sechsundfünfzig

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Riku brachte Samu nach Hause. Während der gesamten Fahrt redeten die beiden kein Wort. Man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können. „Meintest Du das wirklich ernst, Riku? Du willst nichts davon wissen, was sich gerade zwischen Lena und mir entwickelt?" Samu hatte mit dieser Frage bewusst gewartet bis es nur noch einige wenige Minuten Fahrt bis zu seiner Wohnung waren. Riku trommelte angespannt mit seinem Zeigefinger auf das Lenkrad und starrte auf die Straße. Er seufzte. „Mensch Hapa, glaubst Du nicht, dass das verdammt komisch für mich ist? Ich habe einfach keine Lust, dass ich zwischen Euch stehe und deshalb wäre es mir wirklich lieb, wenn ihr mich da raus haltet. Es ist Euch sowieso egal, was ich davon halte. Ich kenne Euch, Dich besser als Lena. Ihr seid beide stur, ihr habt beide Euren eigenen Kopf und warum soll ich mir denn da den Mund fusselig reden." Riku parkte den Wagen vor Samus Wohnung. „Ich warne Dich jetzt einmal. Wenn Du ihr weh tust, ich weiß nicht, was dann passiert. Aber, merke Dir eins: Sie ist ein wunderbares Mädchen und ich werde mich immer für sie entscheiden." Samu blickte Riku an. „Okay, wow. Du freust Dich ja wirklich, dass ich eventuell endlich mal jemanden gefunden habe, mit dem ich mir mehr vorstellen kann als nur Sex. Danke, Rik!" Samu schnallte sich ab, stieg aus und schnappte sich seine Tasche vom Rücksitz. Er beugte sich noch einmal herunter, um Riku in die Augen zu sehen. Aus irgendeinem Grund erwartete er, dass Riku noch etwas zu sagen hatte, aber da täuschte er sich. „Na dann. Wir sehen uns!" Samu knallte die Autotür zu und ging in seine Wohnung. Er schmiss die Tasche einfach nur in den Flur und setze sich auf die Couch. „Warum? Warum kann es nicht einfach mal normal laufen? Warum glaubt Riku immer noch, dass ich nicht gut für Lena bin?" Sein Gedankenkarussell wurde glücklicherweise durch den Nachrichtenton an seinem Handy gestört. „Ich hoffe Riku hat sich zusammengerissen. Ich sollte vielleicht nochmal mit ihm reden. Vermisse Dich! Bis heute Abend!" Sofort tippte Samu eine Antwort: „Wir reden heute Abend darüber, okay? Freue mich auf Dich und lass nicht zu lange auf Dich warten."

„18 Uhr, bei Dir oder bei mir?" „Komm ruhig zu mir." Samu schickte Lena seine Adresse und beschloss duschen zu gehen. Im späten Nachmittag bereitete er eine Lasagne vor, die seine Spezialität war. Ihm ging es wirklich wieder gut. Seine Stimme war zurück und wieder klar. Er hatte einfach nur Angst davor, dass seine Singstimme nicht mehr so ist wie früher, aber das wollte er jetzt wirklich noch nicht ausprobieren. Gegen halb sechs schob er die Auflaufform in den Ofen und wartete ungewohnt nervös darauf, dass es an der Tür klingelte. Lena hatte bereits um 17 Uhr Feierabend gemacht, um sich noch schnell andere Klamotten anzuziehen. Sie entschied sich für ein schwarzes Top, einen grauen Cardigan und eine schwarze Jeans. Ihre langen braunen Haare trug sie offen und ein wenig Makeup hatte sie tatsächlich auch aufgetragen. Sie lief durch das verschneite Helsinki zu der Adresse, die Samu ihr genannt hatte. Sie war überpünktlich und klingelte. Am liebsten wäre Samu sofort aufgesprungen, doch er zögerte einen Moment, um nicht zu seltsam bei ihr anzukommen. Er drückte ihr die Tür auf: „Einmal nach ganz oben, my Lady!" Als Lena diese Stimme hörte, kribbelte es sofort wieder überall. „Reiß Dich zusammen, Lena", redete sie sich selber ein. Samu lehnte im Türrahmen in einem T-Shirt und einer etwas schickeren Jogginghose. Sofort lächelten sich die beiden an, als sich ihr Blick traf. „Hereinspaziert." Samu trat einen Schritt zurück und Lena betrat seine Wohnung. Er schloss Dir Tür, nahm Lena die Jacke ab. Erneut trafen sich ihre Blicke, beide schauten irgendwie schüchtern in die Augen des jeweils anderen. Lena trat einen Schritt auf Samu zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und legte ihre Hände in seinen Nacken.

Diese Einladung nahm Samu dankend an und küsste Lena. Es war eine andere Art von Kuss. So einen Kuss hatten die beiden noch nicht erlebt. Er war liebevoll, aber fordernder als jeder Berührung ihrer Lippen bisher. Am liebsten hätte Samu Lena jetzt auf hochgehoben und gegen die Haustür gedrückt, denn die beiden standen immer noch im Hausflur, doch mit einem Schmunzeln beendete er den Kuss. „Hast Du Hunger? Ich habe gekocht." Lena löste ihre Arme, die sie enger um seinen Nacken geschlungen hatte. „Herr Haber, Herr Haber. Sie können auch noch kochen?" „Ich hoffe es.", erwiderte Samu bescheiden, obwohl er wusste, dass seine Lasagne ein Gaumenschmaus war. Er nahm Lenas Hand und führte sie in seinen Wohn- und Essbereich. Lena lächelte ihn beeindruckt an. „Aha, so wohnt also der wohl bekannteste und hei... beliebteste finnische Rockstar. Nicht schlecht." Die beiden aßen zusammen und wanderten danach auf die Couch. Samu hatte Lena einen Wein angeboten, er selber konnte natürlich wegen der Medikamente nur Wasser trinken. Lena hatte ihr Weinglas in der Hand und rutschte nah an Samu heran. Ihren Blick wendete sie nicht von ihm ab, sie fokussierte ihn, seine Augen, seine Wangenknochen, sein einfach perfektes Gesicht. Und Samu hielt diesem Blick einige Zeit Stand. Doch irgendwann konnte er es nicht mehr zurückhalten. Er griff nach Lenas Glas und stellte es hinter sich auf das Beistelltischchen. Er ließ Lena keinen Moment aus den Augen. Seine Hand strich sanft entlang ihres Haaransatzes, über die Wange, über das Kinn. Auch wenn es gerade alles andere als kalt war, entwickelte Lena eine Gänsehaut. Die Berührungen von Samu brachten sie um den Verstand und dabei hatte er nur seine Hand an ihr Gesicht gelegt.

Samu wusste genau was er tat. Er wanderte mit seiner Hand in Lenas Nacken, beugte sich leicht zu ihr und berührte sanft Lenas Lippen. Lena ließ sich leicht nach hinten in das Sofakissen gleiten, ohne jedoch sich den Berührungen von Samu zu entziehen. Samus Lippen bahnten sich seinen Weg, den er eben noch mit seinen Händen gegangen war. Lena legte bereitwillig ihren Kopf ein wenig zur Seite und Samu lächelte in die Küsse, die er an ihrem Hals verteilte. Wieder an ihren Lippen angekommen, umkreiste er sanft ihre Lippen, die immer noch geschlossen waren. Lena wusste, dass jetzt der Moment gekommen war und sie öffnete vorsichtig ihre Lippen und die Zungen der beiden erkundeten schüchtern den Mund des jeweils anderen. Die weichen Zungen fanden immer wieder den Weg zueinander, umspielten sich gefühlvoll, aufmerksam und gleichzeitig erwartungsvoll. Lena hatte mittlerweile die Hände in Samus Nacken gelegt und griff immer wieder in seinen Haaransatz. Für einen kurzen Moment ruhten die Küsse und die beiden schauten sich atemlos in die Augen. „Du Spinner!"

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