis und daran zu rütteln, ist für mich keine Option. Ich bin einfach kein Freund von unüberlegten Schluss-mach-Aktionen und noch viel weniger halte ich davon, dass Du glaubst, dass dadurch allen Beteiligten geholfen ist. Unter dem Strich hat am Ende doch nur Leo durch Deine dusselige Idee seinen Willen bekommen und für ihn wird es sich wie ein Triumph anfühlen. Ganz nach dem Motto: ich habe es doch von Anfang an gesagt." Samu atmete durch, schaute Riku aus seinen verheulten Augen an. „Du musst mir keine Argumente liefern, warum ich es nicht tun sollte. Ich kenne jedes einzelne und jedes einzelne Argument hat mehr Gewicht als die Tatsache, dass ich glaube, dass ich Lena so einiges erspare."

Samu raufte sich die Haare, stand auf und ging zum Fenster. „Aber vielleicht muss ich ihr das Herz brechen, damit sie danach wieder glücklich werden kann. Damit sie einen Mann finden kann, der den Vorstellungen ihres Vaters entspricht. Es werden für sie keine schönen Wochen, sie wird so unfassbar viel weinen und versuchen mich zurückzuholen, aber ich verschwinde einfach. Ich verschwinde aus Helsinki. Ich verschwinde aus ihrem Leben. Ich helfe ihr einfach über mich hinwegzukommen, indem ich das größte Arschloch bin. Das wird der schwerste Schritt meines Lebens, aber vielleicht muss ich gehen, damit Lena endlich glücklich werden kann."

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