vierundachtzig

89 5 0
                                    

Aus einem für Samu nicht ersichtlichen Grund stieg durch diese Aussage von Lena seine Anspannung um ein paar weitere Prozente an. Die Situation stresste ihn, weil er seit so vielen Jahren sich nicht mehr bei den Eltern seiner Freundin vorgestellt oder diese kennengelernt hatte. Jedes Mal, wenn es dieser Schritt sich angedeutet hatte, hatte er einen Grund gefunden, warum das Abenteuer mit der Frau zu beenden war. Und auch, wenn er angespannt war, freute er sich darauf einen weiteren Teil von Lena kennenzulernen. „Mach Dir nicht so viele Gedanken, Samu!", sagte Lena während die beiden das Treppenhaus heruntergingen. Sie hatte sofort nach seiner Hand gegriffen, nachdem sie die Türe abgeschlossen hatte. „Ich versuche es. Aber ich habe einfach so einen Respekt davor und ich glaube alles andere wäre auch nicht normal. Man muss glaube ich weiche Knie vor so einem Moment haben." Am Auto von Samu angekommen, stiegen die beiden ein und fuhren noch kurz bei einem Blumenladen vorbei. Aber anders als geplant, stellte nicht Lena einen Strauß zusammen, sondern Samu suchte die Blumen aus. „Von irgendwem musst Du die Liebe für Rosen ja haben." Anschließend navigierte Lena Samu zum Haus ihrer Eltern. „Kannst Du Dich eigentlich an irgendwas erinnern von den beiden?" Samu schüttelte den Kopf. „Ich habe schon im Krankenhaus versucht mich an etwas zu erinnern, aber mehr als Teile der Stimme oder Berührungen sind nicht hängen geblieben." Samu parkte den Wagen in der Einfahrt des kleinen Bungalows, der dann wohl Lenas Elternhaus sein musste. Lena beugte sich zu Samu und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Sie werden Dich mögen, wenn Du so bist, wie Du bist. Wie gesagt, verstell Dich nicht und ich bin ja die ganze Zeit bei Dir." „Danke, Kleine!" Sanft legte er ihr eine Strähne hinter das Ohr und küsste sie anschließend auf die Stirn. Lenas Worte beruhigten ihn zumindest ein wenig.

Nichtsdestotrotz musste er es schaffen die Eltern seiner Freundin von sich zu überzeugen. Einen komplizierten Start als die Maria, Leo und Samu hatten, konnte sich Samu gar nicht vorstellen. Denn auch, wenn die beiden sich damals um ihn gekümmert hatten, weil sie Mitleid mit ihm hatte, würden sie sich bereits ein Urteil über ihn gebildet haben. Lena hatte Samu gut zugeredet. Sie liebte ihren Spinner und sie war sich sicher, dass ihre Eltern ihn mit offenen Armen empfangen würden. Allein aus dem Grund, weil sie nach Mats niemanden mehr mit nach Hause gebracht und niemanden ihren Eltern vorgestellt hatte. Die beiden stiegen aus dem Wagen, Samu griff nach dem Strauß Rosen und Lena schellte an der Tür. Dieses Mal war es Samu, der nach Lenas Hand griff. Und auch wenn es nur eine leichte Berührung war, gab sie ihm so viel Sicherheit. Diese Frau würde ihn hoffentlich an den Fettnäpfchen vorbeileiten, die sich heute noch auftun würden. Mit einem Strahlenden Lächeln öffnete Maria die Tür. „Hach Schatz. Schön, dass ihr so spontan Zeit hattet." Sie umarmte Lena sofort. „Hey Mama. Ja klar, wenn Papa so nett fragt." „Und das ist also Dein Freund?" Immer noch mit einem sympathischen und ansteckenden Lächeln schaute Maria nun Samu an, der etwas unbeholfen immer noch vor der Türschwelle stand. „Richtig Mama. Das ist Samu." Lena schaute von ihrer Mutter zu Samu und wieder zurück. „Samu, das ist meine Mama." „Schön, dass wir uns endlich mal unter normalen Umständen kennenlernen können.", begrüßte Lenas Mutter Samu. „Ich hoffe, ich habe mit der Blumenwahl ins Schwarze getroffen, Frau Meier." „Ach, ich bin Maria." Während Maria dies sagte umarmte sie Samu, wofür er sich um einiges nach unten bücken musste, denn Lenas Mutter war wirklich nicht groß. „Die Blumen sind wunderschön. Danke!"

Samu fiel ein Stein vom Herzen. Mit so einer unkomplizierten Begrüßung hatte er warum auch immer nicht gerechnet. Lena und Samu folgten ihrer Mutter in das Wohnzimmer. „Macht es Euch bequem. Papa kommt jetzt gleich. Der hatte irgendwie noch ein dringendes Telefonat mit dem Krankenhaus zu führen." Lena lächelte und schüttelte den Kopf. „Ich warte immer noch auf den Tag, wo weder Papa das Krankenhaus noch das Krankenhaus Papa anruft." Lena und Samu setzten sich auf das Sofa und Samu ließ seinen Blick schweifen. Es war ein wohnlich und leicht urig eingerichtetes Wohnzimmer, welches eine heimische und liebevolle Atmosphäre verbreitete. Lena wich keinen Zentimeter von Samus Seite und er legte seinen Arm um sie. Maria kam nach einigen Minuten mit den Rosen in einer Vase aus der Küche ins Wohnzimmer und stellte die Rosen auf den Wohnzimmertisch. „Geht es Dir wieder gut, Samu?" „Ehhhm, ja schon. Ich wollte...also ich...!" In diesem Moment stand Leo in der Tür. „Ihr seid ja schon da. Ich musste noch kurz mit dem Krankenhaus was besprechen." Leo kam auf seine Tochter zu, die sofort aufstand und ihren Vater umarmte. „Hey Paps. Manchmal hab ich echt das Gefühl, dass Du noch gar nicht in Rente bist." „Mir macht es einfach Freude, wenn ich den ehemaligen Kollegen noch helfen kann." „Ich weiß." Lena lächelte ihren Vater an. „Ihr beide kennt Euch ja schon." „Meier, angenehm Herr Haber." Für einen kurzen Moment zögerte Samu, denn er war davon ausgegangen, auch von Lenas Vater das Du angeboten zu bekommen. „Freut mich. Ich wollte mich bei Ihnen und Ihrer Frau auch noch einmal ganz herzlich für alles bedanken, was Sie für mich getan haben." Leo schaute Samu an. „Ja, ich habe nun einmal den Hippokratischen Eid geschworen. Ich hätte Sie schlecht dort liegen lassen können." Lena und ihre Mutter tauschten verwirrte Blicke aus und das entging Samu natürlich nicht. Irgendwie beruhigte es ihn, dass die beiden scheinbar auch verwirrt von der sehr distanzierten Haltung Leos waren. Maria versuchte die Situation aufzulösen, indem sie zu Tisch bat.

„Dann wollen wir mal den Kuchen probieren. Ich hoffe, dass er mir gelungen ist." „Ach Mama, wann ist Dir denn ein Kuchen nicht gelungen?" Die vier setzten sich an den Tisch und Maria verteilte den Kuchen. Es herrschte für einen Moment eine unfassbar peinliche Stille ehe Lena ein wenig von ihrer Arbeit erzählte. Leo verfolgte jede Bewegung, jede minimale Reaktion von Samu. „Und Sie sind also Rockstar?" „Ich mache Musik, ja. Mich selber würde ich jetzt nicht als Rockstar bezeichnen. Ich liebe es Menschen mit unserer Musik zu berühren und in den Hallen mit den Fan zusammen zu singen." „Damit verdienen Sie also Geld?" Lena warf ihrem Vater einen viel sagenden Blick zu. „Das ist mein Beruf genau. Bei mir hat sich der harte Kampf ausgezahlt und ich konnte meine Leidenschaft zu meinem Beruf machen." Samu war innerlich total aufgewühlt, weil er nicht nachvollziehen konnte, worauf Leo hinauswollte, aber er riss sich zusammen und antwortete ihm auf seine Fragen. „Okay, wenn Sie auf Tour sind... Wie stellen Sie sich das dann vor?" „Was genau meinen Sie?" „Naja, man hört ja schon so einiges über das Tourleben von Bands. Da können Sie jetzt nicht abstreiten, dass es da auch mal Damenbesuch nach einem Konzert gibt." Lena schlug mit der Hand auf den Tisch. „PAPA! Was ist denn los mit Dir? Ich glaube es reicht jetzt." Samu aber legte vorsichtig seine Hand auf Lenas und schaute zu ihr. „Lass Deinen Papa fragen, was ihm auf der Seele brennt." „Nein, Samu! Du musst darauf nicht antworten. Deshalb sind wir nicht hier. Ich dachte, dass Papa Dich kennenlernen wollte und nicht ein Kreuzverhör startet." „Es ist okay, Kleine." Samu streichelte sanft über Lenas Hand. „Vielleicht sollten Sie und ich uns einmal in Ruhe unterhalten, Herr Meier?"

#afterglowfeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt